2007 · Model Years

240 Seiten
210 Abbildungen
Großformat 24,5×32,5 cm,
schweres Bilderdruckpapier,
durchgehend fünffarbig gedruckt,
gebunden mit amerikanischem Schutzumschlag,
mit einem Vorwort und Interviews von Fritz Franz Vogel
und einem Text von Linn Schumacher
Preis: 49,90 Euro
ISBN: 978–3–89602–769-6
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, 2007

direkt hier bestellen: info@thomaskarsten.com


Da ich dieses Projekt gerne fortführen möchte, können sich interessierte Frauen gerne mit einem Foto bewerben.
E-Mail: models@thomas-karsten.de | Internet: www.thomaskarsten.com




MODEL YEARS Der neue Bildband von Thomas Karsten

Der hochwertige Bildband »Model Years« zeigt anspruchsvolle Aktfotografien von jungen Frauen zwischen 20 und 25 Jahren. Der renommierte Fotograf Thomas Karsten porträtiert eine Generation junger Frauen, die selbstsicher zu ihrer Nacktheit stehen. 
Ganz bewusst entzieht sich Karsten bei der Auswahl seiner Modelle dem Druck der Norm: Nicht alle haben Modelmaße. Dem Fotografen gelingt es, seinen Modellen in die Seele zu schauen und die individuelle Schönheit jeder Einzelnen abzubilden. Gerade durch die Eigenständigkeit der Modelle gewinnt der Fotoband an Originalität und Frische, und die Nacktheit erhält ihre Natürlichkeit zurück – ohne falsche Scham. Die kräftigen Farben der Bilder machen das Durchblättern zu einem Genuss, gleichzeitig spiegeln sie das Selbstbewusstsein der jungen Frauen, die über ihre eigene Sexualität bestimmen und es genießen, sich in erotischen Posen zu präsentieren. Die Aufnahmen sind eine Hommage an ihre Schönheit und Vitalität!
Der abwechslungsreiche Fotoband umfasst zweihundert Abbildungen und ist durchgehend fünffarbig gedruckt.


»Model Years« is an exquisite book of artistic nude photography presenting young women aged 20 to 25. The renowned photographer Thomas Karsten portrays a generation of young women who are self-assured in their nakedness. Karsten has consciously chosen subjects who do not necessarily represent the norm. Not all of them have model figures. The photographer was able to successfully reveal the souls of these models and allow them to express their own unique character. It is because of this freedom that the book is fresh and original, lending the nudity a naturalness without the false modesty. It’s a pleasure to leaf through these colourful pages of self-confident young women with full control over their own sexuality. They are obviously enjoying themselves being photographed in erotic nudity. The pictures are homage to their beauty and vitality.
The 200 full-colour photography book covers many facets of modern sexuality.

SCHÖN NACKT 

Deine Brüste sind wie zwei Zicklein, 
Zwillingsjunge der Gazelle. 

will mich freun an deinen Brüsten,
welche reifen Trauben gleichen.

Du bist lieblich, meine Freundin, 
und kein Fehl ist an dir!


Das Hohelied Salomos: DIE BIBEL in heutigem Deutsch. 
Die Gute Nachricht des Alten und neuen Testaments. 
Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart, 1992


Nacktheit fasziniert, und zwar nicht nur die Außenstehenden, die Angezogenen, sondern weit mehr die Nackten selbst. Dies geht aus den Gesprächen hervor, die ich mit jungen Erwachsenen führte. Ob man sich vor einer Kamera nackt auszieht, oder doch nicht oder vielleicht später, oder dann nicht mehr – das scheinen Fragen zu sein, die sich Frauen dann und wann stellen. Nicht nur diejenigen, die Aktfotos machen, haben dazu ihre eigene Meinung, meist natürlich eine positive, sondern auch unbeteiligte Frauen. Letztere äußern sich zum Teil klarer, gerade weil sie sich aus Überzeugung nicht fotografieren lassen wollen. Sie halten ihren Körper bedeckt, weil sie die Entblößung mit Unmoral gleichsetzen. Dabei sind heute weit weniger moralische Altlasten für das oppositionelle Gebaren verantwortlich, als viel mehr die Einschätzung über die eigene Attraktivität. Schönheit, Jugendlichkeit, Sportlichkeit fördern nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Bereitschaft, nackt zu posieren. Aktfotografie kann als ein Reflex auf das individuelle Körperbewusstsein gesehen werden.

Dabei geht es letztlich nicht mehr um ein Posieren, wie man das noch aus älterer Fotografie, vor allem aus Aktstudien, kennt. Zwar wird diese Art von Fotografie noch landauf, landab betrieben, indem ambitionierte Hobbyfotografen junge Modelle suchen, sie pro Stunde bezahlen, um ihren jugendlich-straffen Körper ins richtige Licht zu rücken. Diese Aufnahmen erscheinen dann in Hobbyzeitschriften oder auf Websites von Foto-Communities mit allen Angaben technischer Rahmenbedingungen. Diese formalisierte Fotografie ist aber nicht das Feld von Thomas Karsten. Er bietet weit mehr als die Fleischlichkeit des Leibes, nämlich eine Plattform, damit sich die Menschen vor seiner Kamera austoben, ausleben, inszenieren, ja, eigenwillig erfinden können. 

Es sind biografische Beweggründe, Launen und Lebensentwürfe, die hier verwirklicht werden. Die Menschen gehen zum Fotografen, um etwas über sich zu lernen, in Erfahrung zu bringen. Der Fotograf ist sozusagen das Medium, das Selbstbewusstsein zu entdecken. Es sind Momente, in denen die Frauen sich nicht nur der Kamera gegenüber öffnen, sondern auch etwas mit sich klären wollen. Sie finden zu ihrem Körper, sie erkennen ihre Schwächen und Stärken. Die Bilder sind Zeugnis einer biografischen Selbsterkenntnis und Stellungnahme – eine gar nicht so leichte Aufgabe angesichts der durch Glamour-Postillen global verbreiteten Schönheitsideale.

Sich auszuprobieren gehört in die Adoleszenz. Während sich junge Männer eher dem dumm-dreisten Geschwindigkeitsrausch und dem lauten Gelage verschreiben, ihre Männlichkeit also in Testosteron-Exzessen unter Beweis stellen, steht bei den jungen Frauen meist eine andere Erlebenshaltung im Vordergrund. Das Interesse an Kleidern, der Hang und Zwang zum Shopping, die Fixierung auf den Körperausdruck etc. verdichten sich zu einem Katalog körperanalytischer Fragen (von dem viele dann gar nicht mehr loskommen): Wie sehe ich heute aus, wie wirke ich, was passt zu mir, wie verführe ich, wie fühle ich mich, wie spüre ich Intimität, wie fühlt sich die Haut einer andern Frau an usw.

Der Körperbezug, das ist leicht festzustellen, ist bei Frauen stärker als bei Männern. Der Körper war von jeher ein Bezugspunkt weiblicher Kommunikation und als solcher wichtig für die Selbstfindung und -darstellung. Daraus ergeben sich Neugier und die Wissbegierde an der weiblichen Oberfläche. 

Dass der Mann seinerseits ebenfalls den weiblichen Körper als Referenzpunkt männlicher Kommunikation wählte – wenn auch aus anderen Interessen –, gipfelte in einem stetig zunehmenden Körperkult, der sich durch alle Gesellschaftsschichten und Kulturen zieht. Diese Körperkultur, die Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts noch eher von Männern initiiert wurde, wird seit über zwei Generationen zumeist von Frauen aufs Tapet gebracht, von ihnen mit Sexismus-Vorwürfen torpediert oder, im Sinne einer Retourkutsche auf die Feminismusdebatten der siebziger und achtziger Jahre, von jungen Ausziehwilligen erneut als individuelle Freiheit verteidigt (siehe Bauchnabel-Freiheiten der Miss-Sixty-Fraktion). Ein Blick in Modezeitschriften und auf Plakate verweist auf das gesellschaftlich-mediale Zusammenspiel von Sinnlichkeit und Jugendlichkeit, Glamour und Glitzerwelt, Unschuld und Extravaganz, Sport und Erotik. 

Der weibliche Körper als Projektionsfläche umfasst heute praktisch jedes Alter: Teenies und Girlies, Missen und Musen, Schönheitsköniginnen und Starlets, die perfekte Mutter, die reife Geschäftsfrau, die liebevolle Großmutter, die weise Alte. Was vor hundert Jahren noch als Frechdachs oder mit einem Schuss Laszivität als Fräulein Backfisch oder Wildfang durchging, ist längst bloß noch ein Andenken an eine »gute alte Zeit«. Die jungen Frauen probieren sich aus … Selbstdarstellung, Rollen, Laufsteg, modeln … Da und dort schimmern Modelle durch. Rollenfiguren wie Venus, Ophelia, Eva, Baubo oder Aphrodite werden mehr oder weniger bewusst in Attitüde und Haltung zitiert. Es werden Anleihen gemacht beim Vamp, bei der Femme fatale, bei der Nixe, beim Playboy-Bunny und bei der leichten Muse. Das vermeintlich Natürliche ist stets auch etwas Gemachtes, Geformtes und In-Szene-Gesetztes, gespeist aus dem Reservoir der Kultur- und Geistesgeschichte.

All diese Teststreifen und Lackmuspapiere haben einen gemeinsamen Nenner: die Selbstbestimmung über den eigenen Körper und den weiteren Lebenslauf. Wenn man mit 20 Jahren seine Haut zu Markte trägt, dann ist die Reibungsfläche programmiert. Vielleicht entflieht man in gewissem Maße den elterlichen Zwängen, ihren Vorschriften und Kontrollen. Doch stellt die Gesellschaft selbst genügend Vorbilder zur Verfügung, die mit ihrer blinkenden Scheinwelt für die meisten unerreichbar bleiben, auch wenn sie einen stets präsenten Bezugspunkt darstellen. All diese perfekt ausstaffierten und ausgeleuchteten Subjekte füllen den öffentlichen Nahraum mit betörender Nacktheit und gespielter Schamlosigkeit. In ihrem Überformat mehren sie unser schlechtes Gewissen hinsichtlich unseres Aussehens und unseres unsportlichen Freizeitverhaltens und packen uns an der immer lebendigen Eitelkeit. Mit dem kleinen Unterschied, dass die Werbung auf immer neue Ware und formbares Frischfleisch zurückgreifen kann, während wir von Tag zu Tag der Vanitas, der nie still stehenden Vergänglichkeit, unterlegen sind und uns womöglich ernsthaft mit Body Mass Index, Botox und Busenlifting beschäftigen. Deshalb ist es von Vorteil, möglichst schnell ein wahres, gutes, schönes Bild von sich anfertigen zu lassen, bevor die Zeit verronnen und das Ansinnen vergessen sind.

Dass der Fotograf nicht nur ein abbildender ist, sondern auch einer, der Wünsche erfüllt, weil er das sichtbare Kapital in einer visualisierten Welt ins richtige Licht rückt, ist nicht von der Hand zu weisen. Seine schönen, bisweilen da und dort digital geschönten Resultate entschädigen dafür, dass man nicht im Jetset geboren ist. Die Bilder sind Ausweis einer Lebensfreude, ein Bekenntnis zur Stimmungslage und eine Imagekampagne für das eigene, stets neu zu erfindende Ich. Mit den Bildern bin ich wer, weil ich es wert bin, abgelichtet worden zu sein. Dieser latente Geniekult steckt in den autobiografischen Bildern, und fast scheint es so, als ob frau sich heute lieber nackt dem Fotografen anvertraut, als altertümlich Tagebuch zu schreiben. Beides zeugt von Intimität und setzt individuelle Erkenntnisse frei. Damit wird offensichtlich, dass ein Wandel stattgefunden hat, vom stillen Kämmerlein, in dem Probleme schreibend bewältigt werden, hin zum offerierten Podest, auf dem das narzisstische Ich öffentlich verhandelt, verglichen und beurteilt werden will. Was im Tagebuch noch toleriert wird, nämlich Tintenkleckse und Tränenflecken, ist auf dem öffentlichen Podium geächtet. Hier ist alles rein und sauber, hygienisch rasiert, schamhaarlos glücklich. Die glatte Oberfläche und makellose Retusche – das Tierisch-Wilde ist nur modische Masche – versprechen mehr Erotik, Anziehung, Sexappeal. Mehr noch: Durch die Bilder wird eine Spur in die Zukunft gelegt, die sich zu einer kurzzeitigen Celebrity entwickeln und auswachsen kann. Denn wer narzisstisch und extrovertiert veranlagt ist, den/die drängt es nach einem Beruf im Rampenlicht, wo er/sie diese Neigung ausleben kann. Doch es geht hier nicht um Psychologie, auch wenn ein nackter Frauenkörper jede Menge Gelüste und Begehren freisetzen und Lebensgeister in Wallung bringen kann. 

Einen gesellschaftlichen Nachweis, ein kulturelles Resultat, haben diese Belles du jour zwar noch kaum realisiert; noch sind sie erst Körper, schön, bewundernswert, anzüglich, jedoch unberührbar. Nehmen wir diese Fotografien jenseits der betörenden Sehnsucht, die sie zu erzeugen vermögen, auch als Spiel einer freizügigen jungen Erwachsenenwelt. Versuchen wir keine Kulturkritik anzuwenden, angesichts einer Gesellschaft, in der die Vielzahl nackter Waren ob des Überflusses kaum mehr Begehren erzeugt, sondern im Gegenteil eher etwas Groteskes darstellt. Lesen wir unvoreingenommen die Einschätzungen, das Selbstverständnis dieser nackten H&M-Generation.

Eine letzte Beobachtung ist zu treffen: Kultur- und fotohistorisch fällt auf, dass in diesem Buch erstmalig in der Geschichte des Aktfotobuches eine globalisierte Welt junger Erwachsener vorgeführt wird. Diese jungen Frauen leben als Vertreter von Zweit- und Drittgenerationen von Einwanderern unter uns und haben sich nolens volens ihre Rechte erkämpft. Zwar wird die eigentliche Herkunft aus Asien, Russland, Nord-, Mittel- und Südeuropa, aus Nord- und Schwarzafrika nur halbwegs mit dem Vornamen erschlossen, doch findet sich bei genauerem Hinsehen eine ethnische Vielfalt in Gesicht und Hautfarbe. Zwar wissen wir, dass ein nacktes Stelldichein ethnischer Verschiedenartigkeit noch nicht der Beweis einer Integration ist, doch ist bemerkenswert, dass das Tabu der Nacktheit so weit über den zentraleuropäischen Zirkel hinauszuwachsen vermochte.

Wie sich junge Frauen hier in Szene setzen, verdient Respekt.

Fritz Franz Vogel, Fotohistoriker
www.fritzfranzvogel.ch


PRETTY NAKED

Your two breasts are like two fawns,
like twin fawns of a gazelle.

May your breasts be like the clusters of the vine.

All beautiful you are, my darling;
there is no flaw in you.

The Song of Soloman: The Bible in Contemporary German
Die Gute Nachricht des Alten und neuen Testaments
(Good News from the Old and New Testaments.)
Deutsche Bibelgesellschaft. (The German Bible Society) Stuttgart, 1992


It appears that nudity not only intrigues the observer, but the nude to
a far greater extent. Interviews confirm that young women at some
point contemplate whether to appear naked in front of a camera or
not. And it is not only those who don’t mind being photographed in the
nude who voice an opinion. Some women distinctly choose never to be
photographed in the nude. They keep their bodies covered because
they equate bareness with immorality. Yet the assessment of one’s own
beauty is far more at fault for opposing nudity than yesterday’s societal
confines. Beauty, youthfulness and fitness promote not only health but
also a willingness to pose in the nude. Therefore nude photography can
be viewed as a natural reflex of an individual’s body-awareness.
Ultimately we are not talking about the postures as we know them from
earlier photography, or nude studies. This type of picture-making is still
common all over the country; determined hobby photographers search
for youthful models with beautiful bodies and pay them by the hour. The
photos appear in hobby mags or on photo community websites stating
all the technical settings and specifications. This type of photography
is not Thomas Karsten’s field. He presents far more than just a body in
carnal poses, he offers a platform for individual expression. The model
is given the freedom to have a ball, to live an adventure, to show off,
yes, even to find its own style!
Personal motives, moods and life designs are being realized here.
People work with a photographer to learn and experience something
about themselves. The photographer is the medium, so to speak,
on their journey to self-discovery. These women do not only want to
open themselves to the camera; they want to clarify something within
themselves. They accept their bodies and realize their own strengths
and weaknesses. These photos are witness to an autobiographical
statement and self-conception – not a very simple task in the face of
glamour magazines all over the world postulating beauty ideals.

Testing oneself is an essential part of adolescence. While young men
are more devoted to brazen speed thrills and loud drinking binges
to prove their masculinity awash in an excess of testosterone, young
women are given to express themselves in a different way. A heightened
interest in clothing, a fondness for shopping, a figure fixation, all build
to body-obsession issues (which can turn into a serious problem): Does
this look right on me? How do people see me? What suits me? How
can I be seductive? How do I feel? How do I experience intimacy? What
does the skin of another woman feel like? and so on.
It is easy to conclude that a woman’s relationship to her body is stronger
than a man’s. The body has always been a reference point of female
communication and is therefore important for identification and selfexpression.
From this a curiosity about the female surface and a thirst
for knowledge emerges.
Because the male in his own way views the female body as a reference
point for male communication (albeit with a different agenda) a steadily
growing cult of the body spanning all cultures and social stratum is
peaking. This physical culture, which was primarily initiated by men at
the start of the 20th century, had been taken up again by women of the
70s and 80s and torpedoed with accusations of sexism. As a tit for tat
knee-jerk response to this feminist era, the cult is now being defended
as individual freedom by the young who are willing to drop their clothes
(read: young belly-button fashion exhibitionists). A glance in any fashion
magazine or at any poster reveals the interplay of sensuality and youthfulness,
glamour and glitter, innocence and extravagance, and sports
and eroticism.
Today the female body is being used as a projection screen for practically
every age type: teens and girlies, misses and muses, beauty queens
and starlets, the perfect mother, the mature business woman, the
loving grandmother, the wise golden-aged. What passed a hundred
years ago as cheeky or perhaps as young flapper or wild child is now a
mere souvenir of the »olden days«. Young women are taking chances…
Promoting their public image in roles, on the runway, in modelling…
The Venus, Ophelia, Eve, Baubo and Aphrodite attitude role model are
more or less summoned with a mixture of the vamp, the femme fatale,
the water nymph, the playboy bunny and the art muse. The »natural«
look is therefore in actuality something performed, shaped and chic,
springing from cultural and intellectual sources.
All these indicators have one common denominator: autonomy over
one’s own body and the subsequent course of life. If the 20-year-old
takes her own skin to market conflict is predictable. Perhaps she wants
to escape parental pressures, regulations and controls. Nevertheless,
society itself sets enough examples of a glittering illusionary world that
almost always remains unattainable even though it is the omnipresent
reference point. All these perfectly decked out and illuminated subjects
fill public spaces with infatuating nakedness and studied shamelessness.
In its larger-than-life format, our guilty conscience increases in
proportion to our appearance, our non-athletic behaviour, and attacks
our ubiquitous vanity. There is one small matter not to be forgotten:
Advertising has a huge reserve of fresh malleable flesh. Meanwhile,
we feel inferior to the beautiful people while seriously assessing our
body mass index, and maybe considering Botox injections or breast
implants. That’s why it is perhaps beneficial to take a true, good and
beautiful picture of oneself as soon as possible, before time passes
and the suggestion is best forgotten.
It can’t be denied that the photographer does not only take pictures but
also fulfils dreams: He takes one‘s visible assets in a visual world and
puts them in the right light. The digitally enhanced results sometimes
compensate for the fact that one was not born into the jet set. The
pictures are evidence of a joie de vivre, a belief in the current frame of
mind and an image campaign for the continuously reconfiguring self.
Because of these pictures I matter – I was worth it to be photographed.
This latent cult of genius is concealed in the autobiographical pictures;
it almost seems as if one would rather trust the photographer with one’s
nakedness than write an archaic diary. Both create intimacy and allow
for individual discoveries, but there has been a transition: away from the
quiet chamber in which problems were managed in the written form on
to the public pedestal, from which the narcissistic self publicly demands
negotiation, comparison and assessment. What is still tolerated in the
diary (ink spots and tear stains), is ostracised on the public podium.
Here everything is pure and clean, hygienically shaved, pubic-hairless
happy. Smooth surfaces and impeccable retouching (naturalness was
only a fad) promise more eroticism, attraction and sex appeal. But
there’s more: The pictures could lead to short-lived celebrity status.
Extroverted narcissists need to be in the limelight where they can act
out this affinity. But we’re not talking about psychology here, even
though a naked woman’s body has to do with cravings and desires
enough to make the blood course faster.
Though these belles du jour have hardly made their mark, a cultural
outcome if you will, on society, they are still first of all only bodies,
beautiful, admirable, personal, but untouchable. Let us perceive these
photographs as going beyond the beguiling desire that they seem to
create, and as a game in a permissive young adult world. Let us try
not to apply cultural critique in the face of a society where excess
nakedness scarcely creates desire but merely seems grotesque. Let
us remain unbiased when inputting the assessments, the self-image
of this naked MTV Generation.
One more observation needs to be made: Looking at it from a cultural
and photographic history point of view, it is evident that for the first time
in nude photography, this very book presents young adults of a globalized
world. These young women, second- and third-generation immigrants
living among us, had to struggle for their rights – if they wanted to or
not. Though their first names only sometimes reveal their ethnic origins
(Asia, Russia, North, Middle and South Europe, North and Central Africa),
cultural diversity shows with closer examination. Though we know that a
naked rendezvous with ethnic diversity isn’t exactly proof of integration,
it is still remarkable that the taboo of nudity has managed to reach far
beyond the boundaries of Central Europe.
The way these young women put on a show earns our respect.

Historian of photography 
www.fritzfranzvogel.ch



: Lia May
Ich bin 27 Jahre alt und arbeite seit sieben Jahren als Model. Damit
bin ich wohl eher eine Ausnahme in diesem Buch. Dass Modeln schon
immer mein Traum war, kann man eigentlich nicht sagen, es hat sich
eher so ergeben. Ich fühle mich allerdings sehr wohl vor der Kamera.
Es hat mir immer Spaß gemacht und es schien mir ganz natürlich, mich
vor der Kamera zu bewegen.
Die Fotografien von Thomas Karsten kannte ich schon vor »Model Years«
und die Originalität seiner Bilder hat mich sofort fasziniert. Ich wollte sehr
gerne einmal mit ihm zusammenarbeiten und mich von ihm fotografieren
lassen, also habe ich übers Internet Kontakt zu ihm aufgenommen.
Das Shooting hat insgesamt fünf Stunden gedauert. Es war überhaupt
nicht anstrengend, sondern hat sehr viel Spaß gemacht. Thomas hat mich
morgens vom Flughafen abgeholt und wir sind gemeinsam in sein Studio
gefahren. Wir haben uns sofort gut verstanden, alles war ganz natürlich
und ungezwungen. Wir haben Verschiedenes ausprobiert, Requisiten,
Motive und Hintergründe ausgesucht, die miteinander harmonieren,
aber auch viele Pausen gemacht, um uns zu unterhalten und
miteinander zu essen.
Thomas Karsten kümmert sich um seine Modelle, er baut vor dem Shooting
eine Beziehung zu ihnen auf und ist sehr aufmerksam. Ich denke, das
muss sein, wenn man Menschen fotografieren und ihre Persönlichkeiten
wiedergeben möchte. Es war ein toller Tag, ohne viele Worte hat alles
wunderbar geklappt.
Die Fotos in »Model Years« strahlen eine besondere Unbefangenheit
aus, die sich von der Künstlichkeit der Hochglanzmagazine abheben.
Natürlich ist gutes Aussehen wichtig. Wenn man jemanden kennenlernt,
schaut man immer erst mal auf das Äußere – gepflegt sein ist
wichtig, Kleidung, gute Manieren und wie man sich gibt, all dies ist von
Bedeutung. Es ist aber das Zusammenspiel, nicht nur Kleider machen
Leute. Wenn man jemanden kennenlernt, der toll aussieht, kann man
nach zehn Minuten trotzdem zu Tode gelangweilt sein. Aber im ersten
Moment ist das Äußere enorm wichtig, man wird abgecheckt beim
Vorstellungsgespräch, bestimmte Berufe kann man sogar nur ausüben,
wenn man gut aussieht.
Ich habe wirklich Achtung vor Thomas Karstens Kunst, da er auch Frauen
fotografiert, die keine professionellen Modelle sind und die nicht der
Norm entsprechen. Er fotografiert einfach Menschen, bringt dabei aber
das Schöne in ihnen zum Vorschein und das finde ich wunderbar.
Ich wohne mit einer sehr guten Freundin zusammen, die alle meine Bilder
begutachtet. Von den Bildern für »Model Years« war sie begeistert.
Sie bringen nicht nur die körperliche Schönheit der Modelle zum
Ausdruck, sondern sie haben auch menschliche Ausstrahlung und sind
nicht gekünstelt. Ich glaube, Thomas Karsten sieht in den Modellen die
Menschen. Das macht Kunst aus. Man fühlt sich bei ihm wohl und entspannt,
das ist ganz wichtig. Wenn man unentspannt ist, kann man keine
Fotos machen, das bringt nichts.
Was ich erotisch finde, ist vor allem die Ausstrahlung einer Person.
Ausstrahlung ist das A und O. Ein Lächeln, ein Blick können ungemein
erotisch sein. Ich bin eine Romantikerin. Versteckte Erotik, Blumen,
Spaziergänge am Meer, das mag ich. Mit einem geliebten Menschen
allein sein ist immer erotisch. Aber jeder Mensch ist vielfältig und hat
verschiedene Seiten. Ich bin auch ein wenig exhibitionistisch. Es macht
mir Spaß, meinen Körper zu zeigen.

Interview: Linn Schumacher


: Lia May

I’m 27 and have been working as a model for seven years. That makes
me a bit of an exception compared to the others in this book. I can’t
say that modelling has always been my dream, it just happened. I feel
very comfortable in front of the camera. It’s always been fun for me
and I feel completely at ease.
I discovered Thomas Karsten’s photographs before »Model Years«, and
it was the originality of his pictures that fascinated me straight away.
I’ve always wanted to work with him and be photographed by him, so
I contacted him over the Internet.
The photo shoot took five hours in all. It wasn’t at all exhausting. I had
a lot of fun. Thomas picked me up at the airport in the morning and
drove me to the studio. We clicked immediately, the atmosphere was
very casual and we were at ease. We tried out a few things, different
props, costumes, themes and backgrounds that fit together. But we
also took a lot of breaks and talked or ate something together.
Thomas Karsten cares about his models. He develops a relationship to
them before the shoot and is very attentive. I think that’s what’s important.
If you want to photograph the person to express what’s behind
the persona, it’s essential to get to know them first. It was a great day;
it went without a hitch and without a lot of words.
The pictures in »Model Years« are wonderfully unselfconscious, which
sets them apart from the artificiality of glossy magazines.
Of course looking good is important. The first thing you notice in a person
is always what’s on the surface. It’s important to look well groomed,
have nice clothes and good manners – all these are essential. But it’s
not just what’s outside that counts, it’s all of these things put together.
You could meet someone that looks fabulous and then be bored to
death ten minutes later. But still, first impressions are extremely important,
like a job interview for instance. Some professions depend on
how good you look.
I have a lot of respect for Thomas Karsten’s art because he includes
women who aren’t professional models or who don’t exactly represent
the typical woman. He brings out the beautiful in the ordinary people
he photographs. I think that’s pretty wonderful.
I live with a very good friend who thoroughly scrutinizes all of my photographs.
She was particularly excited about my »Model Years« pictures.
They not only bring out the physical beauty of the subject but they
reveal the human aspect. And they don’t seem fake. I believe Thomas
Karsten sees the person behind the facade. That’s the difference
between art and artificial. He makes you feel at ease and relaxed.
This is important, because if you aren’t relaxed then you can’t make
good photos at all.
I think what makes a person erotic is their aura or charisma. Charisma
is the be all and end all. That certain smile or look can be extremely
erotic. I happen to be a romantic. Veiled eroticism, flowers, a walk on
the beach – I like that. Being alone with a person you love is always
erotic. But then every person is multi-faceted – their personalities
have many sides. I am also a bit of the exhibitionist. I like showing my
body in public.

Interview: Linn Schumacher


Interviews 

: Na klar, ich hab keine Topfigur. Es müssen ja auch nicht alle gleich aussehen.
: Of course I don’t have the best figure. There’s no reason for us all to look the same.

: Ein gutes Bild ist ein Blickfang. Der Blick verfängt, das ist meine körperliche Qualität und Attraktivität. Jetzt bin ich jung und da macht mir die Nacktheit nichts aus, denn ich mag meinen Körper wie er ist. Mit 50 stelle ich mich nur nackt vor die Kamera, wenn ich körperlich noch genauso attraktiv und verführerisch bin wie heute – also
wahrscheinlich nicht. Schönheit ist nämlich das Kriterium für Attraktivität. 
: A good photo catches the eye. The gaze is caught; that’s my physical quality and attraction.
I’m young right now and my nakedness doesn’t bother me because I like my body the way it is. But at 50 I’d only let myself be photographed if my body is as attractive and
seductive as it is today – so I guess I won’t. Beauty is the main criterion for attractiveness.

: Für mich war das Fotoshooting eine Premiere. Es ist eine Momentaufnahme in meiner Biografie, und sie wird haften bleiben. Die Fotografien von Thomas sind eine künstlerische Arbeit und die kann nur in einer angenehmen Atmosphäre gedeihen. Er macht nicht nur schöne Fotos, er holt auch etwas aus den Menschen heraus, was
sie sonst nicht über sich erfahren. 
For me the photo shoot was a premiere. It is a snapshot in my own biography that I will not soon forget. Thomas’ photographs are art and they can only thrive in an agreeable atmosphere. He not only takes beautiful photos, but he brings a part of the person into the open that they otherwise would not have
experienced about themselves.

: Klar rufe ich als Frau mit Glatze und Piercings Widerstand hervor. Ich fühle mich nicht unwohl, wenn ich auffalle. Das ist ein Teil von mir. In Berlin macht mich niemand an, in München fühle ich mich wie ein Alien und in Augsburg wurde ich als Nazi beschimpft. Es gibt eben kulturelle Unterschiede in der Wahrnehmung.
Der Exhibitionismus ist etwas, was ich über die Fotografie ausleben kann, denn da kann ich mitgestalten und kreativ sein. Es ist eine Plattform, mich selbst zu entdecken. Ich spiele nichts vor, sondern möchte zu meinen Grenzen vordringen, mich selbst erfahren. Insofern ist eine solche intime Bildarbeit auch ein Heilungsprozess, eine Narbenarbeit. Sie löst meine Barrieren, meine Hemmungen. Ein stimmiges Bild ist sozusagen ein Glücksmoment … oder anders gesagt, ein therapeutischer Erfolg. 
: Sure, being a woman with piercings and a shaved head people react with rejection. I do not feel uncomfortable that I attract attention. It’s a part of what I am. In Berlin nobody notices me, in Munich I feel like an alien, and in Augsburg people call me a Nazi. This just shows the differences in cultural perception. Exhibitionism is something that I can use to express myself through the photographs, because I can be creative and help in their design. It is a platform I can use to discover myself. I am not acting – but want to go to test my own limits, to discover my inner self. In this way this type of intimate photography is a healing process, working on the scars in my life. It frees my barriers, my inhibitions. An eloquent photo is a stroke of luck … or in other words, a therapeutic success.


: Nacktbilder zu machen, macht mir nichts aus, denn ich war als Kind schon am FKK-Strand. Dank dieser Erfahrung mit meinen Eltern bin ich unverklemmt. Ich denke, dass man mit 20 nach dem eigenen Ausdruck sucht und zu sich selber findet. Es ist ja die so genannte Sturm-und-Drang-Zeit, wo sich der Mensch in verschiedenen Lebenslagen beweisen muss und daran reift. Auch Aktfotos gehören dazu. Ein Blick von außen ist manchmal ganz gut. 
: I don’t mind allowing myself to be photographed naked, after all I went to nude beaches when I was still a kid. I am uninhibited because of having done this back then with my paren.

2006 · She

240 Seiten
220 Abbildungen
Format 18,5×24,5 cm,
200g schweres Kunstdruckpapier,
schwarz/weiss (Triplex + Sonderfarbe + Lack)
Hardcover + amerikanischer Umschlag
Fotobuch mit Texten von Claudia Gehrke
Texte: Deutsch und Englisch
Preis: 39,90 Euro
ISBN: 978-3-88769-345-9
Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke, 2006

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Der Verlag über das Buch

Die Bilder von Sarah und ihren Freundinnen reißen die Betrachter mitten hinein in eine zauberhafte, mal fröhliche, mal ernste, mal fast beendete und dann neu auffl ammende Liebesgeschichte. Kann man jemanden mit einer Kamera lieben? Man kann. Die hier wie in einem Album edel gedruckten Arbeiten geben die Nähe, die Vertrautheit und das Prickeln zwischen dem Fotografen und seinem Model Sarah wieder.
Und sie zeigen Sarahs Vergnügen, sich zu zeigen, auch ihre Scheu, ihren Ernst, ihre Ausgelassenheit, ihre Lust, ihren Sex. Und ihre intensive Beziehung zu ihren Freundinnen.
Und doch sehen wir hier keine „Privatfotos“. Der Betrachter sieht nicht irgendwelchen Liebeszenen eines ihm unbekannten Liebespaares zu. Er kann selber lieben. Er sieht „she“ und in jedem Bild Augenblicke, die immer auch eine allgemeine Geschichte von „Liebe“ erzählen. Die Bilder berühren. Erzeugen Wärme, machen Spaß, erregen manchmal und bewegen sich zugleich weg vom Realen ins Imaginäre, in einen Traum, in ein großes Gefühl, das real und zugleich irreal ist. Sie berühren Grenzen. Die Liebenden als Künstler. 


The pictures of Sarah and her friends carry the observer away into the middle of a magical, sometimes cheerful, sometimes serious, almost ending and then anew ablazing love story. Can you love someone with a camera? You can. These, like in an album, preciously printed works convey the closeness, the intimacy and the electric atmosphere between the two, the photographer and his model Sarah.
And they show Sarah‘s pleasure in presenting herself, also her shyness, her seriousness, her liveliness, her desire, her sex. And her close relationship to her friends. But still we don‘t see “private photos“. The observer isn‘t watching some love scenes with unknown lovers.
He himself can love.
He sees “she” and in each picture there are moments which always also tell a universal story of love.
The pictures affect, emit warmth, are fun, arouse sometimes and at the same time move away from reality into the imaginary, into a dream, into a big sensation which is real and unreal at the same time. They touch borders. The lovers as artists. 

Thomas Karsten
SHE


Es ist nur ein kleines Stück 
der großen Wahrheit, 
die wir nicht kennen.



Interview mit Thomas _

>> Hattest du schon große Lieben in deinem Leben?
_ Du fängst ja gleich an!!!??
… (Schweigen.) Das ist eine schwierige Frage.

Dann reden wir gleich über deine aktuelle Liebe: kannst du dich an den ersten Moment erinnern, was hast du gedacht, empfunden, als du sie das erste Mal sahst?
_ Bewusst im Kopf habe ich den Moment, in dem wir fotografiert haben. Ich habe sie vom Flughafen abgeholt. Dann waren wir hier. Es war total schlechtes Wetter. Es gab große Pfützen im Hof. Es war Nachmittag und das Licht ging schon weg. Ich sagte spontan, dass ich sie gerne da draußen fotografieren würde, und habe sie dann in eine große Pfütze gelegt. Das war die erste Aktion, völlig unvorbereitet und ziemlich hektisch. 
Dabei hatte ich vorher nur zweimal mit ihr telefoniert und kannte nur wenige Fotos von ihr.

>> Wie kam es dazu, dass sie dein Modell wurde?
_ Damals hatte ich eine Ausstellung in Köln. Ich hatte den Galeristen gebeten, wenn interessierte junge Frauen vorbeikämen, denen meine Ausstellung gefällt, solle er sie fragen, ob sie nicht Lust hätten, sich von mir für ein Jugendmagazin fotografieren zu lassen. – Als die Ausstellung zu Ende war, hatte er drei Telefonnummern notiert. Er empfahl mir besonders eine davon, weil diese Frau ihm so nett erschien. Ich rief sie an, telefonierte eine Stunde und fragte sie schließlich, ob sie mal vorbeikommen wolle, – „na ja, für diese Geschichte bin ich, glaube ich, zu alt“, sagte sie. Und dann erzählte sie mir, dass sie Ende dreißig sei, sie habe aber eine Tochter … Das war Sarah. Zehn Minuten später rief sie mich an. 
Ein halbes Jahr versuchte ich vergeblich, einen Termin mit beiden hinzukriegen. Denn meine erste Idee war, Mutter und Tochter zusammen zu fotografieren.

Immer wieder telefonierte ich mit Sarah wegen der Termine, gab dann aber die Idee „Mutter und Tochter“ erstmal auf. Soll eben die Tochter alleine kommen …
So kam sie also diesen besagten Freitagnachmittag – diese erste Aktion als solche war gut. Brachte uns einander nahe. Dann sind wir Essen gegangen und haben im Studio weitere Fotos gemacht. Wir redeten viel und tranken sehr viel. 
Am nächsten Tag war es schrecklich, morgens um acht standen Assistenten und Visagisten mit einigen Models in der Wohnung. Ich hatte keine Zeit mehr für Sarah. Es war ganz komisch, wir konnten überhaupt nicht mehr persönlich reden. 
Die anderen sollten auch nicht wissen, dass wir miteinander im Bett gelandet waren. 
Mein Assistent hat sie zum Flughafen gebracht. Ich hatte nicht einmal dafür Zeit. Und dann haben wir telefoniert. Jeden Tag. Stundenlang.

>> Und der erste Moment … Wie ging es über vom Fotografieren, vom Reden, zum Bett? Wie war die erste Berührung? Du gehst ja sonst nie mit deinen Modellen ins Bett, bzw. das passiert doch äußerst selten? 
_ Die Schwierigkeit am Anfang war, dass gerade meine Liebesgeschichte mit Stefanie zu Ende ging, eine Geschichte, die eigentlich nie angefangen hatte. Wir waren in der Produktion von „Days of Intimacy“, dem Buch mit Stefanie. Ich glaube, gerade eine Woche davor hatte ich Stefanie das letzte Mal gesehen. 
Ich bin eigentlich wirklich schüchtern und reagiere nur, wenn jemand mir sehr entgegenkommt. Und Sarah kam auf mich zu – ich war emotional noch woanders. Ich war nicht ganz bei der Sache. Ich wollte nicht mit ihr schlafen in der ersten Nacht. Das ergab sich auch nicht gleich nach den ersten Berührungen, sondern erst in den Morgenstunden. Sie kuschelte so lange, bis es passierte. Wir schliefen miteinander. Und erst im letzten Moment, bevor es klingelte und das Fototeam kam, sind wir aufgestanden. 
Dann, ja dann ist sie gegangen. Und dann haben wir permanent telefoniert …

>> Und weißt du noch wie es losging mit der Verliebtheit? Und der Liebe? Hat sich das Gefühl beim Sex entwickelt?
_ Wohl nicht beim ersten Sex, nein. Das Verliebtsein begann am Telefon, das war sehr schön. Wir telefonierten immer nachts. Später habe ich erfahren, dass sie dabei immer auf dem Flur saß. In der Wohnung wohnten ihr Vater, die Frau, mit der er zusammen war, deren Kinder und Sarah, und sie hatten nur ein einziges Telefon auf dem Flur.
Sie sagte irgendwann, sie wolle noch mal herkommen. So war sie noch einmal eine Woche hier. Das war kurz vor den großen Ferien. Sie hatte vor, mit ihren Eltern nach Italien zu fahren. 

Spontan sagte sie, ich solle doch auch dorthin kommen, und ich zögerlich: „Wie soll ich denn dahin kommen – da zu deinem Vater und so?“ Das kam mir komisch vor, auch wegen des Altersunterschieds. Aber ich fuhr wirklich dorthin.
Und dann war es so schön, wie sie sich so sehr gefreut hat. Ich hatte mich auf dem Weg total verfahren, und sie hat mich von einer Brücke abgeholt. Und da stand sie und hat sich total gefreut. Ich glaube, in diesem Moment ging es richtig los, 
mit der Liebe, mit meinen Gefühlen und dass wir auch davon sprechen konnten. Dass wir richtig zusammen sind, das war dieser Moment, da auf der Brücke …
Vorher war alles noch zu verwirrend, ein emotionales Riesendurcheinander, es war für mich mit Stefanie noch nicht richtig beendet, und Sarah hatte eigentlich auch einen Freund. Sie war diese eine Woche hier und hat mir von ihrem Freund erzählt, auch deshalb dachte ich nicht an eine Beziehung.
Ja, und dann wohnten wir in Italien zusammen in einem winzigen Zimmer, aber da wohnten auch der Vater, die Stiefmutter, die drei Söhne. Ich wollte zwei, drei Tage bleiben und bin dann immer länger geblieben. Am Ende waren es zehn Tage. Und es fiel mir schwer abzureisen, ich wollte nichts mehr, als bei ihr sein.
In Italien entschieden wir, dass Sarah bei mir ein Praktikum macht. In unserer Situation war uns beiden klar, es ging nicht um ein Praktikum allein. Es ging darum, dass wir uns aufeinander einließen. 
Einen Monat später begannen wir, dieses Studio hier umzubauen. Das war eine Zeit, in der Sarah und ich sehr viel zusammen machten, es war, wie wenn man gemeinsam ein Haus baut. 
Sarah hat in dieser Zeit begonnen, mein Archiv aufzubauen. Sie ist die erste Frau, die mein komplettes Bildarchiv kennt – es gab ein großes gegenseitiges Vertrauen. Sie katalogisierte alles und sah dabei alle meine Fotos, auch alle Privatfotos. „Du kannst alles wissen, es ist alles vor deiner Zeit.“ Aber manchmal dachte sie sich wohl alles Mögliche, als sie das eine oder andere Foto sah. Manchmal gab es Probleme, denn in den Bildern sind auch meine Liebesgeschichten erzählt. Sie archivierte Bilder aus einer sehr langen Zeit, es sind tausende von Bildern – eine unglaubliche Arbeit. Es war damals nicht alles gescannt, aber es gab von allen Bildern Kontaktbögen.
Zu Beginn unserer gemeinsamen Zeit entstand auch das Buch über Stefanie. Und Sarah fuhr überall mit hin, in die Druckerei, zum Designer. Da gab es ein Riesenproblem: alle hielten Sarah für Stefanie, wahrscheinlich weil beide blond sind. Das ging noch einige Jahre so weiter, so dass ich das Buch kaum mehr jemandem zeigen wollte. Jeder Fremde sagte, wenn Sarah daneben saß: „Ah, bist du das?“
Übrigens fragten das nur Männer, wirklich jeder Mann hat sie das gefragt, Frauen nie. Das war ihr, und mir natürlich auch, immer sehr unangenehm.

>> Kannst du einen konkreten Moment, eine kleine Geschichte aus dem Alltag erzählen, wo dich das Liebesgefühl besonders stark überkommen hat? 
_ Wir können sehr gut miteinander arbeiten. Wir haben die gleichen Empfindungen, wenn wir etwas ansehen. 
Sarah ist dabei sehr tolerant. Vielleicht, weil sie auch einen fotografischen Blick hat, sie hat mich immer unterstützt. Ich hatte kurz zuvor überhaupt das erste Mal mit einer Assistentin bei Aktshootings zusammengearbeitet. Schon da merkte ich, wie gut es ist, jemanden beim Fotografieren dabei zu haben. 
Und nun funktionierte erstmals die Zusammenarbeit in einer Beziehung, mit Sarah. Es lag früher nicht nur an meinen Freundinnen, auch ich wollte es nicht. Aber jetzt mit Sarah merkte ich, wie toll es war, als Team zu arbeiten und wie gut wir als Team ankamen. Nicht nur, dass es nicht gestört hat, dass sie dabei war, oder dass sie still im Hintergrund half, im Gegenteil, es war angenehm für die Fotografierten und befruchtend für die Fotos. Sicher bin ich durch ihren Blick beeinflusst. Sie macht mich auf Dinge aufmerksam, die ich vielleicht gar nicht wahrgenommen hätte. Es war wunderbar, zusammen zu fotografieren.

>> Erzähl noch ein bisschen von Eurer Zusammenarbeit. Hat sie danach auch die Bilder mit ausgewählt?
_ Ja, immer. Wir machten beide eine Vorauswahl – wir haben uns oft überschnitten, es war eine wirklich auf allen Ebenen fruchtbare Zusammenarbeit.
Auch die Bilder für dieses Buch haben wir gemeinsam ausgewählt, wir arbeiten auch jetzt wieder sehr gut zusammen. Es gibt zwar ein paar Bilder, die ich gerne im Buch gehabt hätte, die sie aber partout nicht wollte. Das hängt vielleicht auch mit dem Alter zusammen, sie sagt, ihr Blick oder das oder jenes sei nicht richtig, Minidinge, in denen sie sich nicht gefällt, die ich nicht sehe. Sie sagt, wenn dieses eine Bild dann drin wäre, würde sie beim ganzen Buch immer nur an das eine Bild denken, das sie nie gewollt habe. Aber bei den meisten Bildern sind wir uns einig. – Vielleicht will sie in Zukunft nicht mehr so oft vor der Kamera stehen, sondern lieber selber fotografieren. 
Mit unserer Liebe ist es momentan schwierig. Wir kriegen es im Moment auch nicht hin, miteinander zu fotografieren. Sie will es zwar und spricht auch davon und dann machen wir es nicht. Zwischen Wollen und Machen ist ein Unterschied. Die Stimmung ist weg. Mir kommt es im Moment fast vor wie damals mit Stefanie. Wir haben uns das letzte Mal gesehen, als wir das Interview für das Buch machten. Dann habe ich Stefanie drei Jahre lang nicht mehr gesehen …

>> Aber es ist doch ganz anders als mit Stefanie, Stefanie wollte nie eine Beziehung, ihr hattet eine kurze intensive Zeit zusammen, die dem Fotografieren diente. Und es gibt 
ein wunderbares Buch über diese kurze Zeit. Mit Sarah lebst du mehr als drei Jahre zusammen, ihr habt euch lange geliebt, beidseitig. Das ist eine andere Geschichte, ein anderes Buch. Oder willst du die Gefahr ausdrücken, dass durch die Dokumentation der Liebe in einem Buch diese Liebesgeschichte beendet werden kann? Solltet ihr dann nicht doch lieber noch warten mit dem Buch? 
_ Im Moment ist es nahe dran, dass es zu Ende geht. 
Ich war die ganze Zeit so sehr glücklich, weil ich gemerkt habe, dass sie sich hier wirklich wohl fühlt und dass wir einen gemeinsamen Geschmack haben, auch in alltäglichen Dingen. Es ist schwierig zusammenzuleben. Du kannst nicht mit jedem zusammen wohnen. Wir waren so nah, ich war wirklich so glücklich, dass wir alles zusammen gemacht haben. Man kann es nicht erklären, dass ich mit den anderen Lieben meinen eigenen Bereich brauchte und in dieser Liebe zu Sarah nicht. Bei Sarah aber hatte ich nie das Gefühl, dass ich bei irgendwas unbedingt allein sein wollte. 

>> Sarah wirkt auf mich präsent, ohne dominant zu sein, sie beobachtet aufmerksam, man hatte, wenn ihr zusammen irgendwo wart, nie das Gefühl, dass sie irgendwas behindert, oder dass ihr nur noch Paar seid und alle anderen ausschließt, was man oft bei gemeinsam auftretenden Paaren empfindet, nein, ihr wart zusammen offen für andere, und nicht ineinander abgeschlossen, wunderbar.
_ Ja, ich war wirklich auch total glücklich, es hat alles so gut funktioniert, so was ist mir noch nie passiert. Die ersten zwei Jahre haben wir uns nicht ein einziges Mal gestritten. Sie hat sich eingebracht, ihr hat alles Spaß gemacht, ich hatte das Gefühl, dass wir völlig auf einer Seite waren, dass wir etwas zusammen aufbauen. 
Ich hatte zwar von Anfang an Probleme mit dem Alters-unterschied, mir war unwohl dabei, denn ich habe sie mir nicht ausgesucht, weil sie so jung ist. Sondern weil es einfach passiert ist.

>> Vielleicht ist der Altersunterschied von ihr aus zu spüren, dass sie in Diskos gehen möchte … endlos mit Freundinnen reden etc.?
_ Am Anfang hat vor allem mir der Altersunterschied Angst gemacht, weil ich dachte, es kann nicht funktionieren. 
Als ich damals nach Italien kam, traf ich das erste Mal ihren Vater, was mir sehr komisch vorkam: einen Vater zu treffen, der fast meine Generation ist, na, er ist schon noch älter als ich, und lebt auch mit einer jüngeren Frau zusammen. Er sagte, und das half mir wirklich, mir das bewusst zu machen, ich solle mir da mal keinen Kopf machen, eine Beziehung könne auch unter Gleichaltrigen nicht funktionieren. Viele Beziehungen, egal in welcher Alterskombination, halten nicht länger als fünf Jahre.

>> Noch mal die Bitte: erzähl einen Moment aus dieser glücklichen Zeit konkret. Kann was ganz Banales, Alltägliches sein, eine Sekunde, in der du deine Liebe deutlich gespürt hast, sie dich sozusagen „überflutet“ hat? 
_ Ich bin morgens aufgewacht, da hat sie mich angelacht. 
Sie war immer so positiv. 
Ein wunderbarer Ausgleich zu mir, denn immer wenn ich pessimistisch war, hat sie mich aufrichten können. Diese Grundstimmung, dass ich mich bei allem total wohl gefühlt 
habe mit ihr. 

>> Und wie war der Sex, hat er sich verändert in der Zeit?
_ Klar, das ändert sich immer. Aber seit einem Jahr ist es leider totales Chaos. Sie sieht es anders, für mich gibt es keinen Sex mehr. Sie fuhr immer öfter nach Köln, interessierte sich immer mehr für ihre Freundinnen in Köln. So begannen die Schwierigkeiten, ich fühlte mich zurückgesetzt. Am Anfang war es wie in jeder jungen Liebe. Wir gingen jeden Tag miteinander ins Bett, das wurde etwas weniger, das ist ja normal. Aber in den schönen Jahren waren wir auch beim Sex sehr glücklich. Doch dann wurde es immer weniger und immer weniger, dann war die Stimmung zwischen uns ungut, und dann hat man auch keine Lust mehr auf Sex. Und jetzt gibt es gar keinen Sex mehr. Ich will aber keine Beziehung ganz ohne Sex. 

>> Manchmal verlagern ja beide die Beziehung auf eine 
andere Ebene …
_ Das will ich aber nicht.
Soll ich zwei Jahre warten, bis wieder irgendwas Gemeinsames passiert? So geht es, glaube ich, nicht, denn irgendwann sind die Gefühle weg. Vor ein paar Monaten haben wir uns einmal getrennt und versuchen es jetzt noch einmal miteinander. 

>> Wie war der Abschied, was war es für ein Gefühl, als ihr entschieden hattet, euch mal zu trennen?
_ Es war ein spontaner Entschluss, nachdem wir uns mal wieder total gestritten hatten. Köln, Köln, Köln, ich habe nur noch Köln gehört. Früher ist sie alle zwei Monate für ein paar Tage nach Köln gefahren. 
Doch dann steigerte es sich, erst wurden es sechs Tage, dann acht Tage und zum Schluss waren es zehn Tage alle paar Wochen. Und immer dann, wenn ich einen Job hatte, war sie in Köln. Sie hat auch nie mehr wegen einer gemeinsamen Fotoarbeit Köln verschoben. 

>> Hast du denn das Gefühl, du liebst sie noch?
_ Zur Zeit ist es so, sie kommt immer nachts und möchte kuscheln, aber sie möchte keinen Sex. Sie möchte mir nah sein, möchte, dass ich ins Bett komme, wenn sie ins Bett geht. Nur wenn wir uns sehr streiten, schlafen wir getrennt. Und dann überlege ich, es macht keinen Sinn mehr. So wie es jetzt ist, will ich es nicht. Wenn ich dann in der Früh aufstehe, und sie kommt mir entgegen und nimmt mich in den Arm, dann spüre ich, es ist noch nicht zu Ende. Ich liebe sie wirklich noch. Bloß weiß ich nicht, wie wir aus der Situation herauskommen sollen.

>> Für das letzte Buch „Nude Photographs“, das ja dann wohl in eurer schwierigen Zeit entstanden ist, habt ihr da noch zusammen ausgewählt?
_ Ja. Und es gibt eine Grundtendenz, die stimmig ist, ja, die gibt es immer noch.

Ich würde mir wünschen, dass ihr jetzt für dieses Buch noch mal Fotos miteinander macht!
_ Das hat in der letzten Zeit nie geklappt. Auch während unseres Urlaubs nicht. Wir waren auf einer schönen Insel, fast wie im Paradies, es war warm und es gab wunderbare Farben. Dort sagten wir uns, wir müssen ja nicht jeden Tag, wir können ja jeden zweiten Tag Fotos machen. Das war ihr Vorschlag, aber es war nicht möglich. Vielleicht haben wir jeden siebten Tag mal Bilder gemacht. Aber das dann nur in einer total miesen Stimmung. 

Ein paar Monate später …

>> Nun ist es also doch noch zu weiteren Fotos gekommen, wie war die gemeinsame Arbeit, das Fotografieren?
_ Es war kein ausgemachter Fototermin mit Sarah. Ich hatte einen Termin mit Bianca, dem zweiten Mädchen auf den Bildern, gemacht, und Sarah wollte sie auch gerne fotografieren, und dann kam Bianca an und sagte, sie würde gerne Fotos machen, auf denen beide drauf sind, also Sarah und sie. So kam es also auf Umwegen auch zu unserem Fototermin. Das war hilfreich, in unserer momentanen Situation der Festgefahrenheit, dass das Mädchen gefragt hatte und nicht ich. 

So kam der Wunsch, fotografiert zu werden, dann auch von Sarah …
Es war natürlich ein Wagnis, die beiden kannten sich überhaupt nicht. Sarah hatte nur die Fotos gesehen, die ich vorher von ihr gemacht hatte. Und dann hat sie spontan zugesagt. 
Wir trafen uns, zuerst fotografierte Sarah sie, dann ich. Mich hat es sehr gefreut, dass Sarah Spaß daran hatte, und dass sie Bianca fotografieren wollte. 
Unterschwellig kam es dann sogar zu Konkurrenz zwischen uns, also zwischen Sarah und mir. Sarah fotografierte zuerst. 

>> Ihr habt also inzwischen Momente, in denen ihr euch als Profis in Konkurrenz fühlt?
_ Das war neu an dieser Situation. Bisher hatte Sarah vor allem Portraits gemacht. 

>> Sieht man dann in den Bildern den Unterschied, ist ihr Blick anders als deiner? Dein Blick gilt ja als sehr „weiblich“? Vielleicht ist Sarahs Blick „männlicher“ als deiner?
_ Nein, so lassen sich die Unterschiede sicher nicht beschreiben, Sarah hat viel gesehen bei mir in den letzten Jahren, aber ich glaube der Unterschied ist: ihr Blick ist „modischer“. Sie sieht, was im Moment modern ist. Aber ich finde, das kann sie nur selber erklären.

>> Wie war es zwischen Euch in den Momenten des Fotografierens? 
_ Das war entspannt, der Tag war wirklich schön. Sarah geht nie frei in ein Shooting, sie hat immer etwas im Kopf, was sie umsetzen will. Sie lässt sich nicht treiben. Das bedaure ich manchmal ein bisschen. Diesmal wusste sie auch nichts über die andere Frau. Da gab es Berührungsängste, Situationen, dass die eine nicht weiß, wie weit darf sie gehen mit der anderen. Bei einem ersten Mal vor der Kamera ist die Zeit zu kurz, das wirklich auszuprobieren …Auf den meisten Fotos im Buch, auf denen Sarah mit anderen Frauen zu sehen ist, sind es ihre langjährigen guten Freundinnen. Eine kennt sie schon seit Kindertagen. 

>> So sind also ihre Freundinnen, die ja auch ein wenig Konkurrenz für dich in ihrer Lebenssituation waren, wegen denen sie doch so oft nach Köln fuhr, mit im Buch?
_ Ja, und das war eigentlich immer sehr interessant, sie mit ihren Freundinnen zu fotografieren. Auch in diesem letzten Fotoshooting vor ein paar Tagen, mit der noch unbekannten Frau, hatte Sarah Lust, sich fotografieren zu lassen.
>> Wie ist es zwischen Euch jetzt?
_ Als sie das letzte Mal in Köln war, wollte ich eigentlich sagen, sie solle dort bleiben. Ich will nicht, dass sie zurückkommt, weil ich die Beziehung so unverbindlich, wie sie im Moment ist, nicht mehr will. Entweder sie steht dazu oder nicht. Sie sagte, sie wolle unbedingt zurückkommen, wolle mit mir reden, sähe ein, 
dass es so unklar nicht ginge. 

>> Bist du denn noch ein wenig verliebt in sie? Oder geht es im Moment nur um die Frage, ob ihr eure Beziehung weiterführt?
_ Ja, ich bin schon noch verliebt. 
Aber ich weiß nicht, ob man Gefühle zurückholen kann. Wenn man sich nicht mal mehr richtig küssen kann, nicht mehr richtig herumknutschen, ob man das wieder finden kann ?



_ Interview mit Sarah _

>> Hast du in deinem Leben schon mal etwas erlebt, was du als „große Liebe“ bezeichnen würdest?
_ Ja. Dieses Gefühl, zusammenzugehören, sich der anderen Person ganz öffnen zu können …

>> Erinnerst du dich an deine erste große Liebe?
_ Ja.

>> War sie erfüllt oder eher unerfüllt?
_ Am Anfang war sie sehr erfüllt – ein ganz tolles Gefühl, später wurde es dann eher unerfüllt.
Klar habe ich auch schon für jemanden geschwärmt und es ist dann zu nichts gekommen, aber das ist eher ein quälendes Gefühl und nicht Liebe.

>> Erinnerst du dich auch an deinen ersten guten Sex?
_ Ja, der war auch mit meiner ersten großen Liebe.

>> Und haben sich die Liebesgefühle beim Sex entwickelt, oder hat das nichts miteinander zu tun?
_ Doch, es hat miteinander zu tun gehabt. Durch den Sex entwickeln sich bei mir Gefühle für jemanden. Und diese große Liebe hat sich durch den Sex entwickelt.

>> Hattest du schon mehrere Lieben, die du als „groß“ 
bezeichnen würdest, oder war das die Einzige?
_ Ich hatte zwei, meine erste und die zu Thomas.

>> Du bist jetzt also aktuell in einer großen Liebe?
_ Ja, genau.

>> Kannst du noch den ersten Moment erinnern, als du ihn gesehen hast? Und den ersten Moment, in dem du das Gefühl hattest, da passiert was?
_ Bei Thomas?

>> Ja, aber wenn du es erzählen willst, gerne auch von dem Ersten.
_ Aus dem Sexuellen kommt es, also erst war Sex, dann kommt es, dass der Bauch kribbelt, dass ich ständig an denjenigen denken muss, das passiert nacheinander. Und relativ schnell. Wenn ich das Gefühl habe, das passt alles zusammen, dann verliebe ich mich, glaube ich, wirklich ziemlich schnell.

>> Und wie war die erste Begegnung mit Thomas, aus der sich dann eure Geschichte entwickelt hat?
_ Ich habe eine Ausstellung von ihm in Köln gesehen. Der Galerist 
sagte, dass Thomas Models sucht. Da dachte ich sofort, das würde ich gerne mal machen, weil mir die Bilder gut gefallen haben. Das ist eine Erfahrung, das probiere ich mal aus. Und so fuhr ich einige Zeit später nach München. Ich war erst nur ein Wochenende, eigentlich nur einen Tag hier, und dann hat es ziemlich schnell gefunkt, irgendwie. Ich bin wieder zurückgefahren und dann haben wir gemerkt, dass wir ständig aneinander denken müssen und dass ich unbedingt wiederkommen muss. 

>> Weil du doch sagtest, deine Gefühle entwickeln sich beim Sexuellen – ist es an diesem ersten Tag nur zum Fotografieren gekommen? Wie hat es gefunkt?
_ Da ist schon mehr passiert.

>> Also gleich beim ersten Mal … Akte zu fotografieren ist vielleicht immer erotisch aufgeladen, aber es kommt dennoch meist nicht zum Sex, oder …
_ Nein, natürlich nicht. 

>> Wie hat sich das entwickelt?
_ Wenn ich jemanden sehe, der mir gefällt – und das weiß ich eigentlich ziemlich schnell –, dann sprühe, dann strahle ich das auch nach außen.
Am Anfang war es Anziehungskraft. Und man ist sich immer unsicher – wie ist das denn bei dem anderen –, aber ich mache mir da nie so viele Gedanken. Es kommt so, wie es kommt.
Ich weiß nicht, was ich gedacht habe, aber was ich so ungefähr gefühlt habe, das weiß ich noch. Ich war sehr scheu, was ich immer bin, wenn ich jemanden kennenlerne. Doch da Thomas so eine ruhige Person ist, fiel es mir leicht, mich wirklich schnell zu öffnen. Wir haben gleich begonnen, Fotos zu machen. Er hat auch nicht gedrängelt, sondern ich glaube, dass der Beginn dessen, was dann weiter ging, eher von mir aus kam.
Ich beobachte auch Reaktionen mir gegenüber. Man spürt, wie das, was man selber ausstrahlt zurückstrahlt.
Wir haben nach diesem ersten Tag sehr viel telefoniert, uns intensiv unterhalten, und dann bin ich noch mal zu ihm gefahren. Danach haben wir begonnen, Fotografieren und Privates zu verbinden.

>> War es beidseitig von Anfang an?
_ Das war klar, dass es von beiden kommt. Aber es war etwas schwierig, weil ich noch in einer Beziehung steckte.

>> Ist sie durch Thomas beendet worden?
_ Die war schon vorher zu Ende, aber ich habe es nie geschafft, mich richtig zu lösen. Thomas war der Auslöser, dass ich es geschafft habe.

>> Ihr habt also gleichzeitig den Schritt aufeinander zu gemacht. Was war das erste Berühren?
_ Davon gibt es sogar ein Foto, es ist das erste Foto im Buch. Irgendwie lag ich auf dem Boden und er hat mich von oben fotografiert, und dann haben seine Füße meine Taille berührt, dann meine Hände seine Füße, und dann kam eins nach dem anderen. Die erste Berührung war beim Fotografieren.
Ein klein bisschen unsicher war ich dann doch, ob ich es wirklich will, aber ich schalte dann meinen Verstand aus und frag mich nicht dauernd: will ich das überhaupt. Wenn ich dieses Gefühl habe, wenn ich spüre, dass ich den anderen so aufregend finde, und wenn es eine intensive Stimmung ist, lasse ich es einfach fließen. 
Dann war die erste Nacht. Ich bin ein sehr sexueller Mensch.
Ich glaube, der Sex ging dann von mir aus. 
Dann war am ersten Tag ziemlich viel los hier. Thomas wollte, dass ich noch eine Tag bleibe, aber das wollte ich nicht, ich wollte zurück.

>> Was hast du die Tage danach gedacht?
_ Immer, wenn ich mit jemandem Neuen zusammen war, wollte ich danach erstmal allein sein und es Revue passieren lassen, es im Nachhinein noch mal genießen. 
Dann haben wir nach ein paar Tagen miteinander telefoniert und dann haben wir bald jeden Tag telefoniert und dann kam es, dass ich gedacht habe, ich möchte gerne noch mal dahin fahren. Und dann bin ich noch mal zu ihm gefahren.

>> Und dann?
_ Ich war in der Situation, entscheiden zu müssen, wie es beruflich weitergeht, wollte ein Fotopraktikum machen und Thomas sagte, ja, dann komm doch einfach zu mir und wir arbeiten zusammen und gucken, wie sich das dann entwickelt. Auch ich dachte, wenn man in getrennten Städten ist, funktioniert das mit der Liebe auf die Entfernung schwer. Es war wirklich der Entschluss: wir lassen uns aufeinander ein, und ich geh jetzt nach München. Weg aus Köln. Zu Thomas. Ich wollte das probieren.

>> Ihr seid also zusammengezogen?
_ Ja. Ich wollte immer schon etwas mit Fotografie machen, und so haben wir es verbunden. Und hatten so zugleich ein Liebes- und ein Arbeitsverhältnis, von Anfang an.

>> Das ist viel. Befruchtet ihr euch da gegenseitig oder entwickeltet ihr euch eher auseinander?
_ Wir befruchteten uns. Ja, wir beide lernen viel voneinander und gucken viel voneinander ab und finden Hilfe beieinander. Was bei 
uns besonders ist, wir konnten gut zusammenarbeiten, uns gut ergänzen und so wirklich viel gemeinsam machen … 

>> Seine Bilder von Frauen sind also mit deinem Blick mitgestaltet?
_ Ja, teilweise.

>> Kannst du eine Sekunde beschreiben, in der du dein Liebesgefühl spürst?
_ Das habe ich zuerst beim Sex, in dem Moment, in dem ich mit jemandem zusammen bin. Da kann es passieren, dass das Gefühl so intensiv ist, dass man augenblicklich weiß, jetzt ist es passiert, jetzt hat man sich verliebt.

>> Haben sich diese Gefühle bei dir also gleich bei jenem ersten Mal Sex mit Thomas entwickelt?
_ Ja. 

>> Was magst du besonders an ihm?
_ Er ist sehr sensibel, geht sehr auf mich ein.

>> Wie lange seid ihr jetzt zusammen?
_ Über drei Jahre jetzt.

>> Ist die Intensität deiner Gefühle noch dieselbe?
_ Ja und Nein. Da gibt es immer mal Zeiten, die schwierig sind, und Zeiten, die schön sind. Ich glaube, das ist ganz normal, wenn man alltägliche Sachen zusammen macht und so eng zusammen ist, 
wie wir es sind. 

>> Erzähl doch noch einen konkreten Moment, in dem du deine Liebe gespürt hast.
_ Es gibt so viele schöne Momente. Was mir besonders in Erinnerung ist: nachdem wir uns kennen gelernt hatten, war ich längere Zeit in Italien. Da hat er mich besucht. Da haben wir die erste längere Zeit miteinander verbracht. Das war schön. Entspannt, Urlaub, schönes Wetter, eng zusammen, das hat alles beflügelt. Ich war da mit meiner Familie, wie er dann später da ankam, das war so ein Moment.

>> Schlaft ihr in einem Bett, seid ihr immer so nah?
_ Ja, wir schlafen immer in einem Bett, außer wenn wir uns mal gestritten haben. Generell finde ich es schon wichtig, dass man sich, wenn man zusammen ist, nicht voneinander entfernt. 

>> Das heißt, du wachst morgens auf, und wenn er nicht da wäre, würdest du ihn vermissen.
_ Das ist phasenweise. Am Anfang wollten wir ständig zusammen sein, haben jede freie Minute miteinander verbracht. Da habe ich ihn immer vermisst, wenn ich mal ein paar Tage weg war. Dann gab es Phasen, in denen ich auch mal alleine sein wollte. Denn generell bin ich eigentlich eher ein Mensch, der auch mal alleine sein muss, der Freiraum braucht.
Ich bin im Moment hin- und hergerissen zwischen Thomas, dem Leben mit ihm hier und meiner Heimat, also Köln. Wenn ich in Köln bin, genieße ich es, alleine zu sein, meine Freiheit zu haben.

>> Ihr unternehmt zwar viel miteinander, seid dauernd unterwegs, aber wenn ihr hier seid, dann wohnt ihr in einem winzigen Dorf. Ist das ein Problem für dich? 
_ Ja. Doch, das ist ein großes Problem für mich … deswegen bin ich im Moment viel in Köln, ich versuche so zu kompensieren, dass ich, wenn ich wieder hierher komme, es dann auch wirklich kann, hier auf dem Land zu sein.

>> Freust du dich, wenn du von Köln zurückkommst, Thomas wiederzusehen?
_ Ja.

>> Wenn du selber was machst, freust du dich darauf, ihm das zu erzählen, oder sind es getrennte Welten?
_ Es sind eher getrennte Welten. Es ist etwas, was nur für mich ist, das ist schade, aber es war eigentlich doch von Anfang an so, dass nie alles zusammenzubringen war.

>> Hat das auch etwas mit eurem Altersunterschied zu tun? 
_ Klar, das ist schon unterschiedlich, das merke ich daran, dass ich jetzt mehr als am Anfang das Bedürfnis habe, nach Köln zu fahren und dort viel mit meinen Freunden zu unternehmen. Das, was wir da unternehmen, hat Thomas alles schon hinter sich. 

>> Zurück zur Liebe. Erinnerst du dich an ein besonderes sexuelles Erlebnis, oder besonders schönen Sex, einen schönen Orgasmus?
_ Es gibt Menschen, mit denen man besonders gut harmoniert, es ergänzt sich.

>> Das ist bei Thomas so?
_ Ja!

>> Weiß du inzwischen noch eine schöne Geschichte, einen besonders schönen Moment in der Arbeit, im Alltag …
_Aus der letzten Zeit ist es schwierig, eine solche Geschichte zu erzählen, denn wir haben uns oft gestritten.

>> Und woran entzünden sich Streitigkeiten?
_ Das Problem ist, dass ich seit einiger Zeit so hin- und hergerissen bin zwischen hier und Köln. Manchmal habe ich hier das Gefühl, ich kann nicht richtig da sein, dann werde ich absurd unruhig und denke, ich müsste jetzt sofort nach Köln fahren, meine Freundinnen treffen, was erleben. Das war immer ein Streitfaktor. Das ist und war sehr schwierig für Thomas.

>> Aber die Liebe ist noch da? Oder kannst du dir im Moment vorstellen, die eine Welt, die Thomaswelt, ganz aufzugeben?
_ J-ein. Wir hatten vor kurzem mal eine Trennungsphase, da war ich längere Zeit in Köln, sechs Wochen etwa, danach haben wir gesagt, wir probieren es noch mal.

>> Gab es einen glücklichen Moment mit ihm in der letzten Zeit?
_ Das war komischerweise der Moment, in dem ich gefahren bin. Da waren wir uns beide plötzlich so sehr nah und haben beide gedacht, wie schwer es uns fällt, als ich gegangen bin. Und ich habe wirklich gespürt, wie schwer es ist. Da habe ich meine Liebe gespürt, wir waren zärtlich zueinander. Haben danach telefoniert und Kontakt gehalten. Die Verbundenheit war da, sie löste sich nicht auf. Und die Liebe war besonders stark in dem Moment, als ich gefahren bin.

>> Diese Nähe und die Attraktion, die du anfangs beim Sex empfunden hast, bei dem sich ja deine Gefühle entwickelt haben, sind die noch da? Wenn es zu Sex kommt, was hast du da für ein Gefühl? Ist die Intensität noch da?
_ Das ist zwiespältig, weil wir beide im Moment nicht wissen, wie es jetzt weitergeht, und dadurch sind wir wohl beide ein bisschen blockiert. Früher haben wir uns nie Gedanken gemacht, wie es weitergeht. Wir haben zusammengelebt und es einfach nur genossen.

>> Und was unterscheidet Verliebtheit und Liebe?
_ Verliebtheit ist dieses Anfangsgefühl. Ich glaube, man spürt lange nur eine Verliebtheit, spürt, dass man den anderen sehr attraktiv findet, sehr mag. Das Gefühl der Liebe entwickelt sich daraus, ich glaube nicht, dass es ein Moment ist, in dem es überspringt von Verliebtheit zu Liebe. 
Ich glaube, das ist ein Prozess, der sich entwickelt bis dahin, dass man genau weiß, dass man zusammengehört, das ist Liebe. Und das empfinde ich für Thomas.

>> Hast du das Gefühl, dass du leiden würdest, wenn es Thomas schlecht ginge?
_ Ja. Ich glaube aber, das ist ein Gefühl unabhängig von Liebe. Mir ging es oft deswegen schlechter, weil ich wusste, dass er jetzt so leidet, als es mir schlecht ging, und ich immer nach Köln wollte.

>> Zurück zum Gemeinsamen. Wie ist es konkret, wenn ihr zusammenarbeitet, was machst du, wie geht das Zusammenarbeiten im Detail?
_ Ich betreue die Frauen, das hatte er vorher noch nie, weil er noch nie jemanden so nahe bei sich hatte beim Arbeiten. Ich habe einen großen Bezug zu den Frauen, die er fotografiert. Ich gestalte auch das Bild mit ihm zusammen. Wenn mir Kleinigkeiten auffallen, weise ich ihn darauf hin.

>> Und wenn ihr dann Bilder auswählt, unterscheidet sich eure Auswahl oder findet ihr die gleichen Bilder gut?
_ Meistens gefallen uns die gleichen Bilder.

>> Ihr entwickelt einen gemeinsamen Blick, kann man das 
so sagen?
_ Ja. Natürlich gibt es mal ein Bild, das ich besonders ausdrucksstark finde und auf dem Thomas Kleinigkeiten stören, also er bemerkt zum Beispiel, die Hand sei nicht optimal – dann versuche ich schon, ihn zu überreden, dass es im Ausdruck insgesamt ein so schönes Bild ist, dass man es trotz der nicht optimalen Hand in die Auswahl einbezieht. Es ist wirklich selten, dass wir da ganz voneinander abweichen, wir haben schon einen gemeinsamen Blick.
Natürlich gibt es bei Bildern, die Thomas von mir gemacht hat, mehr Differenzen, da gefallen ihm mehr Bilder als mir. Ich habe für das Buch eine grobe Auswahl gemacht, die ich ok finde, darunter gibt es einige, die mir besonders gut gefallen, andere, die Thomas besonders mag, und bei denen ich sage, ok, dann nehmen wir es halt deshalb. Ein paar Bilder, die Thomas gut fand, wollte ich gar nicht. Aber bei den meisten waren wir uns einig.

>> Welche Bilder von dir gefallen dir nicht? Warum? Oder welche gefallen dir besonders? 
_ Manchmal kann ich es auch schwer begründen, wenn Thomas fragt, warum gefällt dir dieses Bild von dir nicht. Ja, ich fühle mich da dann so fremd, das bin irgendwie nicht ich, mehr kann ich da meist nicht sagen.>
>> Also, Differenzen zwischen dir und Thomas bezogen auf Bilder gibt es wenn, dann vor allem bei Bildern mit dir? 
_ Ja, denn bei den anderen Bildern stimmen wir meist wirklich überein. Ich bin kritischer bei Bildern, auf denen ich selbst zu sehen bin, auch im Hinblick darauf, dass sich im Buch alle diese Bilder anschauen können. Wenn es nur ein, zwei Bilder von einer Frau im Buch gibt, dann ist es was anderes, da bin ich mir nicht so 
wichtig, es gibt so viele verschiedene Situationen und Frauen in dem Buch, aber in diesem Buch, nur mit Bildern von mir, da bin ich kritischer. 
Ich versuche auch, bei den Bildern der anderen Frauen darauf einzugehen, welche Bilder den Frauen gefallen, welche nicht. Ich finde wichtig, dass die Frau sich dabei wohl fühlt, wenn irgendwelche Bilder von ihr veröffentlicht werden, und nicht
denkt, o Gott, wie sehe ich jetzt da drauf aus.

>> Ist dir eigentlich sofort klar, ob du ein Bild gut findest 
oder nicht?
_ Ja, das weiß ich eigentlich immer gleich, ob bei mir oder anderen.
Manchmal ändere ich meine Meinung, zwar nicht extrem, dass ich ein Bild früher nicht leiden konnte und jetzt toll finde, aber doch so, dass ein Bild, was ich früher eher „so na ja“ empfand, heute wirklich gut finde. Das gibt es auch bei Bildern mit mir. Also auch der Blick auf mich verändert sich mit der Zeit.
Wir wollten eigentlich noch mal neue Fotos für unser Buch machen.

Ein paar Monate später …

>> Und jetzt habt ihr wirklich noch mal Fotos gemacht, zusammen mit einer dir ganz unbekannten Frau, wie war es?
_ Wir haben draußen fotografiert, weil ich das so gerne mag, es ist immer schön von der Stimmung her, man hört die Vögel, spürt den Wind. Es war schön. Wir kannten uns ja noch gar nicht und das finde ich schwierig. Die anderen Bilder mit anderen Frauen sind bis auf eine Serie mit guten Freundinnen von mir gemacht worden. Und auch bei der einen Serie hatte ich mit der Frau vorher einen ganzen und sehr intensiven Tag verbracht und erst dann fotografiert.

>> Kannst du sagen, welche der Bilder im Buch dir besonders gefallen, bzw. wo auch die Situation besonders schön war, in der sie entstanden sind.
_ Die Auswahl insgesamt mag ich nun sehr. Schön für mich fotografiert zu werden war es immer besonders an Orten, an denen wir noch nie waren. Auch hier in der Nähe, man muss nicht auf einer weiten Reise gewesen sein.

>> Man selber wird auch anders in anderen Umgebungen.
_ Genau.

>> Und wie ist dein Empfinden Thomas gegenüber?
_ Immer noch so wie bei unserem ersten Gespräch.

>> Das offene Ende bleibt uns erhalten?
_ Ja.

>> Es scheint ja bei vielen Paaren nach einigen Jahren eine schwierige Phase zu geben. Wie ist es bei dir mit der Lust auf Thomas. Du hast ja gesagt, du wärest ein sehr sexueller Mensch?
_ In schwierigen Phasen funktioniert das natürlich gar nicht. Dann ist so viel Emotion in mir oder ich mache mir über so viele Dinge Gedanken, dass ich mich nicht entspannen oder öffnen kann. Ich denke, wenn wir ein paar Tage ganz unbeschwert sind, dann kommt die Lust – aber das sind wir zur Zeit selten.

>> Zurück zum Bildermachen. Wie war es also mit der anderen Frau?
_ Thomas hat sich vollkommen rausgehalten, wir haben die Bilder komplett selbst inszeniert … Ich freue mich auf noch mehr schöne Bilder mit ihr, ich finde sie vom Typ her sehr spannend, freue mich darauf, noch mal Fotos mit Bianca zu machen.
Meine Freundinnen haben auch immer Spaß gehabt, mit mir von Thomas fotografiert zu werden. Sie sagen alle, „ich möchte noch mal so schöne Fotos mit dir haben!“

>> Und du? Möchtest du weiter so viele Fotos von dir machen lassen oder eher selber fotografieren?
_ Ich denke schon, dass ich immer auch von mir Fotos haben möchte. Weil ich schon jetzt eine Entwicklung bei mir sehe, die ich weiter beobachten möchte. Das finde ich sehr interessant, diese Entwicklung während der letzten paar Jahre nun in den Bildern beobachten zu können – und genauso spannend fänd ich es zu wissen: wie ist das zum Beispiel in zehn Jahren. Aber im Gegensatz zu früher hat die Lust, fotografiert zu werden, etwas nachgelassen, d.h. ich möchte nicht mehr so oft vor der Kamera sein. Ich fotografiere sehr gerne selber. Aber ich möchte schon regelmäßig weiterhin fotografiert werden, in Abständen über die Jahre hinweg. Ich fände es auch spannend, wenn ich mal schwanger sein sollte, Aktfotos von mir machen zu lassen, oder auch wenn ich dann älter bin.



Interview with Thomas _

>> Have you experienced true love in your life?
_ You´re getting right to the point!!!??
… (Silence.)That‘s a difficult question.

>> Well, then let‘s talk about your current love right away: do you remember the first moment, what did you think, feel, when you saw her for the first time?
_ I vividly see the moment when we started photographing together. I picked her up from the airport. Then we were here. The weather was really bad. There were big puddles in the courtyard. It was in the afternoon and the light was already disappearing. Out of the blue I said that I would like to photograph her outside and put her into a big puddle. That was the first event, totally unprepared and quite hectic.
Although I had only talked to her twice beforehand and knew only few pictures of her.

>> How did it come about that she became to be your model?
_ There was an exhibition of mine in Cologne back then. I had asked the gallery owner if he could ask the young interested women who liked my exhibition if they would like to be photographed by me for a youth magazine. – When the exhibition was over he had written down three numbers. He especially recommended one of them because this woman seemed so nice. I called her, we talked for an hour and finally I asked her if she would like to come by, – “well, I think I‘m too old for this kind of thing”, she said. And then she told me that she was almost forty but that she has a daughter … That was Sarah. Ten minutes later she called me. For half a year 
I tried to make an appointment with both of them in vain. Because my first idea was to photograph mother and daughter together. 

Again and again I talked to Sarah because of the appointments but then I gave up the idea “mother and daughter” for the time being. Well then, let the daughter simply come alone.
And so she came on that mentioned Friday afternoon – the first event as such was good. Brought us closer together. Then we went out to eat and took further pictures in the studio. We talked a lot and drank very much. On the next day it was awful, at eight in themorning assistants and make-up artists with several models stood in the flat. I didn‘t have any time for Sarah anymore. It was really weird, we no longer could talk about personal things.
Also the others weren‘t supposed to know that we had ended up in bed together. My assistant brought her to the airport. I didn‘t even have time to do that. And then we talked on the phone. Every day. For hours.

>> And the first moment … How did it change from photographing, into talking, into going to bed? How was the first time touching each other? You usually don‘t go to bed with your models, or that probably doesn‘t happen too often, does it?
_ The problem in the beginning was that my love story with Stefanie was just ending, a story that had never really started. We were in the middle of the production of “Days of Intimacy”, the book with Stefanie. I think just a week before I had seen Stefanie for the last time.
I‘m actually really shy and only react if somone approaches me. And Sarah approached me – emotionally I was still somewhere else. I wasn‘t with it.
I didn‘t want to sleep with her on that first night. It didn‘t happen right after we touched each other for the first time. But in the early morning hours, she cuddled up to me until it finally happend. We slept together. And only at the last moment before the doorbell rang and the photo team came did we finally get up. Then, yes then she left. And then we phoned permanently.

>> And do you remember how the being in love began? And the real love? Did the feeling develop by having sex?
_ Not with the first time, no. Being in love began on the phone, that was really nice. We always talked at night. Later I found out that she was always sitting in the hallway while we were speaking. Her dad, his girlfriend, who he was together with, her kids and Sarah lived in the appartment and they only had one single telephone in the hall.
Then some time later she said that she would like to come again. And so she came over for another week. That was right before the summer holidays. She was planning to go to Italy with her family. 

Spontaniously, she said that I should also come, and I answered hesitantly: “How am I supposed to get there to your dad‘s and so?” That seemed strange for me, 
also because of the age difference. But I actually drove there.
And then it was so nice how much it made her happy. On the trip I had lost my way and she picked me up from a bridge. And there she stood and was thrilled. 
I think that was the moment it truelly started, love, my feelings and us being able to talk about it. That we‘re truly together, that was the moment over there on that bridge …
Yes, and then we lived in Italy together in a tiny room, but also her father, stepmother and her three sons were living there, too. I wanted to stay for two, three days and then I stayed longer and longer. At the end it was ten days. And it was hard to leave, all I wanted was to be with her.
In Italy we decided that Sarah would do a practical with me. In our situation we both realized that it wasn‘t just about a practical. It was about getting involved with each other. We both wanted it and from then on we were pretty close.
A month later we started to renovate this studio here. That was a time in which Sarah and I did a lot together, it was as if you‘re building a house together. During this time Sarah started to build up my archives. She is the first woman who knows my complete picture archives – there was a immense mutual trust. She cataloguized everything and thereby saw all my pictures, also all my private photos. “You can know everything, this was all before your time.” But sometimes she thought all kinds of things when she saw the one or the other photo. Sometimes there were also problems because in the pictures my love stories are told. She archived pictures from a very long time, there are thousands of pictures – an unbelievable amount of work.
At the beginning of our time together the book about Stefanie came into being. And Sarah came along everywhere, to the printer‘s, to the designer. There we had a huge problem: everyone thought that Sarah was Stefanie, probably because both have blond hair. That continued for a few years so that I never wanted to show the book to anyone anymore. Every stranger said if Sarah was sitting next to them: “Oh, is that you?”
By the way only men asked her this, really only men but not one single woman. That was quite awkward for her and for me of course, too.

>> Can you tell us a concrete moment, a little story about your everyday life where a very intense feeling of love came over you?
_ We can work together very well. We have the same feelings when we look at something.
In the process Sarah is very tolerant. Maybe because she also has a photographic view on to things, she always supported me. I had started working with assistants at shootings with nudes only shortly before we had met. There I already noticed how helpful it is to have someone with you while photographing.
And then for the first time the working together worked out in a relationship, with Sarah. It wasn‘t only my girlfriends‘ fault, also I didn‘t want it. But now with Sarah I noticed how great it is to work as a team and how well we were accepted as a team. Not only did it not bother anyone that she was there too, or that she helped silently in the background, on the contrary it was pleasant for those being photographed and stimulating for the photos. Sure I‘m influenced by her point of view. She sees something and draws my attention to things I might have never noticed. It was great to have photo sessions together.

>> Tell us a bit more about working together. Afterwards did she also choose the photos with you?
_ Yes, always. We both did a preselection – we often coincided, working together was really very productive at every level. The pictures for this book we also chose together, and now we are also working very well together again. There are a few pictures I would have liked to have in the book but she didn‘t want at all. Perhaps it‘s because of her age, she says her glance or this or that isn‘t right, tiny things which don‘t appeal to her, which I don‘t see. She says if that one single picture would be part of the book, all she would do is think about that exactly picture she never wanted. But usually we have the same opinion about the pictures. Perhaps in the future she might not want to be in front of the camera so often but take photos herself.
But momentarily it is quite difficult with our love. And it‘s not working out that we photograph together. She wants to and talks about it but then we don‘t do it. There‘s a difference between wanting and actually doing. The atmosphere is gone. I have the feeling it‘s almost like it was with Stefanie. We saw each other for the last time when we gave the interview for the book. 
Then I didn‘t see Stefanie for three years…
>> But it‘s totally different now then it was with Stefanie, Stefanie never wanted a relationship, you had a short intense time together, which served the photographing. And now there exists a wonderful book about this short time. But with Sarah you‘ve been living together for over three years, you have loved each other for a long time. That‘s a different story, a different book. Or do you want to express the danger that because of the documentation of the love in a book this love story can be ended? Shouldn‘t you then wait with the book?
_ At the moment it‘s very close to ending.
The whole time I was so happy because I noticed that she really feels comfortable here and that we have the same taste, also in everyday things. It‘s difficult to live together. You can‘t live together with everyone. We were so close, I was really so happy that we did everything together. I can‘t explain why I needed my own space with my other lovers and in this love to Sarah I didn‘t. But with Sarah I never had the feeling that I wanted to be alone in certain situations.

>> Sarah seems to be very present, without being dominant, she observes closely, you never got the feeling when you were together somewhere that she held something back or that all you are is a couple and that you exclude everyone else, like it is with some couples which work together, no, together you were open for others and not closed up in each other, wonderful.
_ Yes, I was also really very happy, everything worked out so well, something like that had never happened to me before. The first two years we didn‘t argue once. She , she had fun doing everything, I had the feeling that we were completely on the same side, that we were building something up. I did have problems with the age difference right from the beginning, I felt uncomfortable about it because I didn‘t pick her because she is so young but because it just happened.

>> Maybe the age difference can be detected with her because she wants to go to discos, talk to her friends forever…?
_ At the beginning the age difference made especially me scared because I thought that just can‘t work.
Back then I went to Italy I met her father for the first time which was really weird: to meet a father who is
almost my generation, well he is quite a bit older than me and also lives together with a younger woman. He told me, and this really helped me realize, that I shouldn‘t worry about it because a relationship between two people of the same age doesn‘t necessarily have to work out and not working out is the worst that can happen. Many relationships, no matter what age constellation they have, only last five years also. 

>> I‘m asking you again: tell us about a concrete moment from this happy time together. It can be something really banal, normal, a second in which you clearly felt your love, where you were practically overflowed by it? 
_ I woke up in the morning and she smiled at me. She always was so positive. A wonderful balance for me because always when I was pessimistic she could build me up again. This prevailing mood, that I felt comfortable doing everything around her.  

>> And how was the sex? Did it change over time?
_ Of course, that always changes. But unfortunately for a year now it‘s been total chaos. She sees it differently, for me there isn‘t any sex anymore. She went to Colonge more often, was interested in her friends in Cologne more and more. That‘s how the problems started, I felt neglected. At the beginning it was like every young love, we slept together every day. It became to be a bit less which is normal. But in the happy years we were also very happy during sex. But then it got less and less, then the mood between us was not good and then you don‘t really feel like sleeping with each other. And now there isn‘t any sex at all anymore. But I don‘t want a relationship without any sex.

>> Sometimes the couple transfers the relationship onto a different level …
_ But I don´t want that.
Should I wait two years until we finally do something together again? I think that‘s not how it works because some day the feelings are gone. A few months ago we split up and now we are trying it once again.

>> How was the farewell, what was the feeling like when you had decided to split up for a while?
_ It was a spontanious decision after we had totally fought once again. Cologne, Cologne, all I heard was Cologne. She used to go to Cologne every two months for a few days. But then it increased, first it was six days, then eight and in the end it was ten days every few weeks. And she was always in Cologne when I had a job. And she never postponed Cologne anymore for a photoshoot we could work together on.

>> Do you have the feeling, you‘re still in love with her?
_ Presently, she always comes at night and wants to cuddle but she doesn‘t want sex. She likes to be close to me, wants me to come to bed when she goes to bed. Only when we fight a lot, we sleep seperately. And then I think it doesn‘t make sense anymore. The way it is now I don‘t want it. Then when i get up early and she comes up to me and hugs me, then I feel it‘s not over yet. I do still love her. But I don‘t know how we can manage to get out of this situation.

>> For your last book „Nude Photographs“ which was done in your difficult time, did you still do your selecting together?
_ Yes. And there is a basic tendancy which is perfect, yes, this still exists.

>> For this book I would want you to do photographs together!
_ That never works out lately. Not even during our holidays. We were on a beautiful island, almost like paradise, it was warm and there were wonderful colors. There we said we don‘t have to take photos everyday, but every second day. That was her suggestion, but it wasn‘t possible. Maybe we took some pictures every seventh day. But then only in a very bad mood.


A few months later…

>> Now it has actually come to further pictures, how was your work together and the photo taking?
_ It wasn‘t a set photo appointment with Sarah. I had made an appointment with Bianca, the second girl in the pictures and Sarah also wanted to take photos of her. When Bianca arrived she said she would like to take photos with both of them. Sarah and her. 
So our photo appointment happened by coincidence. It helped our present situation of being stuck that the girl had asked and not me. So it was Sarah who expressed to have her photos taken… 
This was risky of course because they didn‘t know each other at all. Sarah had only seen the photos I had taken of her before. And then she accepted spontaniously. When we met, first Sarah took pictures of her, then I did. I liked it very much to see that Sarah was having fun, and that she wanted to take photos of Bianca.
Subliminally there was even a compitition going on between us, between Sarah and me. Sarah took the photos first.

>> So meanwhile you have moments where you feel that you are professionals competing?
_ That was a new situation. So far Sarah had mostly taken portraits.

>> Is there a noticable difference in the pictures, is her view different than yours? Your view is known to be very “feminine”? Maybe Sarah‘s view is more “masculine” than yours?
_ No, it is not as easy as that to describe the difference, Sarah has learned very much through me the past few years, but I believe the difference is: her view is more “modern”. She sees what‘s presently in style. But I think only she herself can explain this. 

>> How was it between you while taking photos?
_ It was relaxed, the day was very nice, Sarah never goes to a shooting free of thoughts, she always has something on her mind which she wants to translate into action, has an idea of what the pictures should look like. She doesn‘t let things flow. I sometimes regret a this bit. This time she didn‘t know anything about the other woman. There were reservations, situations where one of them didn‘t know how far she can go with the other. Being in front of the camera together for the first time, it‘s too short to really try this out …
In most of the pictures in the book which show Sarah with other women, these women are her very dear and close girlfriends. One of them she has known since childhood.

>> So her best friends are shown in this book, which have kind of been competing with you a bit in her day to day life, because she has been going to Cologne so 
often because of them. 
_ Yes, it was always very interesting to take photos with her girlfriends. Also at the last photo shooting a few days ago, with that unknown woman, Sarah had fun to have her photos taken.

>> How is it working out between you and her now?
_ The last time she was in Cologne I ment to tell her to stay there. I don‘t want her to return because I don‘t want our present non-committal relationship anymore. Either she sticks to her conviction or not. She said that she wants to return for sure, wants to talk to me, she realizes that it can‘t stay so unclear. 

>> Are you still a bit in love with her? Or is it just about the question of continuing your relationship?
_ Yes, I‘m still in love. 
But I don‘t know if it‘s possible to get these feelings back. If you can‘t even kiss each other properly anymore, can no longer neck properly, is there a way of finding back to this?









_ Interview with Sarah _

>> In your life have you ever experienced something you would call the love of your life?
_ Yes. The feeling that you belong together, to be able to completly open up to the other person …

>> Do you remember your first real love?
_ Yes.

>> Was it fulfilled or rather unfulfilled?
_ At the beginning it was very fulfilled – an absolutly great feeling, later it was more unfulfilled. Of course I‘ve had a crush on someone and it didn‘t work out but that‘s more an agonizing feeling and not love.

>> Do you also remember your first good sex?
_ Yes, that was also with the first love of my life.

>> And did the feelings of love develop by having sex or don‘t they have anything to do with each other?
_ Yes, they had something to do with each other. Having sex makes me develop feelings for someone. And this first real love developed because of the sex.

>> Have you had several loves which you would describe as being the “real” thing?
_ I´ve had two, my first one and the one with Thomas.

>> So, at the moment you are together with one of your true loves?
_ Yes, exactly.

>> Do you recall the first time you saw him? And the first moment you had the feeling something special is happening?
_ With Thomas?

>> Yes, but if you want you can also talk about the first one.
_ It develops out of sexual feelings, so first comes sex, what follows is the tingling sensation in my stomach and continuously having to think about this person. All this happens right after one another. And pretty fast. When I have the feeling it all fits together then, I think, I really fall in love pretty quickly.
>> And how was the first meeting between you and Thomas out of which your story prospered?
_ I saw an exhibition of his in Cologne. The gallery owner had said that Thomas needed models. Right away I thought I‘d like to do that because I liked the photos. That‘s an experience, I‘ll try that out. And so some time later I went to Munich. At first I was here for only a weekend, actually only for one day and then it somehow clicked quite quickly. I went back home and then we noticed that we constantly had to think about each other and that I must come back.

>> Because you said that your feelings develop because of having sex – was taking photos all that happened on this first day? How did it work out?
_ Well, more did happen.

>> So, right at the very beginning … To photogaph nudes is perhaps always emotionally charged , but it still doesn‘t usually include sex …
_ No, of course not.

>> How did the whole thing develop?
_ When I see someone and he appeals to me – and that I know pretty fast – then I glow and beam all over. 
At the beginning there was a strong attraction between us and the insecurity about the other person‘s feelings but I never worry about that too much, whatever will be, will be.
I don‘t remember what I was thinking, but what I do remember are my feelings. I was very shy, like I always am when I meet someone. But because Thomas is such a calm person it was easy for me to open up to him quickly. We started to take photos right away. And he wasn‘t pushy, I actually think that the beginning of that which followed was initiated by me. I also notice reactions towards me. You can sense the reflection of what you are actually radiating .
After this first day we talked on the phone a lot, had intense conversations, and then I drove back to him again. Afterwards we started combining taking photos and private affairs.

>> Was it mutual right from the beginning? 
_ That was obvious that it came from both sides. But it was a bit difficult because I was still in a relationship.

>> Was it ended because of Thomas?
_ It was already over but I never managed to break up completely. Thomas was the trigger that I did it.

>> So you both confronted each other at the same time. What was the first contact? 
_ A photo of that even exists, it is the first photo in the book. Somehow I was lying on the floor and he was taking a photo of me from above and then somehow his feet touched my waist, then my hands his feet and then one thing led to another. We touched each other for the first time while photographing.
I was a bit unsure if I really want it, but then I turn off my mind and don‘t constantly ask myself: do I really want this. When I have that certain feeling, when I sense that the other excites me so much and if there‘s an intense atmosphere, then I just let go and don‘t think about anything anymore. 
Then came the first night. I am a very sexual person. I think I took the initiative concerning sex.
Then on the next day it was quite busy around here. Thomas wanted me to stay another day but that I didn‘t want, I wanted to go back.

>> What did you think the following days?
_ When I was together with someone new I afterwards always wanted to be alone first and pass it in revue, enjoy it again in retrospect.
Then after a few days we talked to each other, and then soon we phoned every day and then came the moment when I thought that I would like to go back there again. And then I went back to him again.

>> And then?
_ I was in a situation where I had to decide how it should continue jobwise, wanted to do a photo and Thomas said, well then why don‘t you just come to me and we‘ll work together and we‘ll see how it works out. I also thought that if you are in two seperate cities, love will be difficult if you live so far apart. That was really the decision: we are going to get involved with each other and now I‘ll go to Munich. Away from Cologne. To Thomas. I wanted to try that.

>> So you moved in together?
_ Yes, I always wanted to do something with photography and so we connected it. And had a love affair and working relationship at the same time, right from the beginning.

>> That‘s a lot. Do you stimulate each other or do you develop in two different directions? 
_ We stimulated each other. Yes, we both learn a lot and 
copy from one another and support each other. What‘s so special about us is that we could work well together, complement one another and therefore actually do a lot together …

>> So, his pictures of women are created with your 
critical eye?
_ Yes, partly.

>> Can you describe one second in which you can sense your feeling of love? 
_ That I have at first while I‘m having sex. The moment I‘m together with someone.
It can happen that the feeling is so intense, that you can feel it in that exact moment, now it has happened, now I have fallen in love. 

>> So, did these kind of feelings evolve during your first time with Thomas?
_ Yes.

>> What do you especially like about him?
_ He is very sensitive, gives his time and attention to me.

>> How long have you been together?
_ Over three years now.

>> Is the intensity of your feelings still the same?
_ Yes and no. Now and again there are difficult times and times which are nice. I think that‘s totally normal if you do everyday things together and are so close like we are.

>> Please tell us about another concrete moment where you felt your love.
_ There are so many nice moments. What I remember best: After we had met I was in Italy for a while. He came to visit me there. Here we spent a lot of time together. That was nice. Relaxed, vacation, good weather, close together, that inspired. I was there with my family, when he then later arrived, that was such a moment.

>> Do you sleep in one bed, are you always that close?
_ Yes, we always sleep in one bed, except when we have had an argument. Generally I do find it important that if you‘re together that one doesn‘t become estranged.

>> That means, when you wake up in the morning and if he‘s not there you would miss him. 
_ There are phases which are like that and others which are not. At the beginning we wanted to be together all the time, we spent every waking hour with each other. Then I always missed him when I was gone only for a few days. Then there were times in which I wanted to be alone. Normally I am actually a person who has to be alone from time to time, who needs freedom. At the moment I am torn between Thomas, the life with him here and my home, Cologne. When I‘m in Cologne I enjoy being alone, to have my freedom.

>> You do a lot together, are always on the go but when you are here then you live in a tiny little town. Is that a problem for you?
_ Yes. Actually that is a big problem for me… that‘s why I‘m in Cologne a lot at the moment, I try to compensate in such a way that, when I‘m back here again, I can actually do it, be here in the country.

>> Are you glad when you come back from Cologne, to see Thomas again?
_ Yes.

>> When you do something alone, do you look forward to telling him about it, or are they seperate worlds?
_ They‘re more seperate worlds. It‘s something which is only for me, that‘s sad but actually it was like that right from the beginning, it was never possible to bring everything into contact with each other.

>> Does that have something to do with your age difference?
_ Of course, that is different, I notice that because now I have the desire to go to Cologne more than in the beginning and to do a lot with my friends there. Thomas has done everything we‘re doing now.

>> Back to love. Do you remember an occasion where you had a special sexual experience or especially good sex, a great orgasm?
_ There are people with whom you harmonize exceptionally well, you complement one another.

>> And it‘s like that with Thomas?
_ Yes!

>> In the meantime do you recall a nice story, a special moment at work, during your everyday life …
_ To tell a current story is difficult because we have been arguing a lot lately.

>> And what starts these arguments?
_ The problem is that lately I have been so torn between here and Cologne. Here I sometimes have the feeling I can‘t really be here then I get unreasonably restless and am convinced that I have to go to Cologne immediatly to meet my friends, to experience something.

>> But love still exists? Or can you picture yourself totally giving up the one world, the Thomasworld?
_ Yes and No. Not long ago we split up for a while, in this phase I was in Cologne for some time, about six weeks, afterwards we said we would give it another try.

>> Has there been a happy moment with him lately?
_ Strangely enough that moment was when I left. Suddenly there was such a bond between us and when I left. We both thought how hard it will be. And I really felt how hard it is. There I felt my love, we were affectionate to each other. Phoned afterwards and stayed in contact. The connection was there, it didn‘t dissolve. And the love was esspecially strong in the moment of my departure. 

>> This closeness and attraction which you felt when you had sex at the beginning and from which your feelings developed, do they still exist? When you have sex what kind of feelings do you have? Is the intensity still there? 
_ Our feeling are mixed at the moment because we both don‘t know how it‘s going to continue and therefore we‘re both a bit blocked. We used to never think about the future. We lived together and just enjoyed it. 

>> And what is the difference between being in love and love? 
_ Being in love is that feeling at the beginning. I think for a long time you just feel the being in love, sense how attractive you find the other person, how much you like him. The feeling of love develops out of it, I don‘t think there‘s a certain moment when it switches from being in love to love. I think it‘s a process which develops up to the point where you know exactly that you belong together, that‘s love. And that‘s what I feel for Thomas.

>> Do you have the feeling that you would suffer if Thomas wasn‘t feeling good?
_ Yes. But I think that‘s a feeling which is not connected to love. For this reason I often felt even worse because I knew that he was suffering so much because I was so upset and always wanted to go to Cologne.

>> Back to things you have in common. How is it exactly when you two work together, what do you do, how does it work out between you two in detail?
_ I look after the women, he has never had that before because he‘s never had someone so close to him at work. 
I have a great affinity for the women he takes photographs of. I also arrange the picture with him together. When I notice fine details I point them out to him.

>> And when you then select pictures, are your choices different or do you like the same pictures?
_ Usually we like the same pictures.

>> You develop a common view about things, can one 
say that?
_ Yes. Of course there sometimes exists a picture which I find especially expressive but Thomas will find little things which bother him, for example he notices that the hand is not perfect – then I try to convince him that in its expression it is such a beautiful picture that we add it to our selection despite the not perfect hand. It‘s very seldom that we totally differ, we do have a common view. Naturally there are more disagreements about pictures which Thomas took of me, he likes more pictures than I do. For the book I made a rough choice, which I find OK, among those there are a few which I like especially, others which Thomas likes very much and to which I then say, OK then let‘s take them for that reason. A few pictures which Thomas liked I didn‘t want at all. We agreed on most of them.

>> Which pictures of yourself don‘t you like? Why? Or which ones do you like especially?
_ Sometimes I can‘t really say exactly why I don‘t like a certain picture of myself when Thomas asks me. Well, I feel so strange there, somehow that‘s not me, usually I can‘t say more than that.

>> So, that means if there are arguements between you and Thomas about pictures, they are pictures of you?
_ Yes, because we usually agree on the other pictures. I am more critical of pictures of myself, also in view of the fact that in the book everyone can see you. If there are only one or two pictures of each woman in the book, then it‘s a different story, then I‘m not so important because there are so many different situations and women in the book, however in this book where there are only pictures of myself, I‘m more critical.
I also try to give my time and attention to the pictures of the other women and I show consideration for the pictures the women like and which ones they don‘t. I think it‘s important that the woman feels comfortable about having her pictures published and that she doesn‘t think, oh god, how do I 

>> Are you always sure if you like a picture or not?
_ Yes, that I usually know right away, regardless if they‘re of myself or of others. Sometimes I change my mind, not completely, not that I didn‘t like one picture before and now I think it´s great but a picture which before I thought was OK, can turn out to be really good. This can also happen with pictures of me. So also the view about myself changes after a while. 
Actually we wanted to take new pictures for our book.


A few months later …

>> And now you really took photos again, together with a woman you didn‘t know, how was that for you?
_ We shot outside because I like that so much, there‘s always a nice atmosphere, you can hear the birds, feel the wind. It was nice. We didn‘t even know each other yet and that I find difficult. The other pictures, except one series with very close friends, were all of me. And also for the one series I spent a whole and very intense day with the woman before we started photographing.

>> Can you say which pictures in the book you like especially, or better said where was the situation in which they were created exceptioncally nice?
_ I like the collection altogether. It was always especially nice for me to be photographed at locations we had never been before. Also here right around the corner, you don‘t need to have been on far trips.

>> You yourself change in other locations.
_ Exactly.

>> And how are your feelings towards Thomas now?
_ It‘s the same as before.

>> The open end remains?
_ Yes.

>> With many couples it seems there comes a difficult time after a few years. What about your desire for Thomas? You had said that you are a very sexual person?
_ That doesn‘t work at all in difficult times. Then there are so many emotions inside of me or I think about so many things that I can‘t relax or open up. I think if we were carefree for a few days then the desire would come – but we haven‘t been careless lately at all.

>> Back to photograhy. What was it like with the other woman?
_ Thomas totally kept out of it, we directed the pictures completely on our own… I‘m looking forward to even more nice pictures with her. I find her type very interesting. I can‘t wait to take more pictures with Bianca. My friends also always had fun being photographed by Thomas with me. They all say 
“I want to take such nice photos with you again”.

>> What about you? Do you want to continue being photographed so often or do you want take photos yourself?
_ I think I‘ll always want photos of myself. Because I can already detect a development which I want to observe. I find it very interesting to now see this development of the last couple of years in the pictures – and I would find it just as exciting to know how it is ten years from now for example. But compared to a few years ago my desire to be photographed has weakend, that means I don‘t want to be infront of the camera so often anymore. I like to take photos myself. But I do want to be photographed regularly, at regular intervals over the years. I think I would also find it exciting to have nudes taken of me if I‘m ever pregnant or when I´m older.

2005 · Yvette

80 Seiten + DVD
110 Abbildungen
Format 17,5 x 24 cm,
Leinen mit Lesebändchen und Schutzumschlag, 
fadengeheftet, mit ausklappbaren Tafeln, 
Duplexdruck mit teilweise 3 zusätzlichen Schmuckfarben
mit einem Vorwort von Alexander Scholz und einer Geschichte von Paulina Schulz
Preis: 69,- Euro
ISBN: 3-936165-32-7
Edition Vevais, 2005

direkt hier bestellen: info@thomaskarsten.com


Der Verlag über das Buch 

Die Fotos des Buches widmen sich nur einem Modell, mit dem Thomas Karsten über alle Barrieren in zehn Jahren gesprungen ist, oder besser gesagt, die Barrieren so weit von sich schob, bis alle Vorurteile moralischer Zwiespälte von der Weltenscheibe ins Unendliche des Alls fielen. Das Buch geht so in seiner Form weiter als alle bisherigen Publikationen von Thomas Karsten: zum ersten Mal finden wir dank Yvette neue Motivsujets, zum ersten Mal lernt die Figur auf der beiliegenden DVD laufen, und zum ersten Mal geht das Layout zurück in die zitierte Antike des Jugendstils oder die oben genannte Reformbewegung, und zum ersten Mal trifft Drum ´n Bass und Tekknomusik auf das Körperliche des Menschlichen, und zum ersten Mal wird eine Publikation von Thomas Karsten kultischer Akt der Zusammenarbeit von Künstlern aller Sparten. 

Vorwort von Alexander Scholz

Wenn man zuviel liebt, bleibt man zwangsläufig immer allein. 

Man steigt in den Zug und schon bei der Ankunft am Ziel hat das Gesicht der neuen Landschaft das Gefühl an den vertrauten Schoß zerstört. Von da an sind alle Dinge, die man mitgenommen hat, Souvenirs an das Gefühl der Liebe, das man spürt, daran glaubend, etwas gerade gerichtet zu haben. Aber es fällt niemandem auf, dass man hier einen Stein vom Strand entwendete oder dort den nach den Wintern ewig abfallenden Putz überputzte. 

Viele die Thomas Karsten näher kennen oder mit ihm gearbeitet haben, bestätigten mir, dass man, bei dem Versuch, sich ihm persönlich zu nähern, sich nur wie in einem Laufrad vorwärts bewegt, niemals ankommt, aufsteckt oder zumindest froh ist, einen Moment in Rast aufatmen zu können. Dabei hat noch keiner wirklich zugegeben, dass dies eine Form der Liebe sein kann, die er fordert; die er wahrscheinlich aus Angst vor dem Alleinsein fordert. Man muss ihm erliegen, seinem Wahn, seinem Perfektionismus, seiner Suche nach unserer Demut vor seinem Werk. Und man wird wahrscheinlich nie erfahren, wovor dieser liebe Mensch wirklich Angst haben könnte. So mag es auch seinen Modellen ergehen, wobei der Begriff ‚Modell’ nur als Klischee des sich ihm zur Verfügung Stellens greift. Sie beherrschen ihre Angst, solange sie vor seiner Kamera stehen. Manche kommen seit Jahren, seit Jahrzehnten, manche provozieren ihn, manche lassen sich provozieren, ein Moment inniger Auseinandersetzung, eine Liebesbeziehung, die das Modell und der Fotograf unabhängig voneinander einfordern. Vielleicht ist dies die benannte Angst oder der Weg, sie zu besiegen. Ein Souvenir an das Leben, in dem es keine Heimat, keine Ankunft, sondern nur die Suche, den Weg als Ziel gibt. Ein Abbild, das Vintage an etwas, das man nicht festhalten kann, nur auf einem Foto, auf einer Postkarte, auf einem Stück beschnitzten Holz, das in den Gezeiten vergeht, wenn man es nicht schützt, auf einem Heuschober, in einem Rahmen, aufgezogen auf eine dicke Pappe. 

Thomas muss man lieben und hassen. Beides, das machen seine Modelle, seine Fans, seine Verleger, wobei er, Distanz haltend, sich selbstsüchtig zurücklehnt und sein Archiv nach der Liebe seines Lebens, das von der Angst vor dem Verlust geprägt ist, durchforscht. Dabei rede ich von Liebe und Hass, also von ergebener Liebe, einer Hochzeit, einem Pakt, den man trotz Streites nicht brechen kann. Man ist ihm für das Leben, für Momente dankbar, will schnell fort und doch wieder und immer wieder zu ihm, um die Scham der Angst in das tiefe schwarz-weiß eines Vintages zu tauchen. 

Dabei hat er Sinnbilder geschaffen, Bilder, die wie Michelangelos Plastiken außergewöhnliche Symbole der menschlichen Würde darstellen. Manche erkennt man durch ihre nach außen strahlende Erhabenheit sofort, sie sind weltweit in allen wichtigen Veröffentlichungen über Aktfotografie zu finden; andere wiederum verharren lautlos in den bereits zahlreichen Büchern, die, durch die grenzenlose Last ihres inhaltlichen Umfangs beinahe berstend, seit vielen Jahren bei Claudia Gehrke verlegt werden. Aus diesem nicht enden wollenden Fundus erwachsen die von ihm fotografierten Geschöpfe zu einem Heer der Schönheit, der Einfachheit, der „Lust an sich“, der Emanzipation, der Eigenständigkeit in einer unendlichen Geschichte, derer Liebe sich Thomas Karsten nicht vollständig ergeben kann. Er leiht ihr sein Auge, bleibt ein Außenstehender, darauf beschränkt, seine Kamera scharf zu stellen, anstatt sich selbst immer wieder mit dem Leben zu vermählen.

Diese Distanz bestimmt auch seine Sichtweise, den Thomas Karsten-Blickwinkel. Oft wird im Hinblick auf seine Arbeit über Respekt gesprochen; auch erwähnt Thomas Karsten gern, dass er Portraits seiner Modelle erschafft: es ist eine Teilwahrheit, die den Balanceakt zwischen seiner Dienertätigkeit gegenüber den Modellen und seiner moralischen Eindeutigkeit ausübt. Dass daraus ein unverwechselbarer Stil wurde, ist meiner Meinung nach zwangsläufig: ein Thomas Karsten-Stil, durchdrungen von einfacher menschlicher Würde und dem Mut zur Wahrheit. Es ist die Thomas Karsten-Kameradistanz, oder eben der Thomas Karsten-Blickwinkel; er ist einmalig und in allen Bildern gegenwärtig, und es ist der Charakter Thomas Karsten: immer hinterfragend, ohne Auswege, direkt und doch mit nötigem Abstand; zur eigenen Deckung, zur Wahrung des Respekts gegenüber dem anderen, dabei permanent in der Angst, missverstanden zu werden. Den Beweis, dass es den Thomas Karsten -Blickwinkel oder die -Distanz gibt, haben wir spätestens jetzt angetreten, als wir seine Kontaktbögen ohne formelle Abgleiche zu digitalem Kino weiterverarbeiten konnten. Dieses Buch widmet sich nur einem Modell, dem, mit dem Thomas Karsten im Laufe eines Jahrzehnts viele Barrieren übersprungen hat, oder besser gesagt, die Barrieren so weit von sich schob, bis alle Vorurteile und moralischen Zwiespälte von der Weltenscheibe hinaus ins Unendliche des Alls entschwunden sind. Thomas hat dank Yvette besondere Fotos gemacht. Der Akt des „sich in die Hände des Fotografen Gebens“ wird hier besonders deutlich. Yvette hat, wie ich Gesprächen und seinem bisherigen Gesamtwerk entnehmen kann, die Ideen zu den Posen gehabt und Thomas Karsten gefordert, bis zur Verzweiflung provoziert, auf Distanz zu bleiben. Hier hat der Fotograf dem Modell und das Modell dem Fotografen zu danken. Er wird zum beschriebenen „Dienstleister“ für das Modell (noch intensiver als Richard Kern, der es bei plakativen Posen belässt), der Dank seiner Erfahrung aus jeder vorherigen Liebesbeziehung das Gefühl verbreitet, sich absolut -bis zum Orgasmus- fallen lassen zu können und dabei tatsächlich seiner Ethik treu bleibt, den Körper nie ohne Gesicht zu verstehen. Viel lieber verdreht er diese sozial gestörte Logik. Wer nimmt die Perspektive des Betrachters ein, wer bestimmt den Fokus, ist das Licht, das Licht der Sonne, wer bestimmt, was erlaubt ist, welche sozial aufgesetzten Doktrinen gilt es zu brechen? Alle Fragen und alle Antworten sind unnötig, es bleibt Schönheit, Lust, Demut, ein Fotograf der nicht befreit heimkehren kann. Darin liegt Thomas Karstens Kunst begründet. Mehr Erotik ohne den ästhetisch pornografischen Akt ist nicht möglich. Mehr Geschenke kann man nicht machen. Und die Modelle sind dankbar, ihm immer wieder verfallen zu dürfen. 

Viele Jahre sind vergangen zwischen der erneuten Befreiung des Körpers in der Epoche des Jugendstils (und den folgenden, viel klareren Reformbewegungen), der sich wie in einer zerbrochenen Zeitkurve in einer bestimmten Form des phantastischen Realismus neben den wechselnden Moden der Moderne am Leben erhält und Kriege sowie Gesellschaftsordnungen umgeht. Diese Logik verbreitet sich immer mehr in meinem Kopf – die des Twisters der sozialen Umorientierung, der den normalen Wind der Gezeiten stört. Weil diese Bewegung die gesellschaftlichen Abläufe ignoriert, ist die Form des Körpers im und aus dem Jugendstil oft als Kitsch oder zügellos verschrien bzw. durch die Nähe zur Kunst des Dritten Reiches aus den Büchern verbannt worden. Dieses Schicksal ereilte das Werk vieler großer Künstler, wie Riebicke, Riefenstahl oder Fidus, deren ästhetische Auffassung und Form des Menschenideals fast 1:1 beispielsweise bei Jock Sturges wiederkehren, der ebenfalls dem Wahn der sozialen Ordnung wie in einem verdrehten Zeitablauf des sozialen Gegeneinanders der Gesellschaftsordnungen zum Opfer fiel und noch heute Verleumdungen ertragen muss. 

Doch glücklicherweise sind seit der Klassischen Kunst der Römer und Griechen, die dem nackten Körper huldigten, und die in der Renaissance wiederauflebte, genügend Epochen verstrichen, so dass Sklaverei, die Kluft zwischen Arm und Reich, auch dank wissenschaftlicher Aufklärungsarbeit, verschwunden ist. 

Schönheit kann man ja bekanntlich (ich sage das mit einem kleinen Lächeln auf meinen Lippen) dank der mathematischen Formeln von Vitruv oder Palladio bis hin zu da Vinci berechnen. Ausgehend von diesem Klischee hat der nackte Körper, verkaufsfördernd kraft der niemals endenden Lust der Käufer, über die Werbung und die Pornografie wieder Einzug in unser normales Leben gefunden. Damit einhergehend hat sich eine Selbstverständlichkeit gegenüber der Publikation erotischer Kunst entwickelt. Uns hat in den Neunziger Jahren eine Flut an Veröffentlichungen überschwemmt, aus der es schwerfällt, den Ursprung oder das wahrhaft künstlerische zu deuten. Viele übersehen, dass es Pioniere wie Hamilton, Saudek, Sturges, Ray, Arbus, Platt Lynes, Mapplethorpe, Weston gab, die bis zum heutigen Tag zur Avantgarde zählen. Und es gibt die neuen Künstler wie Kern, Karsten, Sherman, Guibert, Rheims, Goldin oder Berquet, die in einer für sie moralisch sauberen Form das Individuum aus dem Moloch der Gesellschaft befreien. 

Dieses Buch geht in seiner Darstellung weiter als alle bisherigen Publikationen von Thomas Karsten: zum ersten Mal lernt die Figur auf der beiliegenden CD laufen, zum ersten Mal geht das Layout zurück auf die zitierte Antike des Jugendstils bzw. die oben genannte Reformbewegung, zum ersten Mal trifft Drum & Bass und Tekknomusik im Mix mit Klassischer Musik auf das künstlerische Abbild des Menschlichen, und zum ersten Mal wird eine Publikation von Thomas Karsten kultischer Akt der Zusammenarbeit von Künstlern verschiedenster Sparten, um schließlich dem König der Aktfotografie die Krone aufzusetzen.

Die eigentliche Geschichte ist so imposant wie unwichtig, und man erkennt, was im Leben relevant ist. Dasselbe Gefühl hatte ich immer beim Lesen von Hervé Guiberts letzten Büchern, von ihm geschrieben, als ihn inzwischen jede Hoffnung auf Heilung, auf Versöhnung mit seinen Geliebten verlassen hatte und nur noch die kleinen süßen Geschenke geblieben waren, die an das im Menschen ewig andauernde Pochen schmerzlich erinnern, und durch die jede Regung globalen Kriegstreibens auf die kleine Verhältnismäßigkeit eines steifen Penis oder des Entzückens für die aufgehenden Tulpen beschränkt bleibt. Und diese Verhältnismäßigkeit ist so wenig von Klischees abhängig wie eine Geliebte vom Parfüm auf ihrer Haut. 

Das was ausführlich in der Geschichte beschrieben wird, steigert sich im Bild oder wird in eine weitere Phantasie getrieben, um die ‚Sucht an Sich’ zu stillen. Wird in der Erzählung ein Geruch, eine Allee oder eine knarrende Tür relevant, braucht man kein Abziehbild der Landschaft, da greift die ‚Lust an Sich’ (Buchtitel von Thomas Karsten), die vom Fotografen lieb in Szene gesetzt wird. Und ob wir wollen oder nicht, die Perspektiven und Standpunkte bis hin zum Mann hinter der Kamera verschwimmen, steigern sich von einem kleinen Wirbelwind zum Orkan und zeigen sich am Horizont, der, wie alle wichtigen Sehnsüchte, nicht zu erreichen ist, wie mancher Wunsch, dessen tiefster Schmerz auf den Protagonisten selbst zurückfällt; auf die Schriftstellerin, auf das Objekt der Begierde, auf das Objekt der Begierde des Illustrators, auf die Begierde des Betrachters, des Verlegers, des Buchgestalters, auf die Begierde des heimlichen Betrachters, den wir dann am Ende, mit dem Heimlichen des Verbotenen überraschen wollen. 
(Alexander Scholz)

2005 · Twenty Six Years


160 Seiten
150 Abbildungen
Großformat 24×28 cm,
schweres Bilderdruckpapier,
schwarz/weiss  (Triplex + Sonderfarbe + Lack)
französische Broschur
Fotobuch mit Texten von Dr. phil. Fritz Franz Vogel
Texte: Deutsch und Englisch
Preis: 24,90 Euro
ISBN: 3-88769-336-1



direkt hier bestellen: info@thomaskarsten.com

Nude Photographs

Fotografien aus 26 Jahren. Chronologisch angeordnet lassen sich die Bilder in diesem Buch lesen wie ein Roman. Manche der Frauen tauchen immer wieder auf, anderen begegnet man nur einmal.
Thomas Karstens Fotografien entfalten einen stillen lang anhaltenden Zauber. Man sieht, wie sich die Ausstrahlung der Nacktheit im Laufe der Zeit verwandelt, es ändern sich die Blicke, die Formen der Körper, ihre Gestaltung, und seien es nur die Haare, es ändert sich die Art, wie sich die Menschen bewegen, hinstellen, wenn sie fotografiert werden, irgendwie spürt man die Zeit. Aber stärker noch empfinde ich einen Zauber jenseits der Zeit. 
Thomas Karstens Kunst ist eine Mischung aus genauer Komposition – der Hintergründe, des Lichts, auch der Momente, den Auslöser zu drücken – und spontanen Funken zwischen ihm und den fotografierten Menschen – vor allem Frauen, aber auch Paare, Familien. Den Körpern drückt er keine Form auf, und umgekehrt lassen sie auch kaum einmal diese Anstrengung spüren, irgend-
was darstellen zu wollen, also z. B. unbedingt erotisch wirken zu müssen. Sie sind, was sie sind, sympathisch, liebenswert, frech, verträumt, erotisch aus sich selbst heraus. Vor manchen Bildern stockte mir der Atem. Die Frau mit geschlossenen Augen auf dem Stoppelfeld, ihr Hüftknochen, das Dunkle darunter, die Berührung von Stroh und Haut …
Und neben dem Zauber der vielen einzelnen Bilder ist das Buch als Ganzes ein lebendiges becircendes Kunstwerk. Jede Erotik entsteht in einer Bewegung, es geht immer um etwas, das sich zwischen zwei Menschen, zwischen einem Bild und einer Betrachterin, einem Buch und seinen Lesern, und in dem Buch selbst zwischen seinen einzelnen Seiten hin und her auflädt. Und dieses Buch sprüht vor Sinnlichkeit im Umblättern. Mit jedem neuen Anschauen berühren einen neue Bilder. 

Photographs from 26 years. Arranged in the order of their occurrence the pictures in this book can be read like a novel. Some of the women turn up time and time again, others you encounter only once.
Thomas Karsten’s photos unfold a silent, long-lasting kind of magic. One can observe how the aura of the nakedness changes in the course of time. The point of view changes, the shapes of the bodies, their forming and let it only be the hair, the way the people move and stand while they are being photographed changes, some how you can feel time. But moreover I sense a magic beyond time. 
Thomas Karsten’s art is a mixture of an exact composition – of backgrounds, of light, and also of the moments when the shutter is released – and spontaneous sparks which emit between him and the photographed person – mostly women but also couples, families. He doesn’t force a specific appearance on the bodies and equally they seldom have to show the effort of desperately trying to represent something, like for example attempting to appear erotic. They are, what they are, pleasant, loveable, fresh, dreamy, erotic of one’s own accord. Some of the pictures made me catch my breath. The woman on the stubble field with her eyes closed, her hipbone, the dark spot beneath it, the touch of straw and skin…
And alongside the magic of the many pictures, the book as a whole is a vivid bewitching piece of art. Every eroticism is created in a movement. It is always about an electric tension between two people, between a picture and its observer, a book and its reader, and in the book itself between the individual pages. And while turning the pages this book bubbles over with sensuality. With every renewed look new visions touch you.


Vorwort:

Der ganze Körper ist Gesicht

Ich habe es bisher einmal auf einen Titel geschafft, und zwar auf den ersten Bestseller von Thomas («Thomas – mach ein Bild von uns». München 1988), versteckt, 2. Reihe. Zuvor führte ich zwischen Zürich, München, Leipzig und Berlin über 30 Gespräche mit Modellen über das Nacktsein, das Fotografiertwerden, über die Furcht vor der Veröffentlichung, über Scham, Angst und Lust. Von der riesigen Recherche kamen leider nur winzige Ausschnitte ins Buch. – Freunde kennen einander, sie kennen die Stärken und die Schwächen. Ich kenne meine Stärke für Analysen, ich kenne die Schwäche von Thomas für junge Frauen. Fast 20 Jahre später darf ich über ihn einen Text schreiben. Es ist keine Ode an eine Freundschaft, kein Blason auf knospende Brüste, kein fotohistorisches Palaver. Es ist – eine Beichte.

Für die in Potsdam 1982 realisierte DDR-Übersichtsausstellung «Akt & Landschaft» mit über 90 Mitwirkenden steuert Thomas Karsten 10 Fotografien bei, betitelt mit «Akt Nr. 1» bis «Akt Nr. 10». Auch wenn innerhalb der 10 Bilder – eines davon wurde mit einer Anerkennung ausgezeichnet – noch keine Einheitlichkeit auszumachen ist, so ist die Zielrichtung klar: nicht die formale Konstruktion aus Licht, Schatten, Proportionen und Landschaftsarchitektur ist für ihn entscheidend, sondern das Persönlich-Menschliche. Bereits kurz darauf verdichten sich seine Bildnisse zu Aktporträts, ein Begriff, der zu Beginn der 1980er Jahre den bloß formalen Akt mit dem individuellen Porträt verknüpft wissen wollte. Von nun an gehört es zur Konvention, dem Selbst- und Mitbestimmungsrecht der fotografierten Personen mittels des individualisierten Namens Ausdruck zu geben.
Die abgelichteten jungen Frauen – Anke, Claire, Eva, Lilo, Ute (da hätte ich gerne zugelangt), Almuth (ein Techtelmechtel im wilden Osten), Judith (eine Ex) – zeigen sich zwar nackt. Im Zentrum steht aber immer das Gesicht; der nackte Körper ist ein Zusatz, um «zeitloser zu wirken», wie sich Thomas ausdrückt. Das Gesicht allein macht das Porträt aber noch nicht aus. Entscheidend ist der direkte Augenkontakt. Diese Kommunikation zwischen Frau und Fotograf hält bis heute an; es ist die Strategie, dass die Identität erhalten bleibt und die Frau nicht als Objekt angesehen werden kann. Zwar erregen die Frauen via Blickregime Aufmerksamkeit, doch parieren sie gleichzeitig den voyeuristisch-lüsternen Blick des Betrachters. Auf der Basis, die Frauen vor der Kamera zu sich selbst kommen zu lassen, gedieh ein in den Bildern erkennbares Selbstbewusstsein. Der soziale Körper war Teil des Selbstverständnisses einer jungen, künstlerisch orientierten Generation. Ich war mit dabei.

In der Mitte der 1980er Jahre wird auch in der Aktfotografie verstärkt der soziale Kontext der Personen klar: Kathrin/Kurt, Chocco/Silvana, Vänçi/Chrig, ich/Kathi (nicht im Buch). Beziehungen werden sichtbar, Frauen werden schwanger und gebären Kinder, die selbstverständlich auch ins Bild genommen werden. Die Fotografie dokumentiert, ohne dass dies beabsichtigt ist, Phasen, Prozesse, Partnerschaften auf Zeit. Das momentane Wir-Gefühl lässt den Imperativ zu: Thomas – mach ein Bild von uns! Aktfotografie wird damit befreit vom Heimlichen und Ungehörigen; man steht dazu.

Um 1990 wird in die Bildnisse die persönliche Befindlichkeit verstärkt eingebracht. Die fotografische Situation ist ein Frei- und Spielraum, um sich zu produzieren. Theatralische und tänzerische Momente legen nahe, dass der Körper zur Identität gehört und Ausgangs- und Spielmaterial kultureller (Foto)produktion ist: Babette, Martha, Ina/Hans. Ein befreiter Umgang mit dem eigenen Körper und eine offensive Selbstwahrnehmung ermöglichen es, selbstsicher und autonom nach außen zu treten: Sylvia (ein wunderbarer Ostermontag in blütenweißem Bett!), Katharina, Yvette, Carmen, Franziska (ein schöner Sommer lang!). Das statische, in sich ruhende Porträt löst sich auf, wird wandelbar, wird flexibel, wie eine Vokabel jener Zeit andeutet. 
Die Lust an sich drängt die Kamera als Kontrollinstrument in den Hintergrund. Vielmehr ist die Kamera ein provokatives Element, das die Selbsterforschung auslöst. Der Fotograf ist der stille Beobachter einer selbst bestimmten, da und dort ohne Scham freigelegten Intimität. Frau fühlt sich losgelöst von Konventionen und probiert alle Spielvarianten, von der Koketterie bis hin zum echten Orgasmus. Eigenerotik wird zugelassen: Das Spiel wird auch Ernst, wird zum sexuellen Spiel. Die Frauen zeigen, was sie mit ihrem Körper machen können und wollen, wie sie einzelne Teile verstecken oder offenbaren, welche Rollen sie im Moment zu spielen fähig sind. Eine weibliche Identität, die Erotik und Sexualität einschließt, wird alltäglich: Hildegard (nie waren wir zur selben Zeit frei füreinander!), Helen, Rebecca.

Das performative Verhalten vor der Kamera hält nach 1995 an: Yvonne (nicht im Buch; eine schwierige Ent-Scheidung), Sylvie, Hildegard/Volker, ich/Marika (noch immer halten wir uns aus, wenn auch seltener zusammen), Emina (war zu zickig). In der offenen Gesellschaft zunehmend akzeptierte sexuelle Praktiken tauchen in gefilterter Form auf: Körperbemalungen, Fesselspiele, Fetischisierungen und tribadische Szenen (oh wie gern hätte ich da mitgemacht!). Zudem wird der Körper immer mehr als zu schmückende Oberfläche verstanden: Piercing, Intimfrisur, rasierte Scham, Tattoos, so bei Helen, Biena, Mira, Tania, Carola (welch Begehren, doch keine Resonanz). Der Körper ist Projektionsfläche, Spiel- und Werkzeug, und auch Schmuckstück. Der Blick hat sich vom Gesicht auf das Geschlecht leicht verschoben. Nun ist der ganze Körper Gesicht. Es gibt keine Einschränkung mehr, was er nicht sein könnte. 

Nach 2000 hält die fotografische Qualität an. Frische, immer gleich junge Modelle mischen sich in den für den Betrachter lustvollen Reigen, eine direkte Folge aus der Arbeit am Buch «Heute nackt. Jugendliche zwischen 16 und 20» (Berlin 2003). Das Aktporträt verliert jedoch die Funktion als Ideal. Das Verhalten vor der Kamera wird alltäglich, unkompliziert, verspielt. Man könnte es als Nacktporträt bezeichnen, in dem der entblößte Körper frei von Projektionen ist. Er ist, wie er ist. Das Un-spektakuläre, das Natürliche ist die nachhaltige Errungenschaft dieser bildhaften Initiation an der Schwelle ins Erwachsenenalter. Die Jungfrauschaft nutzt sozusagen den Fotografen als Führer bei diesem Initiationsritus. Die Identität – und diese ist nicht bunt, sondern umfasst das Exquisite der S/W-Skala – steht nach wie vor im Zentrum, aber die Identität ist nicht mehr nur eine, die einen Namen hat, sondern auch eine, die ihr Geschlecht zeigt, auch wenn dieses verborgen wird: Rosi, Susen, Larissa. Trotz der Erotisierung bleibt das abgebildete Momentum ein Aktporträt, weil die Sexualität nicht im Vordergrund steht: «Das Gesicht ist auf dem fotografischen Abzug immer einen Hauch heller als alles andere, damit man zuerst ins Gesicht schaut, und erst dann auf den Körper.»

Für den befreiten weiblichen Körper sind zwei Aspekte wesentlich: Die Sexualität in der Gesellschaft hat sich soweit verändert, dass die Frauen selbstbewusst genug sind, ihre sexuelle Identität geltend zu machen, ja zeigen zu wollen. Dieses narzisstische Element korrespondiert mit einem biografischen Lebensabschnitt, in dem in Sturm-und-Drang-Manier um Identität und Sexualität gerungen wird. Das extrovertierte Verhalten, um zum persönlichen Stil zu gelangen, kommt dem Fotografen zupass, der in der fotografischen Arbeit ehrliche, ganzheitliche und vor allem ästhetische Aktporträts aus den Frauen herausholen will. «Ich will die Frauen nicht als Material verwenden, um meine Ideen durchzusetzen, sondern die Frauen entscheiden selbst, was vor der Kamera entsteht und geschehen darf. Einschränkungen von meiner Seite gibt es nicht. Vor allem bei Fotosessions mit mehreren Frauen entsteht eine Eigendynamik, auf die ich als Fotograf kaum mehr Einfluss habe.» 
Fotografiert zu werden ist ein Akt der biografischen Selbsterkenntnis, wieweit und wohin frau geht. Gerade deshalb sind für den Fotografen diejenigen Frauen interessant (ja Männer wie ich leider nicht), die das Angebot zum «Shooting» in unregelmäßigen Abständen immer wieder annehmen und ihr Verhalten vor der Kamera sozusagen als Lackmusprobe ihrer persönlichen Entwicklung verstehen. Die Frauen gehen zudem mit sich und untereinander anders um; das Geschehen im Bild ist oft harmloser als der Mann sich einbildet. Doch wer ist nicht neidisch, wer möchte nicht dabei sein? Marei/Judith/Sandra (Ich schon, jedenfalls hin und wieder; ich habe weder Glatze, Schwimmgürtel noch Mundgeruch, doch viel Greiflust in den Fingern, wie damals auf dem Titel!) So sehne ich mich, denn die Fotos von Thomas sind Aufklärung und Augenweide zugleich – übrigens für Mann und Frau.

Fritz Franz Vogel
Fotohistoriker, CH-Wädenswil


The entire body is face

I have made it on to a title page only once so far, namely on to Thomas` first bestseller («Thomas – take a picture of us», Munich 1988), hidden, in the second row. Before I travelled between Zurich, Munich, Leipzig and Berlin having over thirty conversations with models about being nude, being photographed, about dreading the publication, about shame, fear and desire. Unfortunately only tiny parts from my studies were printed in the book. – Friends know each other, know each other’s strengths and weaknesses. My strength for analysis is known to me and I know Thomas´ weakness for young women. Almost twenty years later I am to write a text about him. It is not an ode to our friendship, not a «blason» about budding breasts, no photo-historical palaver. It is – a confession.

For the GDR-exhibition «the nude & landscape» in Potsdam 1982, with over ninety participants, Thomas Karsten contributed ten of his photographs entitled «nude number 1» to «nude number 10». Even though there is not yet unity recognizable within these ten pictures, the direction of the destination is obvious: not the formal construction of light, shadow, proportion and landscape architecture is decisive for him but the personal, the humane. Only shortly afterwards his pictures fuse to become nude portraits, a term which at the beginning of the 1980´s wanted to combine the formal nude with the individual portrait. From then on it was standardized to give expression to the photographed person’s right of self-determination and participation by means of the individualized name.
The women in the photos – Anke, Claire, Eva, Lilo, Ute (I would have liked to have helped myself to her), Almuth (an affair in the wild east), Judith (an ex) – are indeed naked. However in the midpoint always lies the face; the naked body is an addition in order «to appear more timeless». But the face alone does not make up the portrait. It is the direct eye-contact which is significant. Up to this day this communication between woman and the photographer still persists; it is the strategy that the identity is preserved and that the woman cannot be regarded as a mere object. The women do arouse attention with their appearance but at the same time they parry the voyeuristic-lascivious look of the observer. On the basis of having let the women find themselves in front of the camera, a kind of self-confidence emerged which is visible in the pictures. The social body was a component of the way a young, artistically orientated generation saw itself. And I was part of it.

In the middle of the 1980´s, also in nude photography the people’s social context becomes more evident: Kathrin/Kurt, Chocco/Silvana, Vänci/Chrig, me/Kathi (not in the book). Relationships become apparent, women get pregnant and give birth to children, which are naturally also integrated into the picture. Photography reveals, without being intended, phases, processes, partnerships in time. The present tight bond allows the command: Thomas – take a picture of us! With that nude photography is liberated of secretiveness and impertinence; one stands to one’s convictions.

Around 1990 personal sensitivities are increasingly put into the portraits. The photo-graphic situation is freedom and scope to show off in. Theatrical and dance-like moments suggest that the body belongs to the identity and that it is source and play material for cultural (photo) production: Babette, Martha, Ina/Hans. An unrestrained way with one’s own body and an offensive self-awareness make it possible to act self-confident and autonomous: Sylvia (a wonderful Easter Monday in a bed white as snow!), Katharina, Yvette, Carmen, Franziska (a whole summer long). The static and calm portrait disperses, becomes changeable, «flexible», like this word from this period suggests.
Desire as such pushes the camera as a domineering instrument into the background. The camera is rather a provocative element which triggers off self-exploration. The photographer is the silent observer of a self-determined, a here and there unashamedly exposed intimacy. Woman feels free of all conventions and tries out all variations of play, from coquettishness up to a real orgasm. Self-eroticism is allowed: play also gets to be serious, develops into sexual play. The women demonstrate what they can and want to do with their bodies, how they hide certain parts or reveal them, which roles they are able to play at the moment. A female identity, which includes eroticism and sexuality, becomes ordinary: Hildegard (never were we free for each other at the same time!), Helen, Rebecca.

The performative behaviour in front of the camera lasted even past 1995: Yvonne (not shown in the book; a difficult decision), Sylvie, Hildegard/Volker, me/Mareike (we still bear each other but not together so often), Emina (was too bitchy). In the liberal society increasingly more and more accepted sexual practices turn up in filtered form: body-paintings, bonding, fetishism and tribadism (oh how much I would have liked to have participated in that!). Additionally, the body is increasingly seen as a surface area which is to be decorated: body piercing, intimate hairstyles, shaved pubics, tattoos, as per Helen, Biena, Mira, Tania, Carola (such desire but no response). The body is projection surface, toy as well as tool, and ornament also. The field of vision has slightly shifted away from the face towards the sex. Now the entire body is face. No longer are there any limitations on what the body could be.

After the year 2000 the photographic quality continues. Now new young models mix in with the, for the observer, pleasing round, a direct result of the work on the book «Naked today. Young people between 16 and 20» (Berlin 2003). Yet the nude portrait loses its function as an ideal. The conduct in front of the camera becomes ordinary, uncomplicated, playful. One could call it a nude portrait in which the exposed body is free of any projections. The body is, like it is. The unspectacular, the natural, is the lasting achievement of this vivid initiation on the threshold of adulthood. The young women use the photographer so to say as a guide, during this initiation ritual. The identity – which is not colourful but includes the best of the black-and-white-scale – is still the centre of attention but the identity is no longer only one with a name but one which shows its sex, even if it is hidden: Rosi, Susen, Larissa. Despite the «eroticisation» the portrayed momentum remains a nude portrait because sexuality isn’t the focal point: «On the print the face is always a touch lighter than everything else, so that you look at the face first, and only then at the body.»

For the liberated female body is essential: Sexuality in society has changed in such a way that women are self-confident enough to assert their sexual identity, even to present it willingly. This narcissistic element corresponds with a phase of one’s life in which identity and sexuality are struggled for in storm and stress manner. The extrovert behaviour in order to acquire one’s personal style is convenient for the photographer who wants to extract honest, integral and especially aesthetic nude portraits from the women. «I don’t want to use the women as material in order to push through my ideas, instead the women decide for themselves what arises and what is allowed to happen in front of the camera. There are no restrictions on my part. Especially during photo sessions with several women a momentum is gathered I exert hardly any influence on».
To be photographed is an act of self-knowledge about how far and in what direction woman goes. That is why exactly those women are interesting for the photographer (and men like me unfortunately not) who accept the offer for photo shootings time after time at irregular intervals and who perceive their performance in front of the camera as a litmus test on their own personal development. Furthermore, those women treat themselves and each other differently; the events in the picture are often more harmless than the man envisions. Yet, who isn’t jealous, who doesn’t want to be a part of it? Marei/Judith/Sandra (I do, well at least once in a while; I’m neither bald, nor do I have love handles and bad breath but I do have a great desire to fondle in my fingertips, like back then on the front page). And so I yearn, because Thomas´ photos are both enlightenment and feast for the eyes – by the way for men and women.

historian of photography, Wädenswil/Switzerland


In der Sehschule der Lust

Wenn es im Folgenden darum geht, Thomas Karstens Aktaufnahmen der letzten 26 Jahren entlang der Geschichte der erotischen Fotografie zu verorten, so sollen auch die Vorläufer kurze Erwähnung finden. Der nackte Körper war seit je Projektions-
fläche für kulturelle Verkleidungen. Er war und ist Werkzeug und Material zur Ver-wirklichung eigener Vorstellungen. Bereits gleich nach der Erfindung der Fotografie war die Abbildung der Nacktheit eine Sensation. Kein anderes Medium gestattete diese Abbildungspräzision; der Körper war zum Greifen nah. Um 1840 entstanden vor allem in Paris Daguerreotypien. Dabei wurden in Zusammenhang der Nacktheit immer wieder zwei Objekte mitinszeniert: das Bett und der Schleier. Unschwer lässt sich erraten, dass mit den Bildern auf die bürgerliche Hochzeitsnacht angespielt wurde; endlich durfte der Mann den Schleier wegrücken, um ins gelobte Land vorzustoßen.

Um 1860 fotografierte E. J. Belloc das Personal diese Verführung im Bordell (Storyville-Porträts. Köln 1978). In den Gesichtern der nackten Pariserinnen ist kaum ein Hauch von Scham zu lesen. Vielmehr haben sie ein professionelles Gespür für die Sehnsüchte des Mannes, als ob sie zurufen wollten: «Komm, Kunde, spiel mit mir. Ich bin dein begehrtes Schmuckstück».

Die Künstler hörten aufgrund ihrer Lebensweise gerne den Sirenengesang; auch sie opponierten als Freigeister gegen das prüde Zeitalter der englischen Königin Viktoria. Aber weil es nicht überall echte Modelle gab, um die akademische Kunst zu verfolgen, orientierte man sich an so genannten Etuden. Diese professionell hergestellten Aktstudien von Frauen und Männern waren der Ersatz, um die Körperkunst griffig zu malen. So wurde Heft um Heft mit nackt Posierenden hergestellt, wobei die männliche Schamgegend zauberhaft retuschiert wurde. Kurze Zwischentexte in Französisch, teilweise mit englischen und deutschen Übersetzungen, erläuterten die Einteilung. So hießen die Kapitel u. a.: L´esthétique féminine, Sentiments humains, Les états d´âme, Sensations humaines, Formules antiques, Formules modernes, La couleur, L´inconscient, Sentiments de tristesse, Sentiments de bonté, Sentiments de piété, Sentiments de chasteté, Sentiments d´impudeur, Sentiments de douceur… 
(A. Vignola: L´étude académique. Recueil de documents humains. Paris 1904). Diese monatlich erscheinenden Hefte hatten für die damalige Zeit einen ähnlichen Zweck wie heute Erotikmagazine; sie waren die weiche und deshalb öffentlich zulässige Variante der visualisierten Triebe. Bereits seit 1880 gab es nämlich eine blühende, unter dem Laden-
tisch gehandelte Pornografie.
Im 20. Jahrhundert wird die Nacktheit öffentlich. Die Reformen hinsichtlich Kleidung – raus aus den Miederwaren, hinein in weiche, fließende Alltagsbekleidung – machten die Menschen mutig und übermütig. Nach dem Ersten Weltkrieg lebte man wild und tänzerisch in städtischen Revuetheatern. Man erregte sich am akustisch untermalten Reigen aufgereihter und freizügiger Soubretten, gerüschter Grisetten und swingenden Majoretten, denn sie trugen durchsichtige Batisthemdchen, knisternde Chiffonhöschen oder spitzenbesetzte Haremshosen. Albert Arthur Allen realisierte in dieser Zeit 28 Mappenwerke mit 8 bis 100 Originalfotos, die er an Kunden verschickte. In der Mappe «The Model» (1925) bewegen sich sechs, sieben völlig nackte Frauen vor einem gemalten Treppenaufgang. Allens choreografischer Reigen nahm die von Rudolf Steiner begründete Eurythmie in seine Fotos auf (Premiere Nudes. Santa Fe 2001).
Anderseits gründeten extrovertierte Stadtmenschen Künstlerkolonien und wurden zu Naturisten. Diese spielten in der Natur, gestalteten Ausdruckstänze und ertüchtigten sich durch Sport, bis im Nationalsozialismus die Freiheit des Körpers eingeschränkt wurde. Kraft durch Schönheit pervertierte den Körper zum Instrument der Ideologie. Der Körper durfte sich nicht mehr sinnlich geben, sondern musste nach totalitären Normen der Leibeszucht funktionieren. Es galt ihn zu stählen für Reproduktion und Kriegswirtschaft.
Die individuelle Körperdisziplinierung und -normalisierung war immer auch mit der biopolitischen Regulierung der Gesellschaft verbunden. So hatte die Nacktheit des Körpers, die Ansicht auf und die Einsicht in den nackten Körper, die Funktion, eugenische und rassenhygienische Zielvorstellungen zu erfüllen. Um einen degene-
rierten Nachwuchs zu verhindern, sollten sich potentielle Ehepartner vor der Hochzeit gegenseitig nackt mustern und dabei die Schönheits- wie Entartungszeichen am Körper des andern studieren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war es nicht an Europa, angesichts des nackten Grauens die Wohlgefälligkeit des nackten Frauenkörpers vor die Linse zu rücken. Nur langsam fand man sich wieder. Einerseits kam der Striptease auf, womit die Schaulust domestiziert wurde. In der Aktfotografie versuchte man sich in stilisierten Schwarzweiß-Akten mit hart kontrastierendem Studiolicht. Frauen bestanden aus Schemen, Konturen und Lichteffekten. Auf und in dänischen und schwedischen Postillen wie «Piff», «Raff», «PinUp», «Kavalkad» oder «Paris–Hollywood» waren ab Mitte der Fünfziger Jahren erste nackt gemalte, später fotografierte Pin-ups zu sehen: blond, cool, clever, on the cover. Die 2. sexuelle Revolution brachte das, was Hugh M. Hefners «Playboy» seit seinem Erscheinen im Dezember 1953 propagierte, dass Sex weder peinlich noch sündhaft sei, sondern eben eine große, individuelle, reuelose und – entscheidend für die kommerziellen Mainstream-Medien – visuelle Lust (Bill Brandt: Nudes 1945–1980. London 1982). Die Studien des Insektenforschers Kinsey zu den sexuellen Gewohnheiten von Männern und Frauen stützten diese Einschätzung.

Bis Ende der 1960er Jahre war die westliche Gesellschaft dann sehr mit «Schmuddelbildern» unterwandert und mit Sexualität getränkt, so dass die freie Liebe kaum mehr auf Widerstand stieß. Die Blumenkinder frönten der Lust und kosteten die Liebe. Aktfotos waren grobkörnig, ekstatisch, bisweilen frech und verzerrt mit Weitwinkel und Fischauge-Objektiv (Marc Attali: Attali. Paris 1971). Es spielte bei diesem Sex à gogo keine Rolle, ob die Zehennägel dreckig oder die Haare fettig waren. Nur die Aufklärung der Kinder und Jugendlichen hatte in Will McBride, allen bürgerlichen und kirchlichen Zensoren zum Trotz, einen wunderbar sensiblen Lehrer (Lexikon der Sexualität. Wuppertal 1970; Sexualität des Menschen, Wuppertal 1971; Zeig mal! Wuppertal 1974; Zeig mal mehr! Weinheim/Basel 1988). Anfang der 70er Jahre wandten sich dann viele dem Video zu.
Helmut Newton weckte das hinsichtlich Aktfotografie flaue Jahrzehnt mit einem Eklat und läutete eine kulturell sehr produktive Periode ein. Er scheute nicht davor zurück, seine im Stil des Großbürgertums exquisit angezogenen Models in Korsette zu quetschen, sie an Bettpfosten zu binden oder sie als Pferdchen mit Sattel und Steigbügel auszurüsten (Helmut Newton: Sleepless nights. New York 1978). Damit war der Startschuss gesetzt, Nacktheit in allen erdenklichen Spielarten zu inszenieren, eine Einwilligung der Models vorausgesetzt (Christian Vogt: In Camera. 82 Fotografien mit 
52 Frauen. Schaffhausen 1982; David Bailey: Nudes 1981–1984. London 1984). In allen Be-reichen drängte man auf den Markt, die Produktion wuchs schnell und diversifizierte sich: Aktfotografie draußen in Wald und Wasser (John Swannell: Naked Landscape. London 1986; Howard Schatz: Waterdance. San Francisco 1995), im persönlichen, bisweilen sozial kranken Umfeld zur Dokumentation und Verarbeitung des Erlebten (Nan Goldin: Die Ballade von der sexuellen Abhängigkeit. Frankfurt/M. 1982), aber auch als Beziehungsversuch lesbischer Lebensweisen (Diana Blok/Marlo Broekmans: Invisible forces. Amsterdam 1985; Krista Beinstein: Obszöne Frauen. Wien 1986).

Die klassischen Vorbilder fanden sich 1986 in einer großen Schau in München zusammen. In der Ausstellung «Das Aktfoto. Ästhetik Geschichte Ideologie» wurde erstmals die Fotografie in ihren erotisch-sexuellen Spielvarianten diversifiziert: Foto- und Werbekunst, Amateur- und Ethnofotografie, Akademien und Daguerreotypien, Männerakte und Playmates. Sogar ein Pornokämmerlein – zuerst frei zugänglich, nach ein paar Wochen bewacht und mit Vorhängen abgetrennt – wurde eingerichtet und das Kleinformatige aus Opas Pornoatlas gezeigt. 
Weil die Kamera ein Mittel der Dokumentation ist und diese Bilder selbstverständlich auch einen Betrachter von außen imaginierten, wurde das Modische, das Ästhetische aufgewertet. Gute Bilder entstanden nur mit dem guten Körpergefühl. Man wollte sich nur ungezwungen zeigen, wenn Geist und Körper eine Einheit bildeten und es zuließen, aus sich heraus und vor die Kamera zu treten. Während im deutschen Osten von Gundula Schulze noch nackte, heruntergewirtschaftete und ausgemergelte Körper der sozialen Planwirtschaft fotografiert wurden (In: Der Alltag, Zürich 1986), driftete man im deutschen Westen längst zum Ästhetizismus. Aktfotografieren konnte und wollte jeder, doch nicht jeder hatte Stil und Charme, denn der fotografische Selbstfindungsprozess war eine Vertrauenssache (Thomas Karsten: Thomas – mach ein Bild von uns. München 1988). Die Aktfotografie brach mit der Anonymität; die Personen wurden fortan zumindest mit dem echten Vornamen individualisiert (Jeanloup Sieff: Torsi. München 1986). Nicht der reizende Körper stand im Vordergrund, sondern die unverwechselbare Identität. Die Mischung aus sozialer Befindlichkeit und natürlicher Nacktheit ergab das Aktporträt (Ingo Taubhorn: Mensch Mann. Schaffhausen 1986), bisweilen mit juristisch heikler Zielgruppe (Jock Sturges: The last day of summer. New York 1991). Freunde und Bekannte wurden eingeladen, für den Fotografen, aber auch für sich zu posieren und dies vielleicht als Sprungbrett in die Modeszene zu nutzen (Bettina Rheims: Modern Lovers. Heidelberg 1990).

Während die Bestandesaufnahme aus München in Europa tourte, ‹sterilisierte› die Angst vor Aids die erotischen Bilder. Sex wurde aseptisch: rasierte Geschlechts-organe, klinisch ausgeleuchtete Interieurs, Leder und Latex. Unter den künstlichen Häuten trug man noch versteckt ein Piercing, ein Tattoo und gar Intimschmuck. Die zarten Sklavinnen posierten mit all den Relikten der Punkzeit wie Metallketten, genietete Halsbänder und zerschlissene Stofffetzen dennoch selbstbewusst, wenn auch unnahbar (Robert Chouraqui: Tendres Esclaves. Paris 1990). Das Martialische war aber nicht neu, sondern war Bestandteil der Subkultur, die Charles Gatewood seit 1970 packend einfing (Primitives. New York 1992; The body and beyond. New York 1993; Forbidden photographs. New York 1995). In seiner Folge stehen Fotografen wie Housk Randall (The customized body. London 1996), Michael A. Rosen (Sexual Art. Paris 1994) und Yan Morvan (Mondosex. Paris 1995), die dem total geschmückten und malträtierten Körper, dessen Trägern und deren sozialem Umfeld Publikationen widmeten. 
Die 1990er Jahre brachten also die Früchte des fotografischen Exploit des voran-gehenden Jahrzehnts, bei dem Fotograf und Modell Partner wurden und nicht selten zur Paarung bereit waren. Die Aktfotografie spielte alle Register. Die berühmte Sexaktivistin Annie Sprinkle ließ ihre Kolleginnen witzige Personnagen aus Film und Unterhaltung nachspielen (Post porn modernist. Amsterdam 1991). Die immer härter auftretende S/M-Szene fand ihre Verfechter in Gilles Berquet (Ame. Paris 1992) und Guy Lemaire, die den nackten Körper allerlei Verrenkungen machen ließen und dessen Spielraum bis zum Stillstand einengten (Corps à cordes. Paris 1992; Photographies? Brüssel 1993; Transes d´images. Brüssel 1993). André Rival seinerseits gestattete seinen Modellen absoluten Freiraum, die diesen selbstbewusst zu nutzen wussten (100 Frauen Selbstansichten. Kilchberg 1995).


Und von Japan her trat ein Fotomaniac auf die europäische Fotobühne, der jede Frau flach gelegt oder an Seilen aufgehängt haben wollte (Nobuyoshi Araki: Tenshi-Sai. Tokyo 1992; Erotos. Tokyo 1993). Zwar war Bondage dank der zwischen 1948 und 1959 unregelmäßig erscheinenden Zeitschrift «Bizarre» bekannt, doch wurde sie in unseren Breitengraden kaum zur sexuellen Stimulation angewandt. Wo es keinen Widerstand mehr gab, galt der Schmerz als untrügliches Zeichen, dass man einen Körper hat. Ein Fürsprecher von Fesselungen nahm diese ins Inventar des sexuellen Erlebens (John Willie: Portfolio. Van Nuys 1987). Überhaupt unterlag der Körper einem zunehmenden Fetischismus, der auch deviante Sexpraktiken bekannt machte und popularisierte (Eric Kroll: Fetish Girls. Köln 1994; Eric Kroll: Beauty Parade. Köln 1997; David Wood: Torture Garden – from bodyshocks to cybersex. London 1996; Karo: Fetish Scenes. Berlin 1998). Den exaltierten Fotografien gegenüber war die normale Aktfotografie ein aussterbendes Genre, dem wenigstens Greg Friedler mit Konzept begegnete; er fotografierte gewöhnliche Leute in den Straßen der Metropolen angezogen und nackt (Naked New York. New York 1997; Naked Los Angeles. New York 1999; Naked London. New York 2000).
Die Verspieltheit im vertrauten Raum machte vieles möglich, vor allem unter Frauen (Krista Beinstein: Gewaltige Obsessionen – Mysterien sexueller Phantasie. Tübingen 1992; Rituale der Begierde. Tübingen 1993). Frau genierte sich nicht mehr, erregt zu sein, denn Mann und Frau waren selbstverliebt und fast mehr an sich als am anderen interessiert (Thomas Karsten: Lust an sich. Tübingen 1995). Der Körper wurde erst an der Oberfläche tatöwiert, schließlich gepierct. Ohrläppchen, Augenbrauen, Lippen, Zunge, Brust und Scham wurden als erogene Zonen mit Metall gekennzeichnet. Bewusste Verletzungen der intakten Oberfläche kontrastierten mit einer Welt, die immer perfekter, heiler und risikoarmer wurde. Auf der einen Seite wurden Zahnstellungen korrigiert, Muttermale weggeschnitten, Haare und Härchen entfernt, auf der andern Seite wollte man sich spüren; unter dem Vorwand von Schmuck oder Rebellion wurde der Körper wieder in seiner Unversehrtheit manipuliert. Extrem verschworene Frauenzirkel lieferten sich gegenseitig aus und spielten mit Nadeln und Blut (Claire Garoutte: Matter of trust. Tübingen 1996).
Doch bei allen Praktiken vor der Kamera dominierte in den 1990er Jahren der Unterhaltungseffekt (Ralf Vulis: Crazy Sexy Girls. München 1997). Die Spaßgesellschaft befeuerte eine Aktfotografie, die sich neue Freiheiten nahm. Man spielte, probierte, kokettierte, und zwar weltweit (Gérard Rancinan: Urban jungle. Voyage au pays de l´homme. Paris 1999). Die Kamera war seit je ein Kommunikationsmittel. So entstanden ein von Liebe durchtränktes Werk von Floris Leeuwenberg (Twogether. Momentaufnahmen einer Liebe. Zürich 2001) oder die Fotografen huldigten ihrer schönen Muse (Petter Hegre: Meine Frau. Schaffhausen 2001; Thomas Karsten: Days of Intimacy. Tübingen 2003). 

Die Offenheit gegenüber sexuellen Praktiken und deren Abbildungen, aber auch die Miniaturisierung und Digitalisierung der Technik ließen neue Bilder entstehen. Die Kleinheit der digitalen Kameras machte zudem die Sicht durch die Optik obsolet. Die vom Auge abgekoppelte Kamera fand praktisch auf dem Zeigefinger Platz. Sie war faktisch der digitale Dildo, der in alle Körperöffnungen vordringen konnte. Diese beinahe medizinische Vaginal- und Koitalskopie revolutionierte die üblicherweise von außen gestaltete Aktfotografie (Natacha Merritt: Digital diaries, Köln 2000). Dass der sexualisierte Körper und vor allem dessen sexualisierte Teile viel stärker als Ware, als Masse, als Skulptur wahrgenommen werden, zeigt uns auch Terry Richardson in seinen unzimperlichen Pornofotografien (Terryworld. Köln 2004; Kibosh. Bologna 2004).

Die neuen Motive sickerten ins allgemeine Bewusstsein, von wo sie immer jüngere Schichten erreichten (Thomas Karsten: Heute nackt. Berlin 2003). Knallbunte Interieurs (Lee Higgs: Fetish. Frankfurt/M. 2000), Exzesse mit Nahrungsmitteln (Charles Gatewood: Messy Girls! Frankfurt/M. 2002) oder die Unordnung in den eigenen vier Wänden (Peter Gormann: Naked rooms. Frankfurt/M. 2002; Stripped naked. Frankfurt/M. 2004) waren das Dekor, um sich vor der Kamera zu befriedigen und sich sauwohl zu fühlen. Der fotografische Quickie wurde Teil einer exhibitionistischen Freizeitkultur, die mit der Publikation ‹geiler›, also aufsässig-erregender Bilder ihren Abschluss fand (Katharine Gates: Deviant desires – incredibly strange sex. New York 2000). Ob die infantilen Vertreterinnen der Girlie-Bewegung mit Schnuller und Windeln Babys imitierten (Polly Borland: The Babies. New York 2001) oder gleich in der Öffentlichkeit in die Hosen machten (Amanda James/Paul Compton: Feminine Anarchy – Girls pissing in public. München 2003), ein Fotograf war immer zur Stelle, der mit den Bildresultaten eine fetischisierte, teilweise sexsüchtige und neurotisierte Gesellschaft bediente.

Aktfotografie hat bisher bis auf wenige Ausnahmen (Monika Faber: Die Frau, wie du sie willst. Glamour, Kult und korrigierte Körper. Atelier Manassé 1922–1938. Wien 1998) kaum je einen inszenatorisch hohen Aufwand betrieben, denn die Modellierung der Nacktheit mit geschickter Lichtführung in einem gegebenen Setting war ausreichend. In den letzten Jahren ist aber verstärkt zu beobachten, dass für die Aktfotografie erzählerische Szenerien gebaut werden. Nach Anfängen in den 1950er Jahren (Zoltan Glass: Neue Wege der Aktfotografie. Schorndorf 1955) galt der Tscheche Jan Saudek mit seinen handkolorierten Interieurs, in denen sich das Leben als Theater spiegelte, als Erneuerer (Il teatro della vita. Monza 1981; Photographs. Genf 1983). Ein Jahrzehnt später wurde das Genre von Olaf Martens wiederbelebt, der geistig aus Ostdeutschland in den Westen ausgereist war; nur jemand auf Konsumentzug konnte die bunte Warenwelt so kongenial mit den Schönen der Nacht verquicken (Fotografien. Kilchberg 1994; Frostiges Feuer. Kilchberg 1996). Aus Frankreich gesellte sich Alexandre Dupouy dazu, der feine Szenen in Boudoirs und Serails wieder auferstehen ließ (Scènes d´interieur. Tübingen 1995; Scènes orientales. Tübingen 1998; Scènes libertines. Tübingen 2003). Die Tableaus von John Santerineross waren mit den Versatzstücken von Mystik und privater Mythologie besetzt, in denen sich der weibliche Körper verlor (Fruit of the secret god. New Jersey 1999; Dream. Kearny 2004). Tony Ward orientierte sich an der szenischen Form der lebenden Bilder, die er mit grobkörniger Pornografie füllte (Obsessions. Thalwil 1998; Tableaux vivants. Thalwil 2002). Sehr interessant ist die Position des Japaners Izima Kaoru, der seine Modelle in den fiktiven Suizid schickte, um sie als gefallene Mädchen, angezogen mit Designerkleidern, ablichten zu können 
(20 landscapes with a corpse. O.O. 1999; Landscapes with a corpse 1999–2000. Friedrichshafen 2001; Landscapes with a corpse 2000–2001. London 2002). Auch die Menschenteppiche, ja die mit nackten Körpern konstruierten Landschaften von Spencer Tunick sind hier zu erwähnen, weil der Körper wieder so gebraucht wird wie am Anfang der Fotogeschichte, als Material. Das Skulpturale versammelter Körper, jenseits des Orgiastischen, ist ein aktueller Knotenpunkt der Aktfotografie. Das performative Element, also ein bewusster Zeigegestus, findet sich bei Vanessa Beecroft (Fotografien, Filme, Zeichnungen. Ostfildern-Ruit 2004) oder auch in den musealen, äußerst spektakulären Installationen von Atta Kim (The museum project. New York 2005). Da und dort werden die gedruckten Fotografien entweder mit Filmschnipseln auf dvd angereichert (Roy Stuart: The Fourth Body. Köln 2004) oder aus den Kontaktbogen künstlerisch animiert (Thomas Karsten: Yvette. Vevais 2005).

Das autonome Ich flottiert heute frei im subjektiv determinierten Beziehungsraum, den ein ausdifferenzierter Körper- und Erotikmarkt für alle Geschmäcker und Minoritäten bedient; das populäre Jahrbuch «Mein heimliches Auge», ein Schrittmacher in Sachen Körperfreiheit, feiert 2005 die zwanzigste Nummer. Die pure Aktfotografie hat zwar da und dort noch ein künstlerisches, für bestimmte Lebensabschnitte wichtiges Reduit (Ralf Mohr: Family nudes. München 2001; Günter Rössler: Sequenzen. Frankfurt/M. 2002; Hans Neleman: Night chicas. New York 2002; Ralf Mohr: Schwanger. München 2003; Timothy Greenfield-Sanders: XXX 30 Porn-star portraits. New York 2004), doch der Bedarf nach immer neuen, chirurgisch vervollkommneten oder digital perfektionierten, vor allem aber jungen Gesichtern und Körpern ist seit Jahrzehnten ungebrochen (David Hamilton: Seine besten Bilder 1965–1990. München 1992; Richard Kern: Model Release. 
Köln 2000; Grigori Galitsin: Galitsin´s angels from Russia with love. München 2005). Männliche und weibliche Sexualität braucht die Vorbilder für den visuellen Verzehr, um beim Augen- und Gaumenschmaus die eigene Sexualität zu erlernen (Jean van Cleemput: Beluga. Frankfurt/M. 2004). Das mechanische Formenspiel – ohnehin lassen die je vier Glieder von Mann und Frau nicht allzu viele Kombinationen zu – reicht längst nicht mehr aus, um Auge und Geist zu befriedigen. Immer ist es die kulturelle Einbettung der Aktfotografie, mit der sich die Zeit und ihr Befindlichkeit kommentieren und später analysieren lässt. Und das wird so bleiben.

Fritz Franz Vogel, Fotohistoriker, CH-Wädenswil

Der Fotohistoriker FRITZ FRANZ VOGEL
(*1957), Dr. phil., lebt in CH–Wädenswil. Er arbeitet seit 1992 produktiv, kooperativ und interdisziplinär in den Medien Text, Fotografie und Buch (Herstellung und Herausgeberschaft). Forschungen, Publikationen und Ausstellungen in den Bereichen inszenierte und dokumentarische Fotografie, populäres und freies Theater, Alphabete und visuelle Kommunikation, Körperbilder und Erotica. Seine Lizentiatsarbeit schrieb er über erotisch-pornografische Privatfotografie, seine Dissertation über inszenierte Fotografie von 1840 bis 2005. www.fritzfranzvogel.ch


Trained Desire

If the following is about placing Thomas Karsten´s nude photographs from the past 30 years alongside the history of erotic photography, then the precursors must also be mentioned. The naked body has always been a projection surface for cultural disguising. The body was and still is tool and material for the fulfilment of personal ideas. The illustration of nakedness was already a sensation directly after the invention of photography. No other medium allowed such precision of an illustration; the illustrated body was as if it had come to life. Around 1840 mainly daguerreotype photographs were taken in Paris in which two objects were repeatedly brought into play in connection with the nudity: the bed and the veil. It is not hard to guess that these pictures were alluding to the bourgeois wedding night; finally the husband was allowed to lift the veil to push forward into the Promised Land.

About 1860 E. J. Belloc photographed the staff of a seduction in a brothell (Storyville-Portraits. Cologne 1978). There is not a trace of shame to be found in the faces of the naked Parisian women. In fact they actually have a professional sense for man´s longings, as if they were calling out: «come, customer, play with me. I am your desired gem».

Because of their lifestyle, artists liked to hear the siren song; As freethinkers they too offered opposition to the prudish age of Queen Victoria. But because there weren´t always actual models at hand in order to pursue the academic art they orientated towards so called etudes. These professionally set up studies of men and women were the substitute to illustrate the body art pithily. And so one booklet after the next was filled with naked models, the male pubic region having been retouched charmingly. Short inserted texts in French, some with English or German translations, explained their different parts. So some of the chapters were called: L´esthétique féminine, Sentiments humains, Les états d´âme, Sensations humaines, Formules antique, Formules modernes, La couleur, L´inconscient, Sentiments de tristesse, Sentiments de bonté, Sentiments de piété, Sentiments de chasteté, Sentiments d´impudeur, Sentiments de douceur … (A. Vignola: L´étude académique. Recueil de documents humains. Paris 1904). These monthly published booklets had a similar purpose as do the erotic magazines today; they were the soft and for this reason publicly approved version of visualised desires. Given that since 1880 there was already a flourishing pornography business sold under the counter.
In the 20th century nakedness turns public. The reforms concerning attire – out of the girdle and into soft, flowing clothes for everyday wear – made the people courageous and cocky. After the First World War one lived wild and dance-like in state revue theatres. One was aroused by the acoustically accompanied round dances of lined up and permissive soubrettes, frilled grisettes and swinging majorettes for they were dressed in see-through batiste tops, rustling chiffon trousers or harem panties with lace borders. During this time Albert Arthur Allen created 28 folders filled with 8 to 100 original photos which he sent to customers. In the folder «The Model» (1925) six or seven completely naked women are moving around in front of a painted staircase. Allen´s choreographed round dance included Rudolph Steiner´s established Eurhythmy in his photos. (Premiere Nudes. Santa Fe 2001).
Alternatively extrovert city persons founded artist colonies and became naturists who played in nature, created free dances and kept fit by doing sports until the freedom of the body was restricted by the Nazism. Strength by the means of beauty perverted the body into an instrument of the ideology. The body was no longer allowed to be sensual, but had to function according to totalitarian norms of the physical discipline. The body was to be toughened for reproduction and war-economy.
The individual disciplining and customisation of the body was also always connected to the bio-political regulation of society. Therefore the nakedness of the body, the view from and within the naked body, had the purpose of fulfilling eugenical objec-tives. In order to prevent degenerated offspring, potential couples were supposed to examine each other naked before their wedding and inspect the beauty marks as well as signs of degeneration on each other´s bodies.

After World War Two it was not up to Europe to bring the pleasantness of the naked female body in front of the lens in the face of the bare dreadfulness. Only very slowly did one find back to oneself. Striptease appeared which domesticated the voyeuristic desire. In nude photography one tried one´s hand at stylised black and white nudes in hard contrasting studio lights. Women consisted of silhouettes, outlines and light effects. As of the middle of the fifties, at first painted, later photo-graphed naked pin-ups were to be seen on and in Danish and Swedish booklets like «Piff», «Raff», «PinUp», «Kavalkad» or «Paris-Hollywood»: blond, cool, clever, on the cover. The second sexual revolution brought with it what Hugh M. Hefner´s playboy propagated since its first publication in December 1953 namely that sex is neither embarrassing nor sinful but a great, individual, unrepentant and – decisive for the commercial mainstream media – visual desire (Bill Brandt: Nudes 1945–1980. London 1982). The studies of the insect researcher Kinsey about the sexual habits of man and woman supported this idea.

Up until the end of the 1960´s the Western society was now very well acquainted with these «filthy» pictures and drenched in sexuality that there was hardly any resistance put up to free love. The flower children indulged in desire and tasted love. Nudes were coarse-grained, ecstatic, fresh and distorted by the use of wide-angle and fish-eye lenses (Marc Attali: Attali. Paris 1971). With this kind of sex à gogo it didn´t matter whether toenails were dirty or hair greasy. Only the explanation of the facts of life to children and youths had found a wonderfully sensitive teacher in Will McBride, in defiance of all censors by the middle-class and the church (Lexikon der Sexualität. Wuppertal 1970; Sexualität des Menschen, Wuppertal 1971; Zeig mal! Wuppertal 1974; Zeig mal mehr! Weinheim/Basel 1988). In the seventies many people turned to videos.
Helmut Newton shook up this weak decade in regard to nude photography with an éclat and rang in a culturally very productive period. He did not shy away from squeezing his models, exquisitely dressed in the style of the upper classes, into corsets, strapping them onto bed poles or equipping them with saddles and stirrups like horses (Helmut Newton: Sleepless nights. New York 1978). With this the door was opened to produce nudity in all imaginable varieties, as long as the models agreed to it (Christian Vogt: In Camera. 82 Fotographien mit 52 Frauen. Schaffhausen 1982; David Bailey: Nudes 1981–1984. London 1984). The market was flooded in this field, production grew rapidly and diversified itself: nudes outside in the forest and in the water (John Swannell: Naked Landscape. London 1986; Howard Schatz: Waterdance. San Francisco 1995), in a personal, now and then socially sick surrounding for the documentation and digestion of the experienced (Nan Goldin: Die Ballade von der sexuellen Abhängigkeit. Frankfurt/M. 1982), but also as an experiment on lesbian relationships (Diana Blok/Marlo Broekmans: Invisible forces. Amsterdam 1985; Krista Beinstein: Obszöne Frauen. Vienna 1986).
The typical examples were displayed at a big show in Munich 1986. In the exhibition «the nude photo. Aesthetic History Ideology» photography was diversified for the first time with all its erotic-sexual variations: photo and commercial art, amateur and ethno photography, academies and daguerreotypes, male nudes and playmates. Even a porno chamber was set up – at first open to the public but after a few weeks it had security and was divided off by curtains – where the small-format in grandpa´s porno atlas was shown.
Because the camera is a device for documentation and because these pictures obviously had an onlooker in mind, the status of the fashionable, the aesthetical was enhanced. Good pictures were only created with a healthy awareness of the body. One was only willing to show oneself naturally if body and soul formed an integrated whole and made it possible to come out of one´s shell and to go in front of the camera. While in East Germany Gundula Schulze was still photographing naked, neglected and emaciated bodies (In: Der Alltag, Zurich 1986), the West had already turned towards Aestheticism. Everyone was able and wanted to take nudes but not everyone had style and charm, for the photographic process of finding one´s self was a matter of trust (Thomas Karsten: Thomas – mach ein Bild von uns. Munich 1988). Nude photography broke with its anonymity; from then on individualization took place by at least using the model´s real first name (Jeanloup Sieff: Torsi. Munich 1986). Not the arousing body was the center of attention but the unmistakable identity. The mixture of social sensitivities and natural nakedness resulted in the nude portrait (Ingo Taubhorn: Mensch Mann. Schaffhausen 1986) from time to time with a legally-seen tricky target group (Jock Sturges: The last day of summer. New York 1991). Friends and acquaintances got invited to pose for the photographer but also for themselves in order to use it as a springboard into the fashion scene (Bettina Rheims: Modern Lovers. Heidelberg 1990).

While the inspection from Munich was touring Europe the fear of Aids ‹sterilized› the erotic pictures. Sex became aseptic: shaved genitals, clinically lighted interiors, leather and latex. Additionally underneath the artificial skin body piercings, tattoos and even intimate jewellery was hidden. The delicate slaves posed with all the relics of the punk period like metal chains, studded collars and ripped scraps of cloth nevertheless self-confident although inaccessible (Robert Chouraqui: Tendres Esclaves. Paris 1990). However the martial style was not new but was part of the subculture which Charles Gatewood has captured enthrallingly since 1970 (Primitives. New York 1992; The body and beyond. New York 1993; Forbidden photographs. New York 1995). His successors were photographers like Housk Randall (The customized body. London 1996), Michael A. Rosen (Sexual Art. Paris 1994) and Yan Morvan (Mondosex. Paris 1995), who dedicated publications to the fully decorated and maltreated body, their owners and their social environment.
So the 1990´s bore the fruits of the photographic outcome of the previous decade, in which the photographer and the model became mates and who were not at all averse to mating. Nude photography pulled out all the stops. The famous sex activist Annie Sprinkle let her colleagues play comical characters from movies and entertainment. The increasingly harder appearing S/M-scene found their supporters in Gilles Berquet (Ame. Paris 1992) and Guy Lemaire, who let the naked body do all kinds of contortions and its freedom to move was almost brought to a standstill (Corps à cordes. Paris 1992; Photographies? Brussels 1993; Transes d´images. Brussels 1993). For his part André Rival allowed his models total freedom, who self-confidently knew how to make use of it (100 Frauen Selbstansichten. Kilchberg 1995). And a photo maniac from Japan appeared on the European photo scene who wanted every model either to be laid up or hung up by ropes (Nobuyoshi Araki: Tenshi-Sai. Tokyo 1992; Erotos. Tokyo 1993). Bonding was known due to the between 1948 and 1959 irregularly published magazine «Bizarre» however it was hardly ever used for sexual stimulation in our Western hemisphere. Wherever there wasn´t any resistance, pain was regarded as a definite sign that one has a body. A promoter of bonding integrated it into his inventory of sexual experiences (John Willie: Portfolio. Van Nuys 1987). Anyhow the body was subjected to a growing fetish which also made certain sex practices known and popular (Eric Kroll: Fetish Girls. Cologne 1994; Eric Kroll: Beauty Parade. Cologne 1997; David Wood: Torture Garden – from bodyshocks to cybersex. London 1996; Karo: Fetish Scenes. Berlin 1998). Compared to the effusive photographs normal nude photography was a genre becoming extinct, which at least Greg Friedler responded to with a concept; he took photos of normal people in the streets of metropolitan areas dressed as well as undressed (Naked New York. New York 1997; Naked Los Angeles. New York 1999; Naked London. New York 2000).

The playfulness in a familiar realm made a lot possible, especially amongst women (Krista Beinstein: Gewaltige Obsessionen – Mysterien sexueller Phantasie. Tübingen 1992; Rituale der Begierde. Tübingen 1993). Woman was no longer self-conscious about being aroused because man and woman were narcissistic and almost more interested in themselves than in the other (Thomas Karsten: Lust an sich. Tübingen 1995). At first the body was tattooed, then eventually pierced. Earlobes, eyebrows, lips, tongues, nipples and private parts were marked with metal as erogenous zones. Deliberate injuries of the intact surface contrasted with a world which was getting more and more perfect, safe and sounder. On the one hand teeth were getting straightened, moles removed, hair and pubic hairs eliminated and on the other hand there is the urge to consciously feel one´s body. Under the pretext of jewellery or rebellion the body was once again manipulated in its intactness. Extremely sworn woman societies gave each other up and played with needles and blood (Claire Garoutte: Matter of trust. Tübingen 1996). 
Yet from all the practices in front of the camera in the 1990´s it was the entertainment effect which dominated the most (Ralf Vulis: Crazy Sexy Girls. Munich 1997). The fun society bombarded a kind of nude photography which took new liberties in playing, experimenting, flirting and this was done world wide (Gérard Rancinan: Urban jungle. Voyage au pays de l`homme. Paris 1999). From then on the camera was a means of communication and thus with love imbued work by Floris Leewenberg was created (Twogether. Momentaufnahmen einer Liebe. Zurich 2001) or the photographers rendered homage to their beautiful Muse (Petter Hegre: Meine Frau. Schaffhausen 2001; Thomas Karsten: Days of Intimacy. Tübingen 2003). 

Because of the openness towards sexual practices and their illustration but also the miniaturization and digitalisation of technology new pictures were able to be created. Also the smallness of the digital cameras made looking through a lens obsolete. The camera, uncoupled from the eye, practically found room on the fingertip. In fact the camera was the digital dildo which was able to reach every orifice of the body. This almost medical vaginal- and coitalscopy revolutionized nude photography which is usually external instead of internal (Natacha Merritt: Digital diaries. Cologne 2000). Also Terry Richardson shows us with his straightforward porno photographs that the sexual body and especially its sexualised body parts are regarded much more as merchandize, as a mass, a sculpture (Terryworld. Cologne 2004; Kibosh. Bologna 2004).

The new subjects sank into the consciousness of the public where they reached more and more younger people (Thomas Karsten: Heute nackt. Berlin 2003). Brightly coloured interiors (Lee Higgs: Fetish. Frankfurt/M. 2000), excesses with groceries (Charles Gatewood: Messy Girls! Frankfurt/M. 2002), or the mess in your own home (Peter Gormann: Naked rooms. Frankfurt/M. 2002; Stripped naked. Frankfurt/M. 2004) were the décor in which one masturbated in front of the camera and felt comfortable. The photographic quickie became part of an exhibitionist culture of amusement which came to an end with the production of horny, meaning obstreperously stimulating, pictures (Katharine Gates: Deviant desires – incredibly strange sex. New York 2000). Whether or not the childish representatives of the girlie-movement were imitating babies with pacifiers and pampers (Polly Borland: The Babies. New York 2001) or were directly wetting themselves in public (Amanda James/Paul Compton; Feminine Anarchy – Girls pissing in public. Munich 2003), a photographer was always at hand who supplied a fetish, partly sex obsessed and neurotic society with his results.

Nude photography has never before apart from very few exceptions (Monika Faber: Die Frau, wie du sie willst. Glamour, Kult and korrigierte Körper. Atelier Manassé 19221938. Vienna 1998) spent a lot of time on stage-management because the representation of nudity with a clever way of directing light in a given setting had been sufficient. But in the past few years it has become evident that narrative sceneries are being built for nude photography. After beginnings in the 1950´s (Zoltan Glass: Neue Wege der Aktfotographie. Schorndorf 1955) the Czech Jan Saudek was seen as a renovator with his hand painted interiors which mirrored life as a play (Il teatro della vita. Monza 1981; Photographs. Geneva 1983). The genre was revived a decade later by Olaf Martens who had mentally left East Germany for the West; only someone on consumption withdrawal was able to combine the colourful world of merchandise with the beauties of the night so congenially (Fotografien. Kilchberg 1994; Frostiges Feuer. Kilchberg 1996). Alexandre Dupouy from France joined him, who let fine scenes in boudoirs and serials rise again (Scènes d´interieur. Tübingen 1995; Scènes orientales. Tübingen 1998; Scènes libertines. Tübingen 2003). John Santerineross´ tableaus were equipped with the settings of mysticism and private mythology in which the female body got lost in (Fruit of the secret god. New Jersey 1999; Dream. Kearny 2004). Tony Ward orientated towards the scenic form of living pictures which he filled with coarse-grained pornography (Obsessions. Thalwil 1998; Tableaux vivants. Thalwil 2002). The position of the Japanese Izima Karou is very interesting, who made his models commit fictional suicide in order to take photos of them as fallen girls dressed in designer clothes (20 landscapes with a corpse. O.O. 1999; Landscapes with a corpse 1999–2000. Friedrichshafen 2001; Landscapes with a corpse 2000–2001. London 2002). Also the human carpets, those landscapes from Spencer Tunick made up of naked bodies should be mentioned here because the body is used again as material just like in the beginning of the history of photography. The sculptural of the assembled bodies, beyond the orgiastic, is a current nodal point of nude photography. The performative element, a conscious gesture of demonstration, is found in Vanessa Beecroft´s work (Fotographien, Filme, Zeichnungen. Ostfildern-Ruit 2004) and also in Atta Kim´s quite spectacular installations in museums (The museum project. New York 2005). Here and there the printed photos are either enriched by film clippings on dvd (Roy Stuart: The Fourth Body. Cologne 2004) or are artfully animated out of the contact prints (Thomas Karsten: Yvette.Vevais 2005).

Today the autonomous I floats freely in the subjective determined realm of relation-ships, which is being attended to by a differentiated body and erotic market for every taste and minority; the popular yearbook «Mein heimliches Auge» («My secret eye»), pacesetter in matters of freedom of the body, is celebrating its 20th anniversary in 2005. Hither and thither pure nude photography still takes up artful, for certain phases of life important time (Ralf Mohr: Family Nudes. Munich 2001; Günther Rössler: Sequenzen. Frankfurt/M. 2002; Hans Neleman: Night chicas. New York 2002; Ralf Mohr: Schwanger. Munich 2003; Timothy Greenfield-Sanders: XXX 30 Porno-star portraits. New York 2004), however the «need» for ever new, surgically perfected or digitally idealized, predominantly young faces and bodies has been unbroken for decades (David Hamilton: Seine besten Bilder 1965–1990. Munich 1992; Richard Kern: Model Release. Cologne 2000; Grigori Galitsin: Galitsin´s angels from Russia with love. Munich 2005). Male and female sexuality needs examples for the visual consumption to facilitate discovering the own personal sexuality during this feast for the eyes and taste buds (Jean van Cleemput: Beluga. Frankfurt/M. 2004). The mechanical game of forms – anyway each of the four limbs of men and women limit the possibilities of combination – is no longer enough to satisfy the eye and the soul. It is always the cultural embedment of the nude photography which can be used to commentate on and later analyse time and its sensitivities. And it will always be like this.

2005 · Colors of Sex

176 Seiten 
180 Abbildungen
Großformat 24×30 cm,
schweres Bilderdruckpapier,
durchgehend vierfarbig
Hardcover
Fotobuch mit einem Vorwort von Alexander Scholz
Texte: Deutsch und Englisch
Preis: 49,90 Euro
ISBN: 3-7658-86007-7
Bucher Verlag in der Reihe „Lounge“, 2005

direkt hier bestellen: info@thomaskarsten.com

Vorwort
Erotic Style Goes Pop – 
ein freudiger Videoclip in Buchform

Viele der Werke von Thomas Karsten sind inzwischen Klassiker der modernen Fotografie geworden. Dabei geht es um das sagenumwobene Spannungsfeld zwischen erotischen Momenten und „hoher“ Kultur. Die Erotik ist das Stiefkind der Kunstform Fotografie, so wie die Fotografie bis ins letzte Jahrhundert hinein fragwürdiges Stiefkind der Bildenden Kunst war. Das erscheint nicht verwunderlich, ist doch die Erotik bislang Bestandteil einer langen, vordergründigen Tradition billiger Magazine und steht seit jeher unter der Geisel der Werbeindustrie, die den nackten Körper aus der nie endenden Lust der Konsumenten in der abendländischen Kultur vergewaltigt.

Thomas Karsten ist seit über 20 Jahren vielen als Schwarz-Weiß Ikonograph der Aktfotografie bekannt. Grund genug für ihn, einen neuen Weg einzuschlagen. Als ich das erste Mal seine Bildauswahl für dieses Buch betrachtete, war ich erstaunt, wie sehr ihm auf einmal die Farbe dazu verhalf, zwischen stilsicherem Porträt und grenzüberschreitender Offenheit zum intimen Abbild des sonst in der erotischen Fotografie (oder besser gesagt in der Aktfotografie) versteckten Geschlechts zu wechseln, um dabei noch schärfer und genauer darzustellen als jemals zuvor. Sein klassischer, sein Thomas Karsten Stil in einem neuen Gewand, in einem bunten Gewand, wobei natürlich die Farbe sowohl aus kulturhistorischer als auch aus rein technischer Sicht ein Thema für sich ist. Oft hört man ja das Urteil, dass durch das Schwarz-Weiß eine Abstraktion entsteht, die Raum für Geheimnisse lässt, zum Träumen auffordert. Damit scheinen sich tatsächlich bestimmte Klischees und Vorurteile um Farbigkeit bzw. Schwarz-Weiß zu erklären. Macht also Farbe die Realität wahrhaftiger im Abbild? Das ist einerseits ein Ammenmärchen, aber andererseits wahr. Aber ist das Wahre damit das Schönere? Ist das Verträumte verklärter in Schwarz-Weiß, ist das jetzt noch ein Thomas Karsten?

Die Schnitte und Einblendungen sind großartig – das Gesicht das immergegenwärtige Detail; das Überweibliche, das Weltliche, die Bäume, die Topographie der Städte kommen dank der Farben hinzu und erscheinen dominanter in diesem Buch. Die Bilder wirken auf seltsame Art gestylt. Das liegt an dem jetzt in das Foto einbezogenen Raum.

Der Thomas Karsten Raum besticht eigentlich durch Leere. In diesem Buch erhält er eine neue Relevanz, aber es geht nicht um ein Tuch, die Karibik oder eine alte Mauer, diesem Irrtum sollte man nicht verfallen, es gilt, ein lyrisches Konstrukt zu kreieren, in dem dann doch das Wesentliche, die Frauen prägend bleiben. Hinter der Wahl zum Raum steckt kein System, er sucht das Einfache, das ganz Einfache, das wiederum zu den Frauen passen muss, ohne dass sie sich vertraut aber wohl fühlen sollen, denn allzu oft ist das Vertraute nicht genau das, was uns befreit, sondern vielmehr einsperrt.

Immer geht es um die Schönheit der Frauen; schön sind sie alle, egal ob sie nun tatsächlich einem bestimmten Ideal entsprechen oder nicht. Das ist auch genau das, was jegliche moralische Zwiespältigkeit über den Haufen wirft. Schön sind sie alle, vielleicht nicht schön für mich oder Sie, lieber Leser, für sich ein Ideal, nicht begehrenswert, erotisches Ziel, nicht aufreizend – natürlich belassene Menschen voller Stolz, Würde und Freude an sich selbst. Das kann zu einem Lebensziel werden, den Genuss an sich, den Stolz auf sich selbst und die erotische Lust, jene Antriebskraft, die alle schönen, teuflischen und großartigen Ergebnisse der Menschheit schuf, in Bildern zu erhalten.

Thomas Karsten wagt es, und seine Modelle wagen es sich in diesem Sinne, sich bei ihm in dieser Doppelbödigkeit porträtieren zu lassen bis hin zur genannten offenkundigen Wechselbeziehung zwischen Porträt der Augen und Porträt der Scham, des Geschlechts. Und wir alle lieben Geschlechter, zarte Falten, das Versteckte. 

Oft habe ich nun schon, seitdem ich Thomas Karsten kenne, darüber nachgedacht, was ihn antreibt, sie alle, die Schönen und auch Hässlichen, so offen zu sammeln, sie zu animieren, sich, seiner Kunst zu öffnen und dabei ganz bei sich Selbst zu sein. Immer klarer zeichnet sich das Ziel eines Predigers ab: gesellschaftlicher Fortschritt mit Hilfe formsprachlicher Zwiespältigkeit, die die allgemein geltenden Moralvorstellungen in uns in Frage stellt. Das ist kulturgeschichtlich nichts Neues, aber mit Thomas Karstens Werk macht es dem Betrachter und auch den Modellen Spaß, an einer neuen Gesellschaft mitzuformen, die endlich mit allen körperlichen und sexuellen Heimlichkeiten im Sinne von Vorurteilen aufräumt. So führen heute Thomas Karsten und einige seiner Kollegen wie Richard Kern, Roy Stuart oder Petter Hegre eine gemischte Tradition aus „billiger“ Kultur, die durch die aufkeimende Selbstvermarktung mithilfe neuer Verlagsstrukturen oder Medienpräsenz wie bei Natacha Merritt (die mittels ihres Internetauftritts zum Star wurde) geprägt ist, und „hoher“ Kultur, die sich durch die Selbstinszenierungen Cindy Shermans, durch die „pornographischen“ Bilder Jeff Koons’, durch die aus der Privatheit kommenden Bilder von Nan Goldin oder durch die hochstilisierten Fotoperformances Tracey Moffatts oder Bettina Rheims’ auszeichnet, fort. Und ich gehe jetzt sogar so weit zu behaupten, dass wir es schaffen, mit ihnen so weit in unserer menschlichen Entwicklung voranzuschreiten, dass wir endlich den zerstörerischen Schmerz aus unseren ungestillten Bedürfnissen nehmen, um frei und ohne innere Gewalt, die zum zerstörerischen Akt in unserer Gesellschaft führt, zu leben. Denn je mehr wir den Nachrichten heutzutage folgen, desto klarer wird, dass wir Aufklärung brauchen. Diese Aufklärung erreichen wir leider nicht nur durch großartige Romane wie „Die Klavierspielerin“ von Elfriede Jelinek oder Filme wie „Das Geheimnis“ der französischen Filmemacherin Virgine Wagon sondern vielmehr durch die Förderung von Selbstbeteiligung, motiviert durch die oben genannten Fotografen, die durch ihre Arbeitsweise dazu verdammt sind, Dienstleister einer besser werdenden Welt zu sein. Aufgrund der sozialen Isolierung durch neue Produktionsflüsse in der Arbeitswelt und gesellschaftliche Entfremdung durch das räumliche Auseinanderrücken aufgrund der Möglichkeiten multimedialer Kommunikation wird das Werk dieser Künstler, so auch dieses Buch von Thomas Karsten, zu einem politischen Pamphlet, das dabei auch noch zum Kulturgut avanciert, indem es tatsächlich soziale Befindlichkeiten reflektiert und dabei auch noch Spaß bereitet.

Vielleicht kann man Thomas Karsten als den Will McBride für Erwachsene bezeichnen, dessen inzwischen fast programmatisches Buch „Zeig mal Mehr“ genau auf seine Frauen zutrifft. Vielleicht gibt es ja demnächst Frauen und Männer gemeinsam in seinen Bildern, dann kämen wir einer gesamtgesellschaftlichen Wahrheit näher. Vielleicht, und das im Sinne der Kunst, wäre es sinnvoll, ein Museum nur mit Bildern von Thomas Karsten, Robert Mapplethorpe und Sally Mann zu eröffnen, um einen gesellschaftlichen Läuterungsgsprozess für eine neue Generation des Selbstverständnisses von Mann, Frau, Kind mit allem Schönen, allem Hässlichen, allem Schwachen, allem Wunderbaren dieses Lebens 
herbeizuführen. 

Im Verlag Bucher ist jetzt Thomas Karsten nun bereits zum zweiten Mal vertreten. Für mich 
hat dieser simple Fakt immense symbolische Bedeutung. Zwischen seiner ersten Publikation „Thomas, mach ein Bild von uns“ und diesem Band liegt eine Zeit des weltpolitischen sowie persönlichen Wandels. Und vergleiche ich sein erstes Buch mit dem nun vorliegenden zeichnen sich zwei verschiedene Künstler ab. Das erste Buch (sein erstes überhaupt) finde ich zum „Weinen“ schön. Ein Buch nicht mit traurigen, aber mich berührenden Gesichtern. Kein Wunder, dass Thomas Karsten bei seinen fotografisch kreierten Gesichtern die Perfektion anstrebt, dass er sie immer vollkommener möchte, auch wenn das Beste bereits erreicht scheint. Diese Hingabe bedeutet jedoch zugleich eine Flucht vor den Gesichtern, den Augen, den Wünschen hinter diesen Augen und auch vor dem, was der Künstler diesen Augen leider nicht geben kann, weil er zum einen so viel Liebe nicht zum Verschenken hat und zum anderen genau den Ausgleich zur nicht liebbaren Liebe fordert. Thomas liebt die Menschen in perfekten fotografischen Abbildern, angefangen vom Negativ bis hin zum sauberen Scan und dem bestechenden Druck. Das ist seine Anerkennung, sein Dank an die Menschen, die er ablichten darf. Es sind die Symbole des Lebens, die er darstellt, und es sind Menschen, nicht „erotisch nackt“, sondern verletzlich und eben so, wie sie erschaffen wurden. Männer, Frauen, Kinder, in Pose und einfach nur da. Das Symbolhafte des Damals hatte durch den anstehenden Zusammenbruch des sozialistischen Staatensystems aber auch viel Umbruchstimmung zum Inhalt. Das meinte Thomas Karsten damals wie heute nicht wirklich politisch: vielmehr steckt automatisch ein Abbild politischer Empfindungen in seinen Darstellungen.

Heute finden wir einen wirklich poetischen Thomas Karsten vor, einen Befreiten, einen Heiteren, keinen überzeugt Tieferen (wie man so oft zu alten Meistern sagt). Wir finden einen Beschwingten; einen, der überzeugt von der Macht seines Blickes ist. Im vorliegenden Band wird daraus eine Poesie des Sehens, die es dem Betrachter erleichtert, über Brücken wie Zeilen, Verse, Töne und Nuancen, Lichtstrahlen und schattige Plätze in das Tief der Augen zu fallen, das Œuvre eben neu mischen wie bei den modernen Musikstilen.

Der neue Thomas Karsten ist einen langen, lehrreichen Weg gegangen; ich darf das sagen, ich kenne zu seinen Büchern auch sein übervolles Archiv. Dieser Thomas Karsten möchte uns anspruchsvoll unterhalten, das hat man ihm bei seinem Buch „Heute Nackt“ bereits übel genommen, weil schon hier das beschriebene verträumte Schwarz-Weiß fehlte. Da geht es ihm nicht anders als anderen großen Künstlern wie zum Beispiel Jim Jarmusch, die man automatisch mit Schwarz-Weiß in Verbindung bringt, obwohl schon früh Farbe in ihrem Werk eine Rolle spielte. Doch wir können nicht permanent die Künstler für uns leiden lassen. Sie wollen uns unterhalten, weil dadurch eine ansehnliche, bunte Welt entsteht, die uns allen das Leben schöner werden lässt. Geläuterte Stars gleichen eines Tages den Architekten, die merken, dass jedes ihrer Werke das Leben in der Gesellschaft bereichert. Und wie könnte man heutzutage besser als mit einem intelligenten und zugleich unterhaltenden Videoclip in Buchform die Welt lebendiger machen und amüsieren, zum Abspannen anregen und zugleich zu spontanen Ideen motivieren Thomas Karstens neues Buch ist dabei zugleich ein Sprung aus dem Damals in das Heute. In den zum ersten Mal veröffentlichten Polaroids, die automatisch die „richtigen“ Couleurs im Abbild erzeugen, huldigt er den blumigen Farben. Die Art der Nutzung bestimmter Sujets in den Collagen zeigt die malerische Ader in Thomas Karsten. Dazu gesellen sich die digitalen Details. Das ist das Besondere an der Zusammenstellung des neuen Buches: wir alle werden Zeuge des bunten, poetischen Damals und betreten ohne Anstrengung eine neue Dekade.

Wer Thomas Karsten kennt, weiß, dass er als Künstler keinerlei Kompromisse eingeht, und sich mit Thomas Karsten umgeben heißt, sich selbst Stil beweisen. Seine Fans, seine Modelle, seine Freunde wissen es, lieben und hassen ihn dafür. Zeig mal her und zeigt uns mehr – liebe mutige, selbstbewusste Frauen, lieber Thomas Karsten; was für ein Glück, dass Du so wunderbar sehen kannst und Danke für das Selbstverständnis unserer Bedürfnisse.

Ein Glück, dass Frauen so selbstbewusst sein dürfen; ein Glück, dass wir daran teilhaben können, wie Du, Thomas, der Du den Frauen Dein Leben schenkst.

Alexander Scholz, im Mai 2005

Alexander Scholz, geboren 1971, ist Autor, Architekt, Multimediakünstler und Verleger. Im Mittelpunkt seiner Arbeiten steht insbesondere die Erschaffung langlebiger Werte. So erhielt er als Architekt von Bauwerken mehrere Preise für die kunstvolle Umsetzung formeller und gesellschaftlicher Anforderungen; als Autor und Hersteller von Büchern, CDs und DVDs erschafft er in Zusammenarbeit mit Künstlern verschiedenster Sparten Werke, die das Zusammenwirken aller Sinne beanspruchen und damit der Förderung des menschlichen Bewusstseins dienen. Dafür erarbeitet er mit und von bedeutenden Künstlern aus dem In- und Ausland wie Paul Cava, Carsten Nicolai, Thomas Karsten, Hans Ticha, OL, die Typonauten, Alvin Booth u.v.a. Publikationen, die u.a. vom iF-Design oder der STIFTUNG BUCHKUNST prämiert wurden.


Editorial
Erotic Style Goes Pop – 
a Joyous Video Clip in Book Form

Many of Thomas Karsten’s works are now classics of modern photography. This is to do with the legendary conflict between erotic moments and “high” culture. Eroticism is artistic photography’s poor cousin, just as photography was art’s dubious poor cousin into the last century. That does not seem surprising; nude photography and eroticism have after all been a part of a long, superficial tradition of cheap magazines where the advertising industry has always had the whip hand, an industry that violates the naked body to satisfy the never-ending desires of consumers in western culture.

For over twenty years, quite a large part of the public has known Thomas Karsten as a black and white iconographer of nude photography. Reason enough for him to follow a new path. When I looked for the first time at the pictures he had selected for this book, I was amazed at how greatly color helped him to shift between stylistically confident portraits and the intimate images, which cross boundaries, of the sex, which is often otherwise hidden in erotic photography. His nude photography depicts sharper and more detailed images than ever before. His classic, his Thomas Karsten style, has a new look, a colorful new look, where of course color, in terms of the history of culture as well as from a purely technical dimension, is a topic in its own right. We often hear the opinion that black and white photos create a sense of abstraction which leaves room for mystery and which invites us to dream. This actually appears to explain certain clichés and prejudices regarding color and black and white. So does color really make reality in the image more genuine? This opinion is, on the one hand, nonsense, but on the other hand true in a trivial kind of way. But is the genuine necessarily the more beautiful? Does the mysterious appear more transfigured in black and white, is that still a Thomas Karsten?

The cuts and transitions are fantastic – the face the ever-present detail; the super-femininity, the worldly, the trees, the topography of the towns come into the pictures thanks to the colors and appear more dominant in this book. In a strange way, the pictures come across as fixed up. That is because of the space now included in the photo.

The Thomas Karsten space is impressive because of its emptiness. In this book it gains new relevance, but it is not about a piece of fabric, the Caribbean or an old wall. We should not fall victim to this misconception. It is a question of creating a lyrical construct in which the essential, the women remain the decisive factor. There is no system behind the choice of space; Thomas Karsten is just looking for simplicity, complete simplicity that in turn has to suit the women, where they should feel comfortable, even if they are not familiar with it. For all too often, familiarity is not really what frees us, but instead what confines us.

It is always about the women’s beauty; they are all beautiful, whether they actually conform to a certain ideal or not. That is also precisely what throws every moral contradiction out of the window. They are all beautiful, maybe not beautiful for me or for you, dear reader, an ideal in itself, not desirable as an erotic fantasy, not exciting – natural looking people full of pride, dignity and joy about themselves. It can become an aim in life to preserve, in pictures, pleasure itself, the pride in yourself and the erotic desire, that driving force, which created all the beautiful, devilish and wonderful deeds of mankind.

Thomas Karsten is taking the risk, and in this sense his models are taking the risk of being portrayed to the point of the shift already mentioned between portraits of the eyes and portraits of the intimate area, of the sex.

Since I have known Thomas Karsten, I have often thought about what drives him to gather them all together so openly, the beautiful and less beautiful, to encourage them to open up to themselves, to his art and at the same time to stay themselves totally. The aim of a preacher is becoming more and more apparent: creating progress within society with the help of contradiction of forms, which questions the moral conception generally present in us all. In terms of cultural history, that is nothing new, but with Thomas Karsten’s work, the observer and models enjoy being able to be a part of molding a new society that finally does away with all bodily and sexual secrecy in terms of prejudice. Thus Thomas Karsten and some of his colleagues, such as Richard Kern, Roy Stuart or Petter Hegre, are continuing a mixed tradition of “cheap” and “high” culture. Just as the former is molded by the budding process of selling oneself with the help of publishing structures and media presence, for instance in the case of Natacha Merritt (who became a star by means of her appearance on the Internet), “high culture” is characterized by Cindy Sherman’s self-dramatization or Jeff Koon’s “pornographic” pictures, by Nan Goldin’s pictures from the private sphere or by Tracey Moffatt’s or Bettina Rheim’s hyped-up photo performances. And I dare to claim that we can succeed in progressing with them to a stage in our human development, which allows us to finally remove the destructive pain from our unsatisfied needs, to live freely and without the force within us that leads to destruction in our society. Because nowadays, the more we follow the news, the clearer it becomes that we need enlightenment. Unfortunately, we cannot achieve enlightenment through great novels alone, like “The Piano Teacher” by Elfriede Jelinek, or films like “Le Secret” by French film-maker Virginie Wagon, but rather by encouraging our own participation in the process, motivated by the photographers mentioned above who are condemned to providing us a service to improve the world. Owing to social isolation as a result of new production flows in the working world and alienation of society because of increased distances made possible by multimedia communication, these artists’ work, including this book by Thomas Karsten, is becoming a political lampoon, which at the same time is advancing to a cultural asset by actually reflecting social condition and being a source of enjoyment in the process.

Perhaps we can call Thomas Karsten the Will McBride for adults, whose book “Zeig mal Mehr” (Show Me More), now almost pointing the way for other books, applies exactly to his women. Soon, perhaps, there will be women and men in his photos together, and then we would get a lot closer to a truth relating to the whole of society. Perhaps it would make sense – completely in the interests of art – to open a museum with pictures by Thomas Karsten, Robert Mapplethorpe and Sally Mann, to bring about a process of societal reformation for a new way of how man, woman, child see themselves, with all beautiful, ugly, weak, wonderful things in life. 

This is Thomas Karsten’s second publication by the Bucher Publishing House. For me, this simple fact has immense symbolic significance. Between his first publication “Thomas, mach ein Bild von uns” and this volume lies a period of transformation in world politics and in himself personally. And if I compare his first book with this one, two different artists emerge. I find the first book (his very first book in general) so beautiful it “makes me cry.” A book not of sad faces, but rather of touching faces. No wonder Thomas Karsten strives for perfection regarding his photographically created faces, always wanting them to be more complete, even if it appears that he has already achieved the best result. At the same time, however, this dedication means an escape from those faces, those eyes, the desires behind those eyes and also from the things the artist cannot, unfortunately, give those eyes, because, on the one hand, he does not have so much love to give away and, on the other, is demanding precisely that counterbalance against unlovable love. Thomas loves people through perfect photographic images, starting from the negative right up to the precise scan and captivating print. That is his recognition, his gratitude to those people he is allowed to photograph. He portrays the symbols of life, people, not “erotically naked” but vulnerable and simply just the way they were created. Men, women, children posing and simply being there. But the symbolism of that former time also contained a mood of radical change owing to the upcoming collapse of the socialist state system. Thomas Karsten did not really mean it then, as today, to be political: his pictures just automatically contain an image of political feelings.

Today, we come across a really poetic Thomas Karsten, liberated, cheerful, not one who has become dedicated to a growing profundity (often said about the old masters). We find an elated Karsten; one who is convinced by the power of his eye. As a result, this volume is poetry of sight, making it easier for observers to fall via bridges as well as lines, verses, notes, and nuances, rays of light and shadowy areas into the depths of their eyes, to simply mix the œuvre just like with modern styles of music. 

The new Thomas Karsten has been on a long path and has learnt a lot on the way. I am allowed to say this; in addition to his books I also know his overflowing archive. This Thomas Karsten wants to offer us high quality entertainment; people did not like him for doing that in his book “Heute Nackt” because the mysterious black and white was missing there too. It is no different with him than with other great artists, for example Jim Jarmusch, artists who we automatically connect with black and white despite color already being a part of their work early on. However, we cannot make the artists permanently suffer for us. They want to entertain us because a handsome, colorful world is created, which makes all of our lives more beautiful. Reformed stars are one day like the architects who recognize that each of their works has enriched life in society. What better way is there today than with an intelligent and, at the same time, entertaining video clip in a book to liven up and amuse the world, to encourage it to unwind and motivate it to have spontaneous ideas in the process. Thomas Karsten’s new book is, at the same time, a jump from then to now. In the Polaroids published for the first time, which automatically create the “right” shades in the image, he embraces the flowery colors. The way he uses different subjects in the collages demonstrates the painter in Thomas Karsten. This is accompanied by the digital details. That is what is special about putting together this new book: we are all witness to what was colorful and poetic then, and are effortlessly entering a new decade.

Those who know Thomas Karsten know that, as an artist, he does not accept any compromises, and to have Thomas Karsten around you means proving style to yourself. His fans, his models, his friends know that. They love him for the results he achieves from his work and at the same time hate him for his intransigence while working. Show us and show us more – dear brave, self-confident women, dear Thomas Karsten; how lucky we are that you can see so wonderfully and thank you for opening our eyes to understanding our own needs.

What luck that women can be so self-confident; what luck that we can take part in it, like you, Thomas, a man who dedicates his life to women. 

Alexander Scholz, May 2005. 

Alexander Scholz, born in 1971, is an author, architect, multimedia artist and publisher. The focal point of his work is, in particular, to develop long-lasting creations. As an architect he has received several prizes for fulfilling both formal and societal needs; as an author and producer of books, CDs and DVDs, he, together with artists of various genres, creates works which require the interaction of all senses and as a result promote human awareness. In the process he develops publications with and for prominent domestic and international artists such as Paul Cava, Carsten Nicolai, Thomas Karsten, Hans Ticha, OL, the design agency “die Typonauten”, Alvin Booth and many others – publications which have been awarded prizes by iF Design and, among others, the foundation STIFTUNG BUCHKUNST.


2004 · Women Only

298 Seiten
260 Abbildungen
Großformat 24×30 cm,
schweres Bilderdruckpapier,
Duplex + Lack
gebunden
Deutsch und Englisch
mit amerikanischem Schutzumschlag
Fotobuch mit Texten von Paulina Schulz und 
einem Vorwort von Peter Weiermair
Preis: 49,90 Euro
ISBN: 3-88769-334-5
Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke, 2004

direkt hier bestellen: info@thomaskarsten.com


Der Verlag über das Buch:

„Das bisher umfangreichste Buch des bekannten Aktfotografen, wunderschön gestaltet, eine Auswahl seiner erotischsten noch nicht publizierten Bilder , aufgenommen von 1988 bis 2004. Die fotografierten Frauen zeigen Lust – mit sich selbst und mit anderen Frauen, eine Sammlung von Zärtlichkeiten…“ 

Frauen in all ihren Facetten. Viele neue und bisher noch unveröffentlichte Schwarzweiß-Fotografien zeigen sehr unterschiedliche Frauen und Frauenpaare – nicht gefällig, sondern vielfältig. Frauen in erotischer Interaktion mit sich selbst, mit anderen Frauen. Karsten zeigt die individuelle Schönheit und Sinnlichkeit jeder Frau. Ohne Verstellung und bemühte Inszenierung transportieren seine Bilder eine intensive Emotionalität und abwechslungsreiche Erotik. In Verbindung mit den poetischen Betrachtungen von Paulina Schulz ist dieser edel gestaltete Band ein optischer und sinnlicher Genuss.

„…Sie beherrschen das Handwerk als Künstler, als seien Sie von Engeln beflügelt, Sie machen Fotos, als seien Sie Lyriker oder Maler. Sie zeigen nackte Menschen und lassen sie tatsächlich sprechen. Ich glaube nicht, dass es einmal schon jemand wirklich hat beschreiben können, welchen Zauber Sie mit Ihren Bildern entfachen.“ 
(Alexander Scholz)

How many naked photos of me are out there? There’s the one that does not belong on my parents‘ mantel. I’m two years old, standing in the kitchen wearing nothing but a cooking pot on my head. Then there’s the shiny post-coital shot of me wrapped in sheets that my boyfriend keeps in his bedroom. They are disparate images in terms of the time and circumstance in which they were taken, but, like Thomas Karsten’s portraits, they both represent innocence, experience, and the contradictions inherent in being female. Our bodies are an instant expression of who we are, yet it is only when they cease being our primary concern do they, we, capture the viewer’s full attention. 
(Sarah Harrison, Nerve)

Ein Sammler von Zärtlichkeiten
(Vorwort von Peter Weiermaier)

Innerhalb der zeitgenössischen Photographie, die sich mit dem Thema des Akts auseinandersetzt, nimmt Thomas Karsten einen eigenen und besonderen Rang ein. Seine Auseinandersetzung mit dem Thema dauert nun schon viele Jahre, und die in zahlreichen Büchern dokumentierte Enzyklopädie von Bildern umfasst alle Geschlechter und mögliche sexuelle Präferenzen wie unterschiedliche Altersgruppen. Karsten ist jedoch nicht Reporter oder Dokumentarist, denn er recherchiert nicht in eigenem oder fremdem Auftrag erotische Positionen, wenngleich bei einer Übersicht aller Bilder sich Muster abzeichnen und Verhaltensweisen dokumentiert werden – wie wäre denn sonst der Begriff vom Enzyklopädischen gefallen, dem auch etwas Soziologisches zueigen ist. Man sollte aber nicht von solchen vielleicht wissenschaftlichen Intentionen reden, vielmehr davon, dass der Bildautor unterwegs ist, gemeinsam mit seinem Modell dessen Identität auszuloten. Der Photograph (ein Mann, also einem fremden, anderen Geschlecht zugehörig) ist ja Zeuge eines intimen Vorgangs, der bereits darin besteht, dass das Modell sich vor ihm entkleidet, sich ihm „zeigt“, und er kann die Situation dann soweit gestalten, dass er Zeuge der Selbstbefriedigung oder eines Zärtlichkeitsaustauschs wird. Das Modell bleibt in der Distanz des photographischen Blicks. Es gehört im Gegensatz zum Photographen, der sehen will, zu jener Kategorie von Personen, die zeigen wollen, und dieses „Zeigen wollen“ muss der Photograph herausfordern.
In diesem Sinne ist diese vorliegende aus unterschiedlichen Zeiten stammende Sammlung von Frauenbildern keine Publikation zur Aufklärung, sondern ein Protokoll mit wechselnden umfangreichen Materialien, wie sich ein Modell verhält, verändert, den Photographen in seine Intimität einlädt. Gerade die besten Portraitisten vermögen dem Modell, wie es der Psychologe vermag, eine Freiheit der eigenen belastbaren Identität zu vermitteln. Der Photograph wird zum Arzt und zum Zeugen. Die Zärtlichkeit der Frauen Frauen gegenüber wird nicht immer Ausdruck einer lesbischen Position sein, zärtliche Gesten stellen sich eher ein als bei Männern. Das Buch ist also nicht nur lesbischen Paaren gewidmet, sondern eine Sammlung erlebter Zärtlichkeit. Im Gegensatz auch zu einer von außen den Modellen aufgezwungenen Verhaltensweise und Choreographie in der Pornographie formuliert sich hier die Sprache des Begehrens unter selbst gewählten Bedingungen. Karsten lässt die Partnerinnen in diesem Spiel zu sich kommen. Es sind zum Großteil Personen, die er kennt, nicht über Agenturen vermittelte Modelle. Kennen wir aus der Anfangszeit der Aktdarstellung den nicht immer perfekten Körper, so sind wir heute in den Medien, zumal in der Werbung für alles und jedes, mit dem gestylten, durch Bodybuilding ideal geformten austauschbaren Körper konfrontiert. Karstens Modelle neigen nicht zu dieser Perfektion. Es sind Aktportraits, die er in der Mehrzahl anstrebt, Körper, bei denen Gesicht und Geschlecht in einem manchmal auch dialektischen Dialog stehen. 

Ihn interessiert zugleich auch der sexuelle Korper. Und so wie in der Mannerphotographie die Erektion des Geschlechts als Ausdruck des Begehrens immer noch ein Tabu darstellt, so ist es in der Frauenphotographie das geoffnete Geschlecht, von dem sich der Blick noch abwenden mag. Die Schonheit des weiblichen Geschlechts und die je individuelle Form gewinnen in der nichtpornographischen Bildproduktion Karstens an Bedeutung. Karsten ermoglicht seinen Modellen ein Ausagieren und konfrontiert sie mit der Spannung von privat und offentlich, von der Jean Christophe Amann in einer Auseinandersetzung mit Bettina Rheims feststellt: ?Indem ich das Selbst offentlich mache, schaffe ich Distanz als eine Erkenntnisform, die mich befahigt, das Intime mit Offentlichem als Kreativitatsschub zu begreifen. Die Begriffe offentlich und privat waren von jeher fur die Diskussion um die Darstellbarkeit des Aktes relevant. Wer die Bucher Karstens studiert, die Fulle an Bildern und die in ihnen dokumentierten Korpersprachen, wird registrieren, wie sehr dieser Photograph an der Individualitat seines Gegenubers interessiert ist und auch an generellen Veranderungen, die er als Zeitzeuge aufzeichnet. 

(Prof. Peter Weiermair, Direktor Galleria d Arte Moderna Bologna, 2004)


A collector of affections 
(Foreword by Peter Weiermaier)

Within contemporary photography which deals with the topic of nudes Thomas Karsten is an artist of standing. His study of this subject matter has lasted for many years now and his wide selection of photos – an encyclopedia of pictures – which have been illustrated in numerous books cover all genders and every possible sexual preference as well as various age groups. However Karsten is not a reporter nor a documenter by wanting to study erotic poses on his own or someone else’s behalf, otherwise the encyclopedic term used above could not have been applied to his work, although if one takes a closer look at all his photos certain patterns become apparent, behaviors are documented. But such scientific intentions should not be spoken of, it should rather be mentioned that the photographer is on his way, together with his model, to plumb the depths of her identity. The photographer ( a man and therefore of the opposite sex) witnesses very intimate scenes, for instance when the model takes off her clothes directly in front of him, when she exposes herself to him and then he creates such a situation that enables him to be a witness of masturbation or to the exchange of great affections. The model stays in the distance of the camera eye. Unlike the photographer 
who is eager to see, the model is the type of person who wants to expose and this is what the photographer has to provoke her to do – to expose herself. In this sense this collection of female nudes on hand which dates from different periods of time is not educational work but a protocol of actions how a model behaves, changes and how she includes the photographer in her intimacy. Particularly the best portraitist enables the model, like the psychologist, to convey a freedom of her own resilient identity. The photographer is doctor and witness at the same time. The women’s affections towards other women do not always express lesbian relationships rather tender gestures are often exchanged by women in contrast to men. Therefore this book is not only dedicated to lesbian couples but it is a collection of experienced affections. Also unlike the behavior and choreography which is always forced onto the models in the porno graphic business here burning desire develops according to their own rules. Karsten lets the models find them selves in this love play. They are usually people he knows not models which have been selected by agencies. At the beginning of nude portrayal it was not un common to depict an imperfect body, nowadays in the media we are confronted with thoroughly styled, perfectly formed, replaceable bodies. Karsten s models do not tend towards this perfection. These are portraits of nudes, bodies, their faces and sex sometimes even engaged in a dialectical dialogue with each other. At the same time he is also interested in the sexual body. Just like in the field of male photography where an erection as a sign of desire is still a taboo it is the open vagina in the field of female photography which is tabooed. However its loveliness and individual form gains in importance in Karsten s non-pornographic picture production. Karsten enables his models to take action and confronts them with the tension between private and public. Jean Christophe Amann realized the importance of this tension in a discussion with Bettina Rheims: „By making my inner self public I am able to create distance as a form of realization, unawareness which enables me to see the intimate in connection with the public as a thrust of creativity.“ Allways the terms public and private have been of great importance for the discussion about the portrayal of nudes.Whoever studies Karsten s books, the great quantity of pictures and the body language they reveal, will notice how much this photographer is interested in the individuality of the person opposite him and in general changes which he records as a contemporary witness. 
(Professor Peter Weiermair, director of the museum Galleria d`Arte Moderna in Bologna, 2004)


Texte von Paulina Schulz:

Es gibt Wochen, da denke ich jeden Tag an sie. Ich weiß nicht, ob ich sie geliebt habe, aber sie zeigte mir Dinge in meinem Kopf, gute Dinge, seltsame Dinge. Sie zeigte mir die, die ich geworden bin, nachdem sie weg war. Ihre störrische Weiblichkeit, die dunkle Locke über ihrer Stirn, die ich ihr unentwegt zurückstrich. Ich schaute ihr beim Leben zu, wie sie lachte, wie ihr kleiner Mund zuckte, wie ihre Augenbrauen sich hoben. Nie wußte ich, was sich hinter diesen Augenbrauen versteckte, immer schaute sie weg, fort von mir. Manchmal lese ich ihre nach Zigaretten riechenden Briefe.“Ich vergesse so oft, wie alt ich bin, vielleicht habe ich gar kein Alter … Ich weiß, Du verstehst alles … ich schreibe Dir im Bett liegend, und jetzt zieht mich das Laken zu seinem Schlafmohnfeld herab.“ Wir schreiben uns nicht mehr. Aber ich weiß noch, wie sie immer meinen Namen aussprach, als wäre er ein Ort, an dem sie bleiben wollte.

There are times I think of her everyday. I don’t know if I loved her but she showed me things in my mind, good things, strange things. She showed me those things I have become after she was gone. Her stubborn femininity, the dark curl above her forehead I kept on smoothing back. I watched her live, how she laughed, how her small mouth twitched, how she raised her eyebrows. Never did I find out what was hiding behind those eyebrows, constantly looking away – from me. Sometimes I read her letters which smell of cigarettes. “I forget how old I am all the time, perhaps I don’t have an age… I know you understand everything…I am writing you while lying in my bed and now my bed sheet is pulling me down to its poppy field of sleep.” We don’t write each other anymore. But I can remember how she would always say my name as if it were a place she wanted to stay.


Das Einzige, das ich von ihr kenne, sind diese Bilder. Die Bilder einer androgynen Frau, mit dem Korper eines Jungen und dem Gesicht eines ernsten Madchens. Ich sehe sie eine Frau kussen, ich sehe sie Liebe machen mit einer anderen Frau, und ich balle meine Hande zu Fausten, schlage mir damit auf den Mund, um meine Begierde nicht herauszuschreien. Ich betrachte die zarte Krummung ihres Ruckens, den runden kleinen Hintern, den muskulosen Bauch mit der Perle ihres Nabels, schaue ihr in die Augen, flustere Dinge, die nur fur sie bestimmt sind, die sie nie erfahren wird. Eines nur mochte ich wissen: Wenn sie mich beruhren konnte, tate sie es?

All I know about her are these photos. Photos of an androgynous woman, with a boyish body and with a serious girl s face. I see her kissing a woman, I see her making love to another woman and I clench my hands into fists which I smack against my mouth in order to prevent myself from crying out my desire. I look at the delicate curve of her back, her round, petite bottom, her muscular stomach with a navel like a pearl, I look into her eyes, whisper words which are only meant for her but she will never hear. There is only one thing I want to know: If she could, would she touch me?


Sieh her, flüsterte ich und zog noch einmal an der Zigarette. Sie flog in einem hohen Bogen durch den Raum, als ich mich mit ungeduldigen Fingern selbst öffnete und ihn hineinschauen ließ. Es ist, als würdest du von innen leuchten, sagte er und kniete sich vor mich hin.

Look, I whispered and took another drag on the cigarette. It soared through the room as I opened myself up with impatient fingers and let him look. It s as if you were glowing from the inside, he said and kneeled down before me.


…sie legt die Fingerspitzen auf meine Augenlider, streichelt sie immer wieder, von der Nasenwurzel nach außen, dann fährt sie die Schläfen entlang über die Wangen, es ist so bittersüß, daß ich schreien könnte vor Lust. Sie legt die Finger in die Vertiefung an meinem Hals, fühlt den Puls, sie sagt immer, sie liebe meinen Puls, mein Herz schlüge wie das ihre. Ich streichele ihr über das dunkle Haar, fast schwarz, glänzend und ungekämmt; mitten am Tag sieht sie aus, als sei sie gerade wachgeworden. Die Haare fallen in störrischen Wellen auf ihre Schultern, sie schüttelt sie immer wieder, spielt damit, dreht sich Locken um die Finger, steckt sich die Haarspitzen in den Mund, saugt daran. „Du riechst nach Zitronen“, sage ich, und sie antwortet: „Es ist bloß mein Shampoo“. Wenn sie geschwitzt hat, riechen ihre Achseln wie Whisky, scharfsüß — ich stecke meine Zungenspitze unter ihren Arm und koste ihre Haut, den Geschmack von Salz und Meer und Tier. Vielleicht ist sie ein Werwolf, wer weiß; sie mag es, zu beißen, sich in mir festzukrallen, vielleicht heult sie den Mond an, wenn ich weg bin, vielleicht werde ich sie eines Tages verstehen. Wenn sie es zuläßt, wenn sie nicht wieder mit ihren schmalen, mittelmeerwasserfarbenen Augen schaut und nur mit einem Mundwinkel lächelt. „Du Wolf“, sage ich — „Du auch“, antwortet sie und lacht auf. Ihr Lachen, ein Wasserfall, unter den ich mich am liebsten stellen würde, an einem heißen Tag. *

…she lays her fingertips onto my eyelids, she caresses them again and again, starting from the bridge of my nose moving outwardly, then she moves along to my temples and strokes my cheeks, it’s so bittersweet that I could cry out with desire. She places her fingers in the slight slope on my throat, feels my pulse, she always says that she loves my pulse, my heart beats like hers she says. I stroke her dark hair, it is almost black, shiny and uncombed; in the middle of the day she looks like she has just woken up. Her hair comes down to her shoulders in unmanageable waves, she tosses them over and over again, plays with them, twists curls around her finger, sticks the ends of her hair into her mouth, sucks on them. “You smell of lemons,” I say and she answers, “It’s only my shampoo.” When she sweats her armpits smell like whiskey, sweet and spicy – I slide the tip of my tongue underneath her arm and taste her skin, the taste of salt and sea and animal. Perhaps she’s a werewolf, who knows; she likes to bite, to dig her nails into me, maybe she howls at the moon when I’m not there, it may be that I will understand her one day. If she lets me, if she doesn’t look out at me with her narrow eyes the color of the Mediterranean Sea and only smiles at me out of one corner of her mouth. “You wolf,” I say – “You too,” she replies and laughs. Her laugh is a waterfall I would like to stand under on a hot summer’s day.


Du Zaubertier mit wildem Flachshaar, wie sehr will ich Dich zähmen, mit Dir ringen, diesen stolzen Lippen ein Fauchen entlocken, diesen wölfischen Augen einen Sternenblick …

You enchanting creature with wild flaxen hair, oh how much I want to tame you, struggle with you, elicit a hiss from these proud lips, a starry look from these wolfish eyes.


Du schlängeltest Dich hinein in mich, mit Deiner Haut und dieser Wärme, Dein schwerer Körper erdete mich, Dein Blick rief Gewitter herbei. Ich hatte das Gefühl, im selben Moment auseinander zu fallen und wieder zusammengesetzt zu werden; von den Spuren Deiner Finger auf mir, in mir, von Deiner Zunge, die sich in mich hineinschob wie ein Tier in seine Höhle.

You wound your way into me, with your skin and this great warmth, your mighty body grounded me, the look in your eyes could bring about a storm. I had the feeling to be falling apart and to be put together again all at the same time; by the traces of your fingers left on me, inside me, by your tongue which slithered into me like a serpent into its hole.


Nichts könnte ihnen gleichgültiger sein, als zu wissen, jemand schaute ihnen zu. Und was er dächte, sähe er ihr Spiel, die sorgsam inszenierte Dekadenz, den spleenigen Hauch von Luxus. Losgelöst. Wie in einer Parallelwelt, die sie sich nach und nach aufgebaut haben, ihre Rollen spielend, sie verinnerlichend, als wären sie Anaïs und June — mehr noch: sie selbst, wenn sie in den Spiegel schauen, wenn die Lippen sich berühren.

Nothing could have been of less importance than to know that someone was watching them. And what would they think if they could see their love play, this carefully created decadence, this crazy aura of luxury. Detached. Like in a parallel world they have gradually built up for themselves, playing their roles, internalizing them as if they were Anais and June – even more so: themselves, when they look into the mirror, when their lips touch.


… vor mir erstreckt sich eine glatte, glänzende Wasserfläche, ein Schattenspiel aus Türkis und Indigoblau. Ohne ihn anzusehen streife ich mir das Kleid ab und laufe auf das Schwimmbecken zu. Als ich auftauche, ist er nicht mehr da. Ich lege mich mit dem Rücken auf die Wasseroberfläche und lasse mich tragen, gleite, drifte in meinen Gedanken ab. Die blaue Dunkelheit wird nur vom Geräusch meines Atems unterbrochen. Ich schließe die Augen. Irgendwann spüre ich eine Bewegung im Wasser, dann eine Hand, einen Mund…

…a smooth and glistening water surface is extending in front of me, a shadow play made out of turquoise and indigo blue. I slip off my dress without looking at him and walk towards the swimming pool. He’s not there anymore when I come up to the surface again. I float around on my back and let myself be carried about, I glide, my thoughts drift off. The blue darkness is only interrupted by the noise of my breathing. I close my eyes. After a while I sense movement under the water, then a hand, a mouth…


Dein kristallines Lachen, Lula, dein elfenhafter Körper, der vom Wind fortgetragen werden könnte, wenn ich Dich nicht festhielte. Deine Sommerhaut, Lula,schimmernd vor Schweiß, den ich von Dir wegküsse, von Deinem Hals, Deinen zerbrechlichen Schultern, ich lecke um deine Brüste herum, beschreibe warme feuchte Kreise in den Sand deiner Haut, setze einen Mittelpunkt in den Kreis. Beschreibe Dich weiter, Lula, die gerade Linie bis zu Deinem Nabel, dieser zarten offenen Muschel, Du riechst nach Wasserpflanzen, es zieht mich ans Meer, Dein tiefes dunkles Meer, Lula,Dein salziges unergründliches Meer.

Your crystalline laugh, lula, your elfish body which could be carried off by the wind if I wouldn’t hold on to you. your summery skin, lula, shimmering with sweat I kiss off of you, off of your neck, your fragile shoulders, I lick around your breasts, describe warm, moist circles in the sand of your skin, give the circle a centre, I go on describing you, lula, the straight line down to your navel, that delicate open sea shell, you smell of aquatic plants, I am drawn to the sea, your deep blue sea, lula, your salty unfathomable sea.


… da ist dieser Moment, wenn Du Dir fast beiläufig meine Beine auf die Schultern legst und still in mich hineingleitest. Dann hältst Du inne, hältst meine Knöchel mit Deinen Händen fest, meine Augen mit Deinem Blick, in dem alles ist, was ich wissen will über Dich. Und dann, dieser andere Moment… Die Ahnung eines Rhythmus, Dein hartes Ankommen in mir.

…there it is, that moment when you lay my legs onto your shoulders almost casually and you slide into me without saying a word. Then you pause, you hold onto my ankles with your hands, my eyes with your eyes, which convey everything I want to know about you. And then, that other moment… The trace of a rhythm, your forceful entry into me.


Paulina Schulz, 1973 in Polen geboren, stammt aus einer deutsch-polnisch-tatarischen Künstlerfamilie, seit 1989 in Deutschland. Sie studierte Prosa, Film, Dramatik, Übersetzung am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Autorin, Übersetzerin und Dozentin. Veröffentlichungen in deutschsprachigen und polnischen Literaturzeitschriften und Anthologien.
2005 erscheint der Kurzgeschichtenband Wasserwelten, im Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke

2002 · Days of Intimacy

160 Seiten
170 Abbildungen
Großformat  21×26 cm,
schweres Kunstdruckpapier,
durchgehend Duplex gedruckt,
gebunden mit Schutzumschlag,
mit einem Text von Holde-Barbara Ulrich
Preis: 29,90 Euro
ISBN: 3-88769-197-0
Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke, 2002

Die Presse:
 
„Kann man jemand mit der Kamera lieben? Man kann. 
Der viel gelobte Münchner Fotograf zeigt dies besonders eindrucksvoll.“
(Herfurther Zeitung)
 
„Ein erotischer Rausch aus Zelluloid – fast wie in einem Roman von Henry Miller.“
(Playboy)



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Der Verlag über das Buch

Es ist das erste Mal, dass Thomas Karsten eine Frau in einem kurzen und intensiven Zeitraum so häufig fotografiert. Einige gemeinsame Tage, einige gemeinsame Wochen. Tage, die immer schöner, immer intimer werden. Es entsteht eine Liebesgeschichte, die sich vor allem über die Kamera definiert. Zwei Menschen kommen sich sehr nahe in dieser rauschhaften Situation. Sie sind zusammen, um zu fotografieren. Sie haben sich vorher nicht gekannt. Eine Traumwelt, in der nichts zählt außer miteinander reden, lachen, toben, schlafen und – fotografieren. Nach anfänglicher Scheu möchte die Frau jede ihrer Stimmungen in ein Bild bannen. Immer wieder bittet sie den Fotografen, diesen oder jenen Ausdruck aufzunehmen. Ihr Vergnügen, ihre Scheu, ihren Ernst, ihre Ausgelassenheit, ihre Traurigkeit, ihre Lust …

It is the first time that Thomas Karsten has photographed one woman so often in such a short and intense period of time. Several days together, several weeks spent together. Days which become more beautiful and more intimate. A love story unfolds, which mainly defines itself through the camera. Two people become very close in this ecstatic situation. They are together in order to take pictures. They did not know each other before. A dream filled world where nothing matters except to laugh, to talk, to rollick about, to sleep with each other and – to take photographs. After initial inhibition the woman wants to capture each and every one of her moods on film. Again and again she asks the photographer to take a picture of one of her many expressions. Her pleasure, her shyness, her seriousness, her liveliness, her sadness, her desire …


Berührungen – Ein Porträt des Fotografen Thomas Karsten
(ein Text von Holde-Barbara Ulrich)

Sie ist nackt, spreizt ihre Schenkel, liebkost ihre Brüste. Orgasmus vor klickender Kamera. Ein sehr junges, verletzliches Gesicht. Es nimmt der äußerst intimen fotografischen Inszenierung ihres Körpers alles Anstößige.
Ein ganzer Band allein mit dieser jungen Frau. Stefanie, Friseurin aus Leipzig, knapp über zwanzig. Man muss sich hineinsehen in ihr Gesicht, sonst geht es nach einigen Seiten verloren – so deutlich verwandelt es sich. Wiedererkennbar bleibt nur ihr Körper, der ebenso unschuldig wie verführerisch ist.
Vier Bildbände hat der Münchner Fotograf Thomas Karsten, der eigentlich aus Eisenach (Thüringen) stammt, mit Aktbildern vieler verschiedener Frauen gefüllt. Gerade lief eine viel beachtete Ausstellung in München, die seine Arbeiten neben denen von Helmut Newton zeigte. Der vorliegende “monogame” Band ist sein fünfter. 
Schaut man sich die Modelle auf Thomas Karstens Fotos an, sieht man sofort, keine von ihnen arbeitet professionell in diesem Job. Es sind ganz normale Frauen, selbstbewusst in der Regel, die sich gern auf ihre Nacktheit eingelassen haben und mit Lust bei der Sache sind. Fast scheint es so, als hätten sie diesen Augenblick der Entblößung erhofft. Ein erregendes Spiel mit den eigenen Möglichkeiten, das vor einem Ehemann, Freund oder Liebsten zu falschen Vermutungen führen würde.
Ein Fremder war nötig, ein Könner, Künstler womöglich, dem nur die Arbeit etwas zählt. Ein Mann mit freundlichen, hilfsbereiten Augen, unaufgeregt und bescheiden, gutaussehend aber nicht eitel. Und gänzlich ohne Versprechungen. So einem, der nicht drängt, nicht animiert, können sie sich in größter Offenheit anvertrauen. 
Vor ihm ist es leicht, guten Gewissens und nicht ohne Stolz ihren unbedeckten Körper zur Schau zu stellen, zärtlich mit sich zu spielen, sich lustvoll zu berühren, ohne dafür ausgelacht, bezahlt oder verstoßen zu werden.
Der Fotograf Thomas Karsten ist so ein Mann. Ein stiller, freundlicher, der sofort Vertrauen erweckt. Unspektakulär und wie selbstverständlich. Seine professionelle Unschuld heißt nicht, dass ihn nicht erregt, was er fotografiert. Der Zustand der Begierde, diese wunderbar warme Geilheit, stellt sich jedoch nicht bei der Arbeit ein.
“Ich bin kein Voyeur. Meine Kamera ist nicht das Fenster einer Peepshow. Ich bin Fotograf und mache mit großem Einsatz und hoher Anspannung Bilder.” Er sagt es mit heller, weicher Stimme, die immer noch dem sächsischen Singsang anhängt. 
“Ich weiß auch nicht, warum es so leicht geht”, überlegt er, “ich sehe eine Frau, finde sie interessant und komme mit ihr ins Gespräch. Nach einer Weile frage ich sie, ob ich sie fotografieren darf. Nicht mehr und nicht weniger. Wir sind kaum im Atelier, da zieht sie sich aus und agiert ohne Hemmungen vor meiner Kamera. Ich erkläre nichts, gebe keine Anweisungen, stelle keine Forderungen. Ich vertraue auf das, was sie mir anbietet. Ich arbeite ruhig und konzentriert. Die Aufmerksamkeit, die sie von mir bekommt, genießt sie. Soviel kriegt sie selten von ihrem Mann. Viele meiner Models gehen mit gestärktem Selbstbewusstsein weg. Manche verlieben sich auch in mich.” 
Auch er, der Fotograf, verliebt sich. Relativ häufig sogar. Meist nicht in seine Modelle, und wenn, dann lange vor der Arbeit oder danach. Oft verliebt er sich, wenn er ans Fotografieren noch gar nicht denkt. Und manchmal erst dann, wenn die Beziehung längst im Gange ist. Liebe und Arbeit inspirieren sich selten. Und wenn, dann ist es ein Glücksfall, der meist nicht glücklich endet. 
Thomas verliebt sich meist nicht in die, die ihn haben wollen. Er ist denen verfallen, die sich verweigern – ein bisschen spielen vielleicht, aber nichts Ernstes. Sie finden ihn nett und weich und umgänglich, oft auch interessant. Lassen sich mit ihm ein und betrügen ihn mit dem Erstbesten. 
Dann sind sie weg, und er leidet wie ein Hund.
Zum Beispiel Clara. Seine erste schmerzliche Liebe mit neunzehn. Sie saß in der Disco am Nebentisch. Wahnsinnsaugen, denen er sofort verfiel. Immer sind es die Augen. “Es muss nicht irgendetwas Erotisches sein, eine sexy Figur oder sowas. Das ist absolut zweitrangig. Es kommt auf das Gefühl an, das der Anblick einer Frau in mir wachruft”, erklärt er.
Clara ließ lange um sich werben. Nach einigen Monaten schlief sie mit ihm, aber nur, wenn sie getrunken hatte. Und selbst dann ohne Zärtlichkeit. Mitunter sandte sie ihm unentwegt kleine zärtliche Botschaften. Dann wieder fuhr sie weg, ohne Nachricht. Alles in allem schien ihr nicht allzu viel an ihm zu liegen. Und trotzdem – oder gerade deshalb – liebte er sie. 
Diese Geschichten enden immer auf die gleiche Weise: Auf einer Auslandsreise kommen er und Clara mit einem interessanten Mann ins Gespräch. Er bietet ihnen Übernachtung an. Ein großes Bett für alle drei. Clara in der Mitte. Sie schläft mit dem Fremden. Am nächsten Morgen reist sie mit ihm fort. Thomas ist tödlich gekränkt. Ein Jahr später sehen sie sich wieder. Sein Leid ist verraucht. Seine Liebe auch. Von da an werden sie Freunde.
Thomas Karsten hat ein großes Maß an Verständnis für Frauen. Er kann sich in sie hineinfühlen. Schnell und ganz uneigennützig ist er bereit, ihnen zu helfen und – was bei Männern ganz selten ist – ihnen zu verzeihen. Diese fast zärtliche Behutsamkeit teilt sich Frauen sofort mit. Sie ist es, die sie so sicher macht und so sorglos mit ihm.
Die seelische Affinität zum Weiblichen hat eine lange Tradition bei ihm. Schon im Kindergarten war er am liebsten mit Mädchen zusammen. Er war klein, eher zart, mit schwarzen lockigen Haaren. Für die Jungen zählte er nicht. In der Schule saß er neben einem Mädchen. Als seine Geschlechtsgenossen zu lästern begannen, befreundete er sich mit dem stärksten von ihnen. Von da an war Ruhe.  
“Ich fühlte mich seit jeher immer stark zu Mädchen hingezogen. Mit ihnen konnte ich reden, sie verstanden mich. Es gab so eine Art Seelenverwandtschaft.” Wahrscheinlich ist es dieser starke weibliche Anteil in ihm, diese innere Zugewandtheit zu Frauen, die ihm die enge menschliche Berührung auch in der Arbeit mit ihnen ermöglicht. 
Er selbst sieht es so: “Wenn ich in eine Frau verliebt bin, mit der ich arbeite, kann mich das im besten Falle anregen und beflügeln und im schlechtesten behindert es mich. Aber das Bild am Ende bleibt immer das Wichtigste.”
Thomas ist das Kind geschiedener Eltern. Er und sein jüngerer Bruder wuchsen bei seiner Mutter in Leipzig auf, einer vielbeschäftigten Justiziarin. Der Vater, eine Künstlernatur, der mit großem äußeren Aufwand weit über seine Verhältnisse lebte, imponierte Thomas. 
“Er hatte Hunde und Pferde und sehr viel jüngere Gefährtinnen. Und er fuhr die riesigen alten Staatskarossen der Moskauer Funktionäre. Wenn ich ihn besuchte, lief ständig der Fernseher. Ich bewunderte ihn, weil ich glaubte, er ist ein völlig freier Mann.”      
Kurze Zeit später verunglückte er tödlich mit seinem Auto.
Thomas verließ die Schule nach der zehnten Klasse.
Aus Abitur und Studium wurde nichts, weil er nicht bereit war, sich für drei Jahre bei der Armee zu verpflichten. Stattdessen machte er durch Vermittlung seiner Mutter eine Ausbildung zum Nachrichtentechniker. Mit achtzehn zog er zu Hause aus und tauchte ein in die lebendige Leipziger Künstlerszene. “Eine kreative Zeit, die meine weitere Entwicklung prägte”, sagt er.
Ambitionierte Versuche zu malen gab er auf, wandte sich durch den Einfluss von Freunden dem Fotografieren zu. Dass Leipzig nicht der Garten war, in dem seine Träume reifen konnten, wusste er bald. Namhafte Künstler, auch Freunde von ihm, verließen reihenweise das Land. 
1982 ging auch er in den Westen, folgte seiner Mutter, die von einem Familienbesuch nicht heimgekehrt war. Er ließ Anna zurück, eine Malerin, die ihm über das emotionale Desaster mit Tatjana hinweggeholfen hatte.  
An Tatjana, die wilde, exzentrische Russin, war er geraten, weil er jemandem ähnlich sah, den sie geliebt und verloren hatte. Dass er nur zweite Wahl war, ließ sie ihn unentwegt spüren. Wie nicht anders zu erwarten, stachelte es ihn an. 
Heute resümiert er: “Eigentlich hatte ich wenig von ihr. Sie war alkoholabhängig und neigte zu Gewalttätigkeiten. Sie liebte mich nicht, weil ich nicht der war, der sie verlassen hatte.”
Und da genau trat Anna auf den Plan, seine Nachbarin. Irgendwann kamen sie miteinander ins Reden. Eine kluge, feinfühlige Frau, fand Thomas, nicht mehr. Sie besuchte ihn häufiger, immer freitags, wenn ihr Freund unterwegs war. “Wohlfühlstunden ohne jegliche Erotik”, sagt Thomas.
Für Anna, die später seine Frau wurde, war es von Anfang an mehr. “Ich war total verliebt in ihn. Bald schon wusste ich, dass er der Mann ist, mit dem ich ein Kind haben will.” 
An so etwas Beschwerliches wie ein Kind hatte Thomas nie gedacht. Zwar hatte Anna ein Gefühl der Bewunderung, der Nähe, des gegenseitigen Verstehens in ihm geweckt, aber sie hatte ihm keine Sehnsucht gemacht, nicht dieses ruhelose, angstvolle Gefühl, das er Liebe nennt und das die Möglichkeit des Verlustes und die elementare Furcht davor immer gleich einschließt und ihn umso mehr an eine Frau bindet. Kinder? – Mit Anna war über Gespräche hinaus bisher nichts geschehen. 
Doch dann passierte es. Ein Freund, den sie besuchten, hatte ihnen ein zu schmales Lager bereitet, das Berührung geradezu provozierte. “Wir fassten uns an”, erzählt Thomas, “eine starke Intimität entstand, und wir schliefen miteinander. Plötzlich war ich in einer Beziehung, die ich eigentlich nicht angestrebt hatte.”
“Sexuell war Thomas ein Schnellzünder”, sagt sie, “nicht besonders erregend. Gemeinsam arbeiteten wir den Hite-Report durch. Danach hatten wir einen wunderbar beglückenden Sex.”
Sie studierte in Halle, er war in Leipzig. Seine ersten Aktfotos entstanden mit ihr – schön, aber eher nebenbei. Für beide war klar, dass er nach Westdeutschland gehen würde. Er wartete auf die Genehmigung. Als er nach zwei Jahren fort durfte, mit großem traurigen Abschied von Anna, war das Sehnsuchtsgefühl in ihm plötzlich da. “Ja, es war verrückt, als ich von ihr getrennt war, verliebte ich mich in sie.”
Aus München schrieb er ihr täglich. Alle drei Monate trafen sie sich in Karlowy Vary. Erst jetzt merkte er, was für eine außergewöhnliche Frau sie war, wie viele schöne Gedanken sie hatte und eine so starke Zärtlichkeit. 
Als sie zu ihm kam, zwei Jahre später, hatte er seine ersten kleinen Fotoaufträge und war Assistent bei dem Prominentenfotografen Stefan Moses. Er lernte viele einflussreiche Menschen kennen. Von Gräfin Dönhoff bis zu Gerhard Schröder. Die beruhigendste Erkenntnis dieser Zeit: Auch die Großen kochen nur mit Wasser.
Die Probleme kamen mit Annas Schwangerschaft. Thomas war noch nicht bereit für ein Kind. Bei dem Gedanken daran verging ihm die Lust. Er war auf Liebe eingestellt, nicht auf Verantwortung. Anna sagt später: “Im Grunde genommen war Thomas nie ein Partner, der bereit war, Probleme zu lösen, kein Vater im herkömmlichen Sinn, niemand der Verantwortung übernehmen wollte.” Sie überlegt einen Moment, bevor sie sehr bestimmt fortfährt: “Ja, eigentlich war er nie ein wirklich erwachsener Mann. Vielleicht hat ihm das vieles möglich gemacht, aber mein Leben mit ihm hat es eher belastet.”  
Sie verlor das Kind.
Ein Jahr später war sie wieder schwanger. Thomas: “Diese neun Monate bis Pauline kam, das war die erotischste Zeit zwischen uns.” 
Er war viel unterwegs, fotografierte neben den Auftragsthemen auch für sich selbst. Versuchte sich in Porträts, Landschaften, Reportagefotos. Erkannte als das gültigste fotografische Ausdrucksmittel für sich die Abbildung des nackten Körpers. “Der Akt ist für mich die Quintessenz des Porträts”, sagt er. “Da ist nichts mehr, was den Betrachter ablenken und vom eigentlichen Bild wegführen könnte, kein Kleid, kein Hut, keine Schuhe. Der Akt ist das zeitlos Wesentliche.”
Er lernte Tina kennen, eine junge Malerin. Aufreizend rebellisch und total chaotisch. Eine Abenteurerin, die ihn sofort faszinierte. Er brachte sie mit nach Hause. Anna, inzwischen erfahren in solcherart Konfrontationen, sagt: “Es hat mir wehgetan, wenn er mit anderen schlief. Nur um den Status der Großzügigkeit und Toleranz aufrechtzuerhalten, der mir anhaftete und den Thomas bewunderte, habe ich es ertragen.” 
Tina, begabt aber völlig mittellos, erweckte in Thomas sofort seinen stark ausgeprägten Helferinstinkt. Er organisierte Ausstellungen für sie, beschäftigte sie als seine Assistentin.
Anna kommentiert: “Er hat sich immer Frauen gesucht, denen er helfen konnte. Dabei projiziert er manchmal Talente und Fähigkeiten in sie hinein, die gar nicht da sind. Gewissermaßen als Ansporn für sich.”
Tina war der endgültige Anstoß, dass die Ehe nach acht Jahren “schmerzvoll und gut” auseinander ging. Tochter Pauline konnte er jederzeit sehen.
Von vornherein war klar, dass Thomas nicht der Mann war, mit dem die rastlose Tina ihr Leben teilen wollte. “Nein”, bekennt er, “so schön und reif der Sex mit ihr war, sie war von Anfang an nicht glücklich mit mir. Ich war ihr viel zu normal und zu stetig.” Das hielt ihn nicht davon ab, in das kleine Dorf unweit Münchens zu ziehen, in dem die Liebste hauste. 
Er, der die Großstadt brauchte, mietete sich im Stall eines Bauern ein und lebte eine Zeit lang provisorisch auf Kisten und Matten. Trotz der Ungewissheit mit Tina entstanden starke Bilder von ihr. Eines Tages tauschte sie ihre Behausung gegen einen LKW und verschwand ohne ein Wort in die Welt. 
Perioden bedrückender Einsamkeit mündeten meist schnell in neuer leidenschaftlicher Begeisterung für ein Gesicht, einen Körper, eine Frau. Neben der notwendigen Brotarbeit konzentrierte er sich mehr und mehr auf seine eigentliche fotografische Obsession, den Akt. 
“Ich genieße es, in ganz kurzer Zeit eine Nähe zu Frauen aufzubauen”, sagt er. Dabei lassen sich die Intensionen des Mannes nicht von denen des Fotografen trennen. “Dass ich sie als Mann interessant finde, ist die Voraussetzung dafür, dass ich sie auch fotografieren möchte. Ich denke, meinen Bildern sieht man es an, dass mir die Frauen gefallen.” 
Aber was macht sie interessant? Es ist das Besondere, das ins Auge Fallende, das möglichst keinem Klischee anhaftet. Es hat wenig mit vordergründiger Attraktivität, landläufigem Hübschsein zu tun. In den meisten Fällen ergibt sich aus einem ersten Kontakt sehr unkompliziert alles weitere. Je nachdem, für den Mann oder den Fotografen und mitunter auch für beide. 
Anna, die die längste, naheste Zeit mit ihm zusammen war, sieht es so: “Thomas ist kein Verführer und schon gar kein Vergewaltigertyp. Er ist so lustig, so unbeschwert, so naiv und unkompliziert. Er hat etwas Leichtes, darauf fliegen die Frauen.” 
Ein Freund von Thomas meint ein bisschen lax: “Er kriegt die Frauen immer, weil er sich so plüschig gibt.”
1988 hatte er genügend Fotos beisammen, um seinen ersten Band mit Aktfotos herauszubringen: “Thomas, mach ein Bild von uns”. Der Verlag Bucher produzierte ihn. Er brachte ihm den Kodak-Fotobuch-Preis.
Nach drei weiteren Bänden (Lust an sich 1995, Love Me 1998, Moments of Intensity 2001 – ebenfalls alle im Verlag Claudia Gehrke) nun überraschend der fünfte in dieser seltenen und dramaturgisch gewagten One-Person-Variante. Die Motivation dazu lieferte Stefanie. 
Thomas hat mit ihr für ein Magazin zu arbeiten. Als sie den Raum betritt, spürt er sofort das besondere Fluidum, das von ihr ausgeht. Sie hat das, was er immer sucht. Diese durch Reinheit verdeckte vibrierend erotische Ausstrahlung, die er heraus filtern würde mit seiner Kamera. Mann wie Fotograf sind in gleicher Weise elektrisiert.
Er bemüht sich um sie. Fast ein Jahr lang. Sie findet ihn interessant.
Fotografieren? Warum nicht, sagt sie, sehr souverän und deutlich desinteressiert an allem, was darüber hinausginge.  
Thomas verliebt sich in sie. Vielleicht ist es das erste Mal, dass seine Gefühle und seine fotografischen Intensionen sich in dieser jungen Frau auf so ideale Weise ergänzen. Aber Stefanie lässt die Nähe, die Thomas so dringend sucht, zunächst nicht zu. 
Er leidet darunter, sein Wunsch, mit ihr zu arbeiten bleibt jedoch unbeschadet davon. Der Fotograf in ihm siegt. 
Er fährt mit ihr auf eine südliche Insel. Bei der Arbeit erweist sie sich als ein Glücksfall. Sie ist kreativ, hat einen kritischen Blick, verfügt über erstaunlich viele Ausdrucksvarianten. Fünf Tage, an denen es knistert und funkt – Days of Intimacy. 
Das beglückende Einvernehnem in der Arbeit, sein fortgesetztes Werben um sie, die verwirrende Schönheit der Insel setzen die banale Realität für fünf Tage außer Kraft. Stefanie bringen sie soweit, seine Zärtlichkeiten zu genießen. Für eine Liebe reicht es nicht.
Sie verteidigt sich: “Mich hat er nur mit seiner Arbeit, seiner Art, seiner Welt interessiert. Nicht so sehr als Mann. Eine Beziehung mit ihm kam nicht in Frage. Unsere Lebensvorstellungen sind zu verschieden. Und für seinen Beruf bin ich einfach zu eifersüchtig.” 
Das ist die Crux von Thomas Karsten. Seine Fotografie, sein Lebenselexier, die einzig mögliche Art für ihn, die Welt zu sehen, hindert ihn immer wieder daran, eine Liebe zu halten. “Ich habe nicht viele Frauen, weil ich Aktfotograf bin, eher das Gegenteil. Viele von ihnen schreckt mein Beruf ab.” 
Beschneidet ihn diese Erfahrung in seinem Glücklichsein?
Thomas: “Ich weiß nicht, ob ich überhaupt schon einmal glücklich war.”
Und die Vorstellung von Glück?
“Eine allgemeine Zufriedenheit in einer Beziehung. Das Gefühl: Jetzt stimmt es. Und, ganz wichtig, dass ich eine solche Stimmigkeit auch bemerke. Meist gehen solche Momente in meiner Angst unter, dass sie nicht wahr sein könnten.”
Es muss schwer sein zurechtzukommen mit derartigen Unsicherheiten. 
“Na ja”, wiegelt er ab, “man muss immer nach vorn sehen.”
Anna, die ihn nach wie vor schätzt aber längst geheilt ist von dieser Liebe, kennt seine Ängste: 
“Angst vor Schmerzen hat er. Vielleicht kann er deshalb alles Schwere ganz gut verdrängen. Er tut alles in eine Kiste und stellt eine Blumenvase drauf.” 
Auf der Insel kamen sich Thomas und Stefanie trotz ihrer anfänglichen Abwehr sehr nahe. Die Bilder belegen es.
“Ich kann Sex und Gefühl in der Regel sehr gut voneinander trennen. Bei ihm fiel es mir allerdings schwer.”
Warum?
Stefanie: “Er ist zärtlich und rücksichtsvoll. Wenn die Frau sich in seinen Händen wohlfühlt, macht es ihn glücklich.”
Für ihr Alter erscheint sie sehr abgeklärt, hat festgefügte, wohlgeordnete Vorstellungen von ihrem Leben. Nach ihrer Lehre will sie einen eigenen Frisiersalon aufmachen. Sie sieht sich ohne Eile nach einem Mann um, der treu ist, und sie will Kinder mit ihm. Und vor allem will sie die Welt erkunden.
Ruhig und bestimmt sagt sie: “Meine kleine innere Stimme warnt mich, dass das mit Thomas nicht funktioniert. Ich würde ihn gern zum Freund haben, aber das wird wohl nicht möglich sein.”
Eine Weile versuchte er noch, sie umzustimmen. Dann gab er auf. Etwa zu der Zeit, als das Buch fertig war. Wohl wissend, dass ein Erfolg bei ihr keine Zukunftschancen hätte. Er würde es eine Zeit lang genießen, würde seine Augen öffnen, die Kamera bereithalten und eine neue Frau sehen.
(Holde-Barbara Ulrich)

Die Berliner Journalistin und Schriftstellerin Holde-Barbara Ulrich wurde durch ihre sensiblen, eindringlichen Reportagen in der Zeit und anderen großen deutschen Zeitschriften und Magazinen bekannt. Dafür erhielt sie u.a. den renommierten Egon-Erwin-Kisch-Preis. Bisher veröffentlichte sie fünf Bücher mit Porträts und Reportagen, zwei Lyrikbände und einen Roman; an ihrem zweiten arbeitet sie gerade.



Contacts/ Close Contact/ The Sense of Touch/ The Sensual Touch
A portrait of the photographer Thomas Karsten
By Holde-Barbara Ulrich


She is naked, spreads her thighs and caresses her breasts. An orgasm in front of the clicking camera. A very young, vulnerable face. It takes all indecency away from the extremely intimate photographic portrayal of her body.
A whole volume devoted entirely to this young woman. Stephanie, a hairdresser from Leipzig, just over twenty. You have to take a close look into her face otherwise it will disappear after turning a few pages – that is how much it changes. You only recognize her body that is just as innocent as it is seductive. 
The photographer Thomas Karsten from Munich, who originally comes from Eisenach (Thuringia), has filled four illustrated books with nudes of many different women.
A very much-noted exhibition just took place in Munich, which showed his work next to Helmut Newton’s. This “monogamous” volume is his fifth.

Looking at the models in Thomas Karsten’s photos you can immediately tell that none of them work professionally. They are just ordinary women, usually self-confident, who readily show off their nudity and enjoy while doing it. It is almost as if they had hoped for this moment of exposure. An arousing game with one’s own possibilities, which would lead to wrong assumptions by a husband, a friend or lover.
A stranger was needed, an expert, possibly an artist, who is only interested in his work. A man with friendly, helpful eyes, who is calm and humble, good-looking but not vein. And completely without any promises. They can absolutely confide in someone, who is not pushy, doesn’t animate. 
In front of him it is easy to show off the uncovered body with pride and without having a bad conscience and to tenderly play with oneself, to touch oneself joyfully, without getting laughed at, paid for, or being disowned.
The photographer Thomas Karsten is such a man. A quiet, friendly man you immediately trust. Unspectacular and natural. It doesn’t mean that despite of his professional innocence he is not aroused by what he is photographing. The feeling of desire, this wonderful warm horniness, does not overcome him while he works. “I am not a voyeur. My camera is not a window of a peep show. I am a photographer and take pictures with great commitment and in a high state of tension.” He says this in a clear, soft voice that still has a touch of the Saxon dialect in it.
“I don’t know either why it is so easy”, he wonders, “I see a woman, find her interesting and start a conversation with her. After a while I ask her if I would be allowed to take pictures of her. Not more and not less, that’s it. We hardly arrive at the studio and she already undresses and moves without inhibitions in front of my lens. I don’t explain anything, give no directions, and make no demands. I trust in whatever she offers me. I work calmly and concentrated. She enjoys the attention I give her. She seldom gets that much from her husband. Many of my models leave with higher self-confidence. Some also fall in love with me.”
Also the photographer falls in love. Even quite often. Usually not with his models, and if so, long before they work together or afterwards. Often he falls in love long before he thinks of shooting pictures with her. And sometimes only when the relationship has gone on for a while. Love and work seldom inspire each other. And if so, it is a case of luck, and it mostly ends unhappily.
Thomas does not fall in love with those women who want him. He is put under a spell by those who reject him – a bit of fooling around perhaps but nothing serious. They like him and find him gentle and pleasant-natured, many a time also interesting. They start a relationship with him and cheat on him with the next best that comes along. Then they are gone and he suffers immensely.
Take Clara for example. His first painful love at the age of nineteen. She was sitting at the table next to his at a dance club. Spectacular eyes in which he immediately fell in love with. It’s always the eyes. “It doesn’t have to be something erotic, like a sexy figure or something. That is only secondary. It is the feeling which is evoked by the sight of a woman”, he explains.
Clara let him run after her for a long time. After several months she slept with him but only when she had had a few drinks. And even then, without any tenderness. Sometimes she sent him little love notes. Then again she left him without notice. All in all she didn’t really seem to care much about him. And yet – or perhaps for that reason – he loved her.
These kinds of stories always end the same way: While traveling abroad, he and Clara get into a conversation with an interesting man. He offers them to stay the night. A large bed for all three of them. Clara lies in the middle. She sleeps with the stranger. The next morning she goes off with him. Thomas is deeply hurt. One year later they meet again. His sorrow has vanished, his love as well. From then on they become friends.
Thomas Karsten has a great deal of understanding for women. He is able to put himself into their position. Quickly and completely unselfishly he is willing to forgive them (which is very rare for men). Women are immediately aware of this almost tender gentleness. It is this softness that makes it all so carefree and them so secure.
The affinity towards women has a long tradition for him. Already in kindergarten he liked to spend his time with the girls. He was small, rather fragile, with black curly hair. The boys didn’t pay attention to him. At school he sat beside a girl. When the boys started to make nasty remarks, he made friends with the toughest boy of them all. From then on they kept quiet.
“Right from the start, I felt attracted to girls. I could talk to them, they understood me. There was a kind of congeniality of spirit.” It is probably this strong female side in him, this inner devotion to women that enables him to have this close human contact to them even at work.
He himself sees it this way: “When I am in love with a woman with whom I work with, at best it can stimulate and inspire me and at worst it can hinder me. But the picture remains the most important thing.”

Thomas’ parents got divorced when he was a child. He and his younger brother grew up in Leipzig with their mother, a very busy judicial representative. His father, an artist, who lived far beyond his means, impressed Thomas. “He had dogs and horses and much younger partners. He drove the huge old state carriages of Moscow officials. The T.V. was always running when I visited him. I admired him because I thought he was a completely free man.” Shortly after he died in a car accident.
Thomas left school after finishing grade ten. He didn’t finish high school, nor did he attend university because he wasn’t willing to sign up at the army for three years. Instead he finished training as a communications technician. He moved out when he was eighteen and he joined the lively art scene of Leipzig. “A creative period which influenced my further development”, he says. 
He gave up ambitious tries to paint, due to the influence of friends he took up photography. Soon he realized that Leipzig would not be the place to fulfill his dreams. Well known artists, also friends of his left the country by the dozen.
In 1982 he too left for West Germany, following his mother who had not returned from a family visit. He left Anna behind, an artist, who had helped him to get over the emotional disaster he had had with Tatjana.
He came across Tatjana, the wild, eccentric Russian girl, because he resembled someone she had once loved and then lost. She constantly let him know that he was only second choice. This spurred him on, which was to be expected.
Now he summarizes: ”Actually, I didn’t have much of her. She was an alcoholic and she had a tendency to violence. She didn’t love me because I wasn’t the one who had left her.”
And exactly then Anna appeared, his neighbor. Eventually they began to talk to each other. A smart, sensitive woman – not more, Thomas thought. She came to visit him frequently, always on Fridays when her boyfriend was away. “Hours of coziness without any erotic feelings”, says Thomas.
Right from the start, Anna, who later became his wife, had deeper feelings for him. “I was totally in love with him. I realized very soon that he was the man I wanted to have a child with.”
He had never thought of something so burdensome as a child. Anna had indeed raised feelings of admiration, of closeness, of mutual understanding but she had not raised feelings of longing in him, not this restless, apprehensive feeling he calls love and which always includes the possibility of loss and the elemental fear to lose and which ties him to a woman all the more. Children? – Nothing more had happened between Anna and him aside from talking. 
But then it suddenly happened. A friend they were visiting had given them such a small bed that it virtually provoked contact to one another. “We touched each other”, Thomas recounts, “ a strong intimacy arose and we slept with each other. Suddenly I was in a relationship I actually wasn’t striving for.
“Sex went too fast with Thomas”, she says, “not very arousing. Together we worked through the Hite-report. Afterwards we had great, satisfying sex.

She was studying in Halle and he was in Leipzig. His first nude photos were taken with her – beautiful but incidentally. For both of them it was clear that he would be going to West Germany. He was waiting for the authorization. When he was allowed to leave after waiting for two years, it was a hard and sad farewell from Anna. Suddenly the feeling of yearning was present. “Yes, it was absurd, when we were separated I fell in love with her.”
He wrote her everyday from Munich. Every three months they met in Karlowy Vary.
Only now did he realize what a remarkable woman she was, how many wonderful ideas she had and such strong tenderness.
When she joined him two years later he had his first small photo job and was an assistant for the famous photographer Stefan Moses. He got to know many influential people: From countess Doenhoff to Gerhard Schroeder. The most reassuring recognition he had during this period: the famous are also no different from anybody else. 
The problems began with Anna’s pregnancy. Thomas was not yet ready for a child. Just the thought of it killed his desire. He wanted love not responsibility. Anna said later: “Basically Thomas was never a partner in life who was willing to solve problems, not a father in the conventional sense, not a person who wanted to take responsibility.” She thinks for a moment before she continues very resolutely: “Well actually he was never a real grown-up man. Maybe this helped him to make many things possible but it burdened my life with him.
She lost the child.
One year later she was pregnant again. Thomas: “The most erotic time we had together were these nine months before Pauline’s birth.” He traveled a lot. Apart from taking pictures for his customers he also took many for his own sake. He tried his hand at doing portraits, landscapes and report photos. He recognized for himself that the illustration of the naked body is the most valid means of expression. “For me the nude is the portrait’s quintessence”, he says. “There is nothing to distract the viewer and that could lead him away from the picture, no dress, no hat, no shoes. The nude is the timeless essence.” 
He got to know Tina, a young artist. Rebellious and totally chaotic. An adventuress who fascinated him at once. He brought her home. Anna, being used to these kinds of confrontations by now, says: “It hurt me when he slept with others. I endured it all just to keep up the status of generosity and tolerance that I had and which Thomas admired.
Tina being talented but completely without means increased in him his well-developed feeling to help. He organized exhibitions for her, employed her as his assistant. Anna adds: “He always picked out women whom he could help. Hereby projecting talents and abilities onto them that don’t even exist. In a way to encourage himself.” 
Tina was the final impulse for the “painful and good“ break-up of their marriage that had lasted eight years. He was allowed to see his daughter Pauline anytime. 
Right from the beginning it was clear that Thomas was not the man the young and restless Tina wanted to spend her life with. “No”, he admits, “right from the start she was not happy with me, even though we had good and mature sex. I was much too normal and steady for her.” This didn’t keep him back from moving to the small village outside Munich where she lived.
He who needed the big city rented a barn on a farm and lived on cartons and mattresses for a while. In spite of the uncertainty with Tina intense pictures of her came into being. One day she traded her accommodations for a truck and disappeared without a word.


Usually periods of depressing loneliness quickly led to new passionate enthusiasm about a face, a body, a woman. Next to the necessary bread winning he concentrated more and more on his actual photographic obsession, the nude.
“I enjoy building up closeness to a woman in very short time”, he says. In the course of this, the intentions of a man cannot be separated from those of the photographer. “To find them interesting as a man is the presupposition to want to take pictures of them. I think my photos reveal that I really like these women.” But what makes them interesting? It is the extraordinary, the eye-catcher which doesn’t adhere to a stereotype. It has little to do with superficial attractiveness, with general prettiness. In most cases the first contact results in everything else, it’s very uncomplicated. As the case may be, either for the man or the photographer and sometimes even for both.
Anna, who spent the most and closest time with him, sees it as such: “Thomas is not a seducer and by no means the rapist-type. He is so funny, so carefree, so naïve and uncomplicated. He is so easy-going – that’s what women are mad about.”
A friend of Thomas’ says a bit laxly: “He always gets the women because he acts so ostentatiously.” 
By 1988 he had enough photos together in order to publish his first volume illustrating nudes: “Thomas, mach ein Bild von uns” [Thomas, take a picture of us]. The publishing house “Bucher” produced it. It got him the Kodak – photo book-prize.
After three further volumes (Lust an sich, 1995; Love Me, 1998; Moments of Intensity, 2001 – all published by Claudia Gehrke) now comes this unexpected fifth volume in a rare and dramaturgical daring one-person variation. The motivation for it came from Stephanie.
Thomas had to work with her for a magazine. When she entered the room he sensed her special aura at once. She had precisely what he had been looking for. This vibrating erotic magnetism covered-up by pureness. A charisma he would like to filter out of his camera. The man and the photographer in him are both exhilarated. He courted her. Almost for a whole year. She finds him interesting. To take photos? “Why not,” she says most superior and clearly uninterested in anything that could go beyond taking pictures.
Thomas falls in love with her. It might be the first time that his feelings and his photographic intentions complement one another so ideally in this young woman. But Stephanie won’t allow the closeness Thomas is looking for so urgently. He suffers under these circumstances but his wish to work with her is unbroken. The photographer in him triumphs. 

He takes her to a southern island. At work she is a stroke of luck. She is creative, has a critical eye for things, can vary her expressions surprisingly well. Five days filled with intense feelings – Days of Intimacy. 
The wonderful work together in perfect harmony, his continued courting and the mystifying beauty of the island lets them forget reality for five whole days. This atmosphere is so infectious that Stephanie starts to enjoy his caresses. But she is not in love.
She defends herself: “Only his work, his personality, his world view attracted me. He did not interest me as a man. A relationship with him was out of the question. Our ideas of how we would like to live our lives are much too different. And I am way too jealous to have a partner with a job like his.” 
That is Thomas Karsten’s problem. His photography, his elixir of life, the only possible means for him to see the world, prevents him time and time again from keeping a partner. “I don’t have very many women because I take pictures of the nude, it’s actually quite the reverse. My job puts many of them off.”
Do these experiences make him unhappy? Thomas replies: “I don’t know if I have ever been happy at all.” Does the idea of happiness exist? “Having the feeling of general satisfaction in a relationship. The feeling that now everything is right. And what is really important is that I actually feel this harmony. Usually these feelings are drowned by my fear of them not being real.
It must be hard to cope with such insecurities. “Well”, he appeases, “you always have to look into the future. 
Anna who still thinks highly of him but who has recovered from this love long ago knows his fears: “He is afraid of pain. Maybe that is the reason why he can suppress everything serious or difficult quite easily. He locks everything up in a chest and throws away the key.”

Thomas and Stephanie got really close on the island despite her rejection at the beginning. The pictures prove it.
“Usually I can draw a distinction between sex and emotions without difficulty. Though with him it was quite hard. But the feeling didn’t take complete control of me.”
Why?
Stephanie: “he is gentle and considerate. It makes him happy when the woman feels comfortable around him.”

There is no doubt about it. She appears to be very worldly-wise for her age, has sturdy, well-ordered ideas of her life. After she has finished her apprenticeship she wants to open up her own hairdressing salon. Without any haste she will look around for a man who is faithful and whom she wants to have children with him. But most of all she wants to explore the world.
Calmly and definite she says: “My small inner voice warned me that it wouldn’t work out between Thomas and me. I would like to be friends with him but that will probably not be possible.”
He still tried to convince her for a while but then he gave up. This was when the book was finished. Knowing that its success would not change her mind. He would enjoy it for a while, would keep his eyes open and his camera ready und would discover a new woman.

2001 · Moments Of Intensity

192 Seiten
121 Abbildungen
Großformat  24×30,5cm,
schweres Bilderdruckpapier,
durchgehend Duplex gedruckt,
gebunden mit Schutzumschlag,
mit einem Vorwort von Jennifer Baumgardner
und Texten von Sigrun Casper 
Preis: 39,90 Euro
ISBN: 3-88769-176-8
Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke, 2001

direkt hier bestellen: info@thomaskarsten.com


Die Presse:
 
„Moments of Intensity. Akt vom Besten, niemals langweilig ‚Schön‘ – und in der für diesen Verlag üblichen exzeptionellen Buchgestaltung“
(Die Presse, Wien)
 
„Für Freunde erotischer Unbekümmertheit“
(Die Zeit)
 
„Subtile Spannung zwischen Modell und Fotograf“
(Die Rheinpfalz)


Vorwort von Jennifer Baumgardner

«Meinen ersten Schnappschuss machte ich, nachdem ich meinen ersten Fotoapparat bekam. Es war das Portrait eines Freundes. Ich muss ungefähr 12 Jahre alt gewesen sein. Aber mein erstes Aktbild wurde von einem Motiv inspiriert, das ich mit 6 Jahren im Kopf hatte. Es war das Bild einer nackten Frau aus einem Märchenbuch, das wir im Kindergarten hatten. Ich nahm das Buch mit nach Hause und versuchte, das Bild abzumalen. Ich glaube, das war der Beginn meiner Leidenschaft für Aktfotografie.»
(Thomas Karsten, Juli 2001)
 
Die meisten Fotos von nackten Frauen sind mir, einem amerikanischen Mädchen, das in den glühend-feministischen 70ern geboren wurde, ein bisschen suspekt. Und ein bisschen langweilig – so wie ja-ja, schon mal gesehen, von letztem Jahr. Weibliche Akte sind doch der Drei-Akkord-Rocksong der Kunstwelt. Ein Kunststück, wofür man nicht viel Technik oder Fantasie braucht, das seinen Reiz aus etwas in unserem tiefsten Innern (unserer Prüderie und Lüsternheit) zieht. Ein solches Bild könnte im Museum für Moderne Kunst hängen oder sich in Larry Flints amerikanischem Muschi-Blatt Hustler rekeln –jedes Foto würde funktionieren. Obwohl ich das sage, muss ich hinzufügen: Ebenso wie Drei-Akkord-Rock’n’Roll trotzdem gut ist, so sind Fotos von nackten Frauen meist schön (also inhärent «Kunst»?), wie auch sexy.
Was Künstler des Genres Frauen-Aktfotos voneinander unterscheidet, ist daher nicht die Technik oder der Inhalt, sondern die Ästhetik – der Stil. Die klaren, messerscharfen Linien von Man Rays Vorkriegsfrauen; das weichbusige, rundhüftige Playboy-Mädchen von nebenan im Slip, das Hugh Hefner dem Mann in den 50ern brachte; die verführerische, rasierte Lady mit geöffnetem Mund, mit der Larry Flint Hugh Hefner in den 70ern ins Land sexueller Belanglosigkeit beförderte.

Thomas Karsten, am 6. März 1958 im Sternzeichen Fische geboren, hat seit 1988 vier Bücher veröffentlicht – alle drücken seine Leidenschaft für Akte aus. In seinem ersten Buch, Thomas, Mach’ ein Bild von uns, fotografierte er Paare – im heterosexuellen Sinn. Seitdem hat er sich auf Frauen und Paare im sapphischen Sinn konzentriert. «Ich bin nicht unbedingt an lesbischen Bildern interessiert,» schrieb er mir in einer E-Mail, die seine Assistentin aus dem Deutschen übersetzte. «Ich bin generell an Frauen interessiert, und ich arbeite gern mit mehr als einem Modell, weil das eine ganz andere Atmosphäre schafft. Mir ist es wichtig, während des Shootings eine Stimmung zu erzeugen, in der sich die 
Frauen wohl genug fühlen, sie selbst zu sein. Meistens fühle ich mich selbst wie ein Beobachter der Szenen, die die Frauen kreiert haben.»

Als Karsten etwa 19 Jahre alt war, lebte er in Ostdeutschland. In Ostdeutschland war es in den 70ern nicht wie in den USA. Es gab nur ein Magazin mit nackten Mädchen, und in seiner Zeit dort sah er nur eine einzige Ausstellung von Akten, die ein Fotograf aus Leipzig gemacht hatte. Die Fotos waren Bilder von sehr jungen und schönen, model-ähnlichen Mädchen. Betrüblicher noch als der Mangel an Fotos war ihre Qualität: Wenn der Leipziger Fotograf über seine Arbeiten sprach, behauptete er, er versuche, die Persönlichkeit der Mädchen rauszubringen – aber das sah Karsten in dessen 
Arbeiten nicht. «Und das war meine Inspiration, Fotos von Frauen zu machen»,  sagt Karsten. «Zu versuchen, mehr als nur einen schönen, jungen Körper zu zeigen.»
Thomas Karstens Akte sind zu einem großen Teil klare kurze Blicke auf das innere Heiligtum von Frauen, wie auch auf Frauen, die Sex mit sich selbst oder einer anderen Frau haben. Die Modelle sind keine Profis, und sie fühlen sich deutlich wohl dabei, sich von Karsten fotografieren zu lassen. Mit manchen arbeitet er schon so lange zusammen, dass er inzwischen Fotos von ihren erwachsenen Töchtern macht. Sein Stil wirkt wie matt schimmerndes Porzellan, die Modelle vergnügt, in einem kühlen  Raum, der zur Aufbewahrung von Filmen oder Batterien geeignet wäre. Es ist nicht der glatte nahezu feucht wirkende Hochglanzeros des amerikanischen Hustlers. Noch ist es das schmutzige, cool-für-dich, tätowiert-und-auf-der-Toilette Mieze-Image, was durch den amerikanischen Fotografen Richard Kern berühmt wurde (dessen Buch, New York Girls, als eine neue Herangehensweise an den Drei-Akkord-Akt bezeichnet wurde). Oft schauen die Modelle in die Kamera. Es gibt auch eine Menge nach außen gerichteter Offenheit, Masturbation mit Fingern auf Art und Weisen, die ich nicht wiedererkenne, rasierte Mösen, viele Busenberührungen wie bei verhinderten Xenas, Körpermalfarbe, etwas echten Oralsex. Leidenschaftlich, mit Sicherheit; aber hat Karsten den Charakter oder die Persönlichkeit der Frauen in all diesen Moments of Intensity festgehalten? Wie hält man die Persönlichkeit einer Frau fest, die nackt für ein Buch Modell stehen will? Diese Frauen sind, per definitionem, Exhibitionistinnen – und was ist verhüllter als eine nackte Exhibitionistin, die für die Kamera posiert?
Aus meiner Sicht (amerikanisch, feministisch, zynisch, die Sorte von Mädchen, das nackt posieren will) hat Karsten sein Ziel, den Charakter der Frau festzuhalten, in den Bildern erreicht, die am wenigsten «intense» sind. Das süße Mädchen, das rauchend auf der Tischplatte sitzt, mit der Orchideen-Tapete im Hintergrund. Das Mädchen im Pullover auf dem Dach mit relativ intaktem Schamhaar. Die sexy Brünette mit verworrenem Haar, die auf der Seite liegt und zu einem merkwürdig bequem aussehenden Knoten verdreht ist. Die traurige Blonde mit den kurzen Haaren, die in sich zusammengesunken wie eine Inderin dasitzt, und deren spitze Brüste wie kleine umgekehrte Matterhörner aussehen. Die zwei gepiercten Joan Jett-Style Lesben, die nicht außergewöhnlich oder ekstatisch oder auch nur erregt aussehen, sondern einfach zufrieden in ihrer Kuschelstellung. Vielleicht sind das die Bilder, die nicht nur von Frauen sind, sondern auch für Frauen.
Schließlich ist für ein Mädchen – oder ein paar Mädchen – die nackt dem vertrauten, forschenden Blick eines Mannes mit einer Kamera gegenüberstehen, Entspannung der intensivste (und seltenste und zarteste) Moment von allen.
(Jennifer Baumgardner, New York City, August 2001, Übersetzung: Kerstin Mächler)


Foreword by Jennifer Baumgardner

«The first snapshot I ever took after receiving my first camera  was a portrait of a friend. I must have been 12. But my first nude picture was inspired by an image I had in my mind at the age of 6, which came from a fairytale book we had at kindergarten with a drawing of a naked woman in it. I took the book home and tried to copy it onto paper. I think that was the beginning of my passion for nude photography.»                                                                        Thomas Karsten, July 2001
 
Most photos of nude women are to me, an American girl born in the fiery feminist seventies, a little suspect. And a little dull—as in ho-hum, seen that, and last year. Female nudes are, after all, the three chord rock song of the art world. A feat that doesn’t take a lot of technique or imagination, which derives its thrill from something based inside of us all (our prudery and our prurience). The shot in question could be in the Museum of Modern Art or a spread in Larry Flint’s American beaver rag Hustler—any photo will do. Having said that, though, I must add: just as three-chord rock and roll is delicious and fun in spite of itself, photographs of nude women tend to be beautiful (thus, inherently «art»?), as well as sexy.
Much of what has come to differentiate artists within the genre of Nude Photos of Women, therefore, is not technique or subject matter, but aesthetic—style. The clean, rapier line of Man Ray’s pre-war women; the soft-nippled, round-hipped, underpants-clad Playboy girl next door that Hugh Hefner handed to the fifties man; the lurid, open-mouthed, Showing-Pink Lady of the seventies that Larry Flynt used to boot Hef into the land of sexual irrelevance.

Thomas Karsten, a Pisces born on the 6th of March, 1958, has published four books since 1988—all expressing his passion for nudes. In his first book, entitled Thomas, Take a Picture of Us, he photographed couples—in the heterosexual sense. Since then he has focused on women and couples in the Sapphic sense. «I am not particularly interested in lesbian images,» he told me in an e-mail, translated from German by his assistant. «I am generally interested in women, and I enjoy working with more than one model because it creates a completely different ambience. The important aspect for me is to create an atmosphere during a shooting session which allows the models to be themselves. I consider myself an observer of the scenes created by those models.» 

At the age of 19, Karsten was living in East Germany. East Germany in the early seventies was no U.S. of A. There was only one magazine with naked girls and, during his time there, he saw a single exhibition of nudes taken by a photographer from Leipzig. The photos he saw were all of very young and pretty, model-like girls. More distressing than the dearth of photos was the quality of them: when the Leipzig photographer talked about his work, he claimed that he sought to bring out the girls’ personality—but that was not what Karsten saw in the man’s work. «And that was my inspiration to start taking pictures of women,» says Karsten. «To try to show more than just a nice young body.» 

Thomas Karsten’s nudes are largely bare glimpses of women’s inner sanctum along with women having sex with themselves or another woman. The models are not professionals and, clearly, they feel at ease being photographed by Karsten. Some he has been working with for so long that he is now taking pictures of their grown-up daughters. His style looks as if it was dusted with talc and the models cavorted in a cool, dark room suitable for storing film or batteries. This is not the slick, high-gloss eros of American Hustler. Nor is it the dirty, cool-for-you, tattooed-and-on-the-toilet chick-shot made famous by the American shooter Richard Kern (whose book, New York Girls, was reported to be a fresh take on the three-chord nude). The models frequently direct their gaze at the camera. There’s also lots of splayed openness, digital masturbation in ways I don’t recognize, shaved pussies, lots of grabbing of breasts like frustrated Xenas, body paint, some actual oral sex. Impassioned, to be sure; but did Karsten capture these women’s characters or personalities in all of these moments of intensity? How does one capture the personality of a woman who wants to pose nude for a book? Those women are, by definition, exhibitionists—and what is more masked than a naked exhibitionistperforming for the camera? 
By my standards (American, feminist, cynical, the type of girl who wants to pose in the nude), Karsten met his own goal of capturing the character of the woman in the shots that are the least «intense.» The moppet-ty girl sitting on the table top, smoking, with orchid wallpaper behind her. The sweater-clad girl on the roof with relatively intact pubic hair. The sexy brunette with tangled hair, lying on her side, contorted into a weirdly comfy-looking knot. The sad-sack blond with the short hair who sits in slumpy Indian style and whose pointy breasts look like wee inverted Matterhorns. The two pierced Joan Jett-style lesbians who look not transcendent or ecstatic or even titillated, but contented in their nestling pose. Maybe these are the shots not just of women, but for women. 
After all, for a girl—or a couple of girls—to stand naked in front of the familiar probe of a man with a camera taking a peek, relaxation is the most intense (and rare and delicious) moment of all.
(Jennifer Baumgardner, New York City, August 2001) 

Jennifer Baumgardner ist eine feministische Schriftstellerin und Herausgeberin, sie lebt in New York City. Sie schreibt regelmäßig für Bust, The Nation, Jane, Glamour, Marie  Claire, Z, Harper’s, Nerve, Ms. u. a. Außerdem ist sie Co-Autorin – mit Amy Richards – des Manifests: Junge Frauen, Feminismus und die Zukunft. Für den Verlag Farrar, Straus & Giroux gestaltet sie zur Zeit die Neuausgabe einer Reihe feministischer Klassiker und schreibt die Einführungen (der erste Klassiker dieser Reihe ist Germaine Greer’s «Der Weibliche Eunuch»). Und sie schreibt gerade ein neues Buch: Schau in beide Richtungen: Mädchen und Sex (voraussichtliches Erscheinen: 2003)


Texte von Sigrun Casper

Auf einem Fest treffe ich einen Mann. 
Letztens, sagt der Mann, sei ihm etwas Seltsames passiert. 
Auf einer Wiese, wo die Leute nackt rumlaufen, habe er Frauen und Männer beobachtet, und beide seien ihm gleichermaßen wie Tiere vorgekommen.
 
Sonst sähe er immer nur die Körper der Frauen und könne gar nicht anders, als sie mit einem bestimmten Interesse zu betrachten. Warum sagt er das zu mir, was ist die Botschaft? Ich wünsche mir schon so lange seinen Blick auf mich als Frau, den elektrifizierenden Blick, der von den Augen in die Lippen, in die Hände springt.
 
Auch ich, entgegne ich, eine Frau mit meinen Blicken verfolgend, die ihren Körper lasziv und selbstvergessen vor den Händen ihres Partners windet, auch ich finde nackte Frauen schöner anzuschauen. Der Mann lächelt mich an.
 
Ich widerstehe dem Impuls loszuspringen und für ihn zu tanzen und sage: Manchmal, wenn ich Frauen ansehe, vergleiche ich sie mit mir und werde böse. Who compares will never be happy, entgegnet er und ich verstehe, warum er die andere Sprache benutzt, er will nicht dass ich verlegen werde.
 
Ein Mann, den ich will, dem ich mich, meinen Körper, zeigen und schenken will, und ich, stehen zwischen lauter schwatzenden Leuten, jeder mit einem Glas Wein in der Hand, mitten im Soul, nahe bei den Tanzenden.
 
Ich bewege meine nackten Schultern vom Rhythmus gestreichelt, er schaukelt mit dem Oberkörper zu mir hin und von mir weg, als wolle er meine Brust mit seinem Mund berühren und ich scheue davor zurück. Ich brauche ihm nur das Glas aus der Hand zu nehmen und beide Gläser irgendwo abzustellen und so zu tanzen, dass er sich vorstellen kann, wie ich nackt aussehe.
 
Statt dessen halte ich die Schultern still und verteidige mich. Es kommt aber auch vor, dass ich bei einer Frau, die ich schön finde, sehe, was ich nicht habe, und trotzdem keinen Neid empfinde. Vielleicht sehe ich sie dann auch mit einem Blick wie auf ein Tier, ohne abzuschätzen, ohne Begehren.
 
Als wäre ich selbst ein Tier, kein Kulturwesen mit eingebautem und festgestelltem Blickwinkel, schwatze ich. Er runzelt die Stirn. Um mich herum sehe ich Frauen, nur noch Frauen mit griffigen Brüsten unter ihren Kleidern, federnden Hüften und ranken Schenkeln. Ich fange an zu lachen.
 
Ich will von dem Mann nicht angesehen werden wie ein Tier. Er trinkt sein Glas leer und schaut suchend um sich. Sehen, was du nicht hast ist etwas anderes als sehen, was dir fehlt, bringe ich noch schnell heraus, damit er bei mir bleibt.
 
Er schüttelt den Kopf und grinst. Was redest du da, Katze. Ich sehe, was mir fehlt, sagt er, Haut, Haut, deine Haut. Er nimmt mir das Glas aus der Hand und trinkt es leer.               

(Sigrun Casper, 2001)

Sigrun Casper, Schriftstellerin in Berlin, sie publizierte Romane, Erzählungen und Lyrik, zuletzt: «Bleib’ Vogel». Liebesgeschichten.

1998 · Love Me

192 Seiten
176 Abbildungen
Großformat  24×31,5 cm,
schweres Bilderdruckpapier,
durchgehend Duplex gedruckt,
gebunden mit Schutzumschlag,
mit einem Vorwort von William E. Ewing
und einem Text von Recha Jungmann
Preis: 39,90 Euro
ISBN: 3-88769-124-5
Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke, 1998


Die Presse:
 
“Für Thomas Karsten hat Erotik nichts Dramatisches, eher etwas Leichtes und Heiteres, und den Frauen, die sich für seine Aktfotos in Positur stellen, merkt man ihr Vergnügen an …”
(Die Zeit)
 
“Diese Bilder kommunizieren mit dem Betrachter, sind lebendig und dadurch ein Triumph der alltäglichen Schönheit … so oder so ähnlich würde man die eigenen PartnerInnen auch gerne ins Bild setzen.” 
(Hersfelder Zeitung)

Fleisch statt Form
(Vorwort von William A. Ewing)

Eines der beständigsten, vielfältigsten und meist diskutierten Motive, das sich durch die Kunstgeschichte zieht, ist der Akt – oder, um dieses Wort einmal von seinen politischen Inhalten und ästhetischen Ansprüchen zu befreien, – der nackte menschliche Körper. Die Besänftigung von magischen Kräften, moralische Belehrung, wissenschaftliche Forschung, religiöse Indoktrination, technische Herausforderung, erotische Erregung, das Schockieren spießbürgerlicher Empfindsamkeiten – dies sind nur einige der mannigfaltigen Absichten, die die Bildermacher bewegten, seit der prähistorische Mensch vor 30.000 Jahren die erste „Venus“ in Kalkstein ritzte.
Die Photographie hat diese große Tradition noch ausgedehnt und bereichert. Wenn man ihre vergleichsweise kurze Geschichte betrachtet, ist es tatsächlich auffällig, wie weit verbreitet dieses Motiv ist und wie oft der nackte Körper mit den besten Arbeiten der großen Meister in Verbindung gebracht wird. Man denke nur an Man Ray, Cunningham, Weston, Mapplethorpe oder Witkin. Ähnlich wie in der langen Tradition der Malerei und der Bildhauerei, ist einer der faszinierendsten Aspekte des Genres die Beziehung zwischen dem Photographen und seinem Modell – schließlich lag, historisch gesehen, die Darstellung von Akten meist in den Händen männlicher Photographen.
Was treibt einen Photographen, wenn er sich einem nackten menschlichen Körper gegenüber sieht? Die Motive sind unterschiedlich: das eigene Verlangen, ein Kunstwerk zu erschaffen, oder Geld, oder Pornographie oder vielleicht auch das Bedürfnis, Liebe zu zeigen. Es kann sich dabei um professionelle Photographen und Modelle handeln oder um Amateure, Fremde oder Freunde. Doch gleich in welcher Beziehung sie zueinander stehen, es besteht immer ein wechselseitiger Austausch zwischen ihnen. Die erfolgreichsten Kunstwerke scheinen sich aus den photographischen Transaktionen zu ergeben, in denen ein bestimmtes psychologisches Gleichgewicht erreicht wird, das heißt, wenn der Photograph, ohne die ästhetische Kontrolle zu verlieren, seinen Modellen die Zeit und den Raum läßt, sich selbst darzustellen.
Thomas Karsten ist es gelungen, diesen Balanceakt mit sicherer Gelassenheit zu vollziehen. Seine weiblichen Modelle ähneln in keiner Weise den Objekten, die man gemeinhin mit der dominanten bildlichen Tradition assoziiert. Diese Tradition bildet „die Frau“ als gut entwickelt und passiv ab, stellt sie gleichgültig in idyllische Landschaften oder präsentiert sie verloren in erotischen Träumereien. Ebensowenig ähneln Karstens Modelle den glänzenden, geistesabwesenden Sirenen aus Playboy und Vogue. Bescheidenheit, Weiche und Fügsamkeit, diese zunehmend gebrochenen Ideale der Weiblichkeit, die lange Zeit das wichtigste Ausgangsmaterial für Akte waren, das sind Qualitäten, mit denen auf diesen Seiten kurzer Prozeß gemacht wird. Die hier abgebildeten Frauen sind ganz offensichtlich Individuen, die Karsten kennt und – noch wichtiger – die er mag. Er lädt uns ein, durch und durch moderne Frauen zu betrachten, die sich mit ihrem Körper wohl fühlen und offen mit ihrer Sexualität umgehen können. Mit dieser dionysischen Betonung der Sinnlichkeit und des Fleisches, stellt „Love Me“ daher einen willkommenen Gegenpol zu einem Genre dar, das allzu oft das apollinische Ideal der reinen äußeren Form betonte.
 (August 1998, William A. Ewing)
 
William A. Ewing ist eine anerkannte Autorität auf dem Gebiet der Photographie. Er hat Ausstellungen zusammengestellt u.a. für das Museum of Modern Art, New York; Centre Pompidou, Paris; Montreal Museum of Fine Arts; Palazzo Fortuny, Venedig; International Center of Photography, New York. Er ist jetzt Direktor des Musée de I`Elysée, Lausanne.
 

Das bin auch ich
(Text von Recha Jungmann)

Noch nie habe ich so viel weibliche Sinnlichkeit und Süße und Schönheit in so vielen Facetten in einem einzigen Buch gesehen. Als ich zum ersten Mal einige von Thomas Karstens Aktphotos in einer Ausstellung sah, und vor jedem einzelnen lange stehen blieb und schaute und schaute, und dann wieder zum ersten ging und wieder zum zweiten – ich glaube es waren fünf –, versuchte ich mir eine Antwort zu geben auf das, was mich daran so fesselt, so fasziniert. Es war nicht die Nacktheit an sich, die mich wie magisch anzog, sondern diese Frauen, wie sie sich mir zeigten, sich darstellten, so unterschiedlich jede, und jede mir doch so vertraut. Ihre Körper, ihre Augen, ihre Gesten sprechen mit mir, als ob ich es sei, die hinter der Kamera steht, und gleichzeitig fühle ich mich als eine von ihnen. Ich glaubte diese Frauen zu kennen, sie schon einmal gesehen zu haben, auf der Straße im Vorbeigehen, auf einer Party, in einem Konzert, aber nie konnte ich sie so ungestört betrachten, so nackt, so intim, so lange ich möchte. In manchen Frauen kann ich mich wiedererkennen, als ob ich in einen Spiegel schaue, wie die Frau, die aus dem Wasser steigt, mit ihren Händen noch die Sanftheit des Wasser spürend kommt sie mir entgegen, mit geschlossenen Augen. Oder jene, die langgestreckt auf einem Teppich liegt, den Himmel in ihrem Körper. Oder jene, die zusammengekauert auf dem Boden hockt und zu mir heraufschaut, unsicher, ob es auch wirklich ihr Wunsch ist, sich mir unverhüllt zu zeigen. Dann wieder sind es nur Gesten, die mir vertraut sind, wie die Hände schützend zwischen die Beine zu legen, die Schamhaare zu bedecken ohne wirklich Scham zu empfinden, es ist eher Scheu, gepaart mit dem Wissen um die Schönheit meines Körpers, den ich nicht vollständig preisgeben möchte, dieses Hin und Her, dieses Spiel: sich dem Gegenüber zu öffnen und sich wieder zu verschließen. Ich kenne das Empfinden, wenn man die Hände auf die Brüste legt und nicht nur, um sie vor fremden Blicken zu schützen, sondern auch, weil es mir gefällt sie anzufassen, ihre Weichheit, ihre Rundung zu spüren, und ich kenne es auch, den Körper schmücken zu wollen mit Ketten, mit Strümpfen, Schuhen und Schleiern, nur um meine Nacktheit noch verführerischer zu gestalten. Wie gerne wäre ich die Frau, die ganz nackt auf dem gemähten Kornfeld steht, im Hintergrund ein dunkler Wolkenhimmel mit dramatischem Licht. Ich spüre den Wind auf meiner Haut, und mein nackter Körper und die weite Landschaft sind eins. Und dann wiederum gibt es Frauen, die sich ganz anders darstellen, als ich mich darstellen würde. Da gibt es eine, die ich besonders lustig finde undfrech, wie sie mit der Kamera – mit mir, der Betrachterin – kokettiert; sie öffnet ihre Beine so lustvoll und weit und lacht dabei und zwinkert mir zu; sie scheint solch verführerische Posen zu kennen und spielt sie mir vor mit Straps und Strümpfen und Stöckelschuhen. Eine andere hebt ihren weiten rüschigen Rock und zeigt mir herausfordernd ihren Po, während eine andere auf dem Boden hockt mit scheinbar geschlossenen Beinen, mir den Blick frei gibt auf ihre Schamlippen, ganz ohne Scham.

Manche Frauen zeigen mir ihren Körper freimütig und nackt, während ihr Blick mich abweist; auch dies finde ich reizvoll. Doch so unterschiedlich die Frauen auch sind und sich darstellen, so scheint es mir doch, als ob ich jede Einzelne in ihrem Wesen oder besser gesagt: in ihrem weiblichen Wesen erfühlen könnte.

Oft schon habe ich gehört, daß der weibliche Körper schöner sei, als der männliche. Ich konnte das nicht so sehen, für mich waren beide in ihrer Verschiedenheit reizvoll. Doch als ich die Bilder in diesem Buch betrachtete, wo zwei oder drei, auf einem sogar vier Frauen ineinanderverschlungen daliegen, kam mir zum ersten Mal der Gedanke, daß ein Frauenkörper wirklich schöner sein kann als der männliche. Es sind vor allem die Brüste, die das Gleichmaß ergeben, aber auch die Rundungen von Schultern und Hüften, und nicht zu vergessen die Schamhaare: manche leicht und duftig, andere wie tiefdunkles Moosgeflecht auf alabasterfarbenem Grund. Ein Photo gefällt mir besonders, wo zwei Frauen auf einem steinigen Boden liegen, nebeneinander, die Augen geschlossen, und jede berührt nur mit einer Hand den Körper der anderen. Ich glaube nicht, daß zwei Männerkörper nebeneinander so viel Sanftheit und Ebenmäßigkeit und Hingabe ausstrahlen können, wie diese beiden Frauen. Auch Haare können Ausdruck von weiblicher Schönheit sein. Ich denke dabei an das Photo von der Frau, die ihren Kopf leicht nach unten beugt und ihre dunkelglänzenden Haare fallen nach vorn über die Schulter bis zu den Brüsten und verdecken geheimnisvoll das Gesicht und unter durchsichtigem Stoff ihr nackter Körper. Und oft ist auch die Haut so weiß und zart und die Brüste so lieblich, daß ich nicht genug bekommen kann, sie zu betrachten. Dann sind es wieder die Schamhaare, die mich neugierig machen: manche rasiert und reduziert zu netten dunklen oder hellen Fleckchen, die etwas Betörendes haben, ebenso die natürlich gewachsenen – mit welcher Neugier betrachte ich auch sie, denn alle sind nie gleich in Form und Dichte und Ausdruck, oder da, wo gar keine Haare sind, sehe ich nur eine mädchenhafte Nacktheit, nett und süß. Doch bei allen wunderbaren und wundersamen Details darf ich nicht vergessen zu erwähnen, daß es oft die Augen sind, ihr Ausdruck, die für mich etwas Unergründliches, ja fast Magisches bekommen in Kombination mit der Nacktheit. Ja, es ist nicht nur die Nacktheit, die mich fesselt, sondern die so unterschiedlichen Persönlichkeiten, die sich mir in diesem Buch vorstellen. Denn immer gibt es eine Verbindung zwischen Körper, Person und wie sie sich mir zeigt und auch vor welchem Hintergrund. Da gibt es Felsen, Wasser, eine zerbröckelte Mauer, ein Kornfeld oder einfach nur schwarz. Es dauerte eine Weile bis mir bewußt wurde, wie überzeugend die Umgebung der Ausstrahlung der jeweiligen Frau entspricht, weil sie so unauffällig ist: wie selbstverständlich scheint es mir, daß die eine aus dem Wasser steigt, die andere rücklings auf einem Stuhl sitzt und wieder eine andere an einem geöffneten Fenster steht … Auch die Utensilien faszinieren mich und wie genau sie zu dem Wesen der Frau zu passen scheinen, die sie trägt oder die mit ihnen spielt, wie die Frau mit der Schlange. Perlenketten und Kettchen überhaupt und Ringe – wie der Ring mit dem Auge –, unterstreichen die Charaktere, auch schwarze Stiefel und schwere Schuhe, eine durchsichtige oder schwarze Plastikhülle, und dann die verschiedensten Bänder und Schnüre und wie sie um den Körper geschlungen sind. Doch immer scheint das Drumherum sehr einfach, nur dazu da, das Wesen jeder Frau, ihre Erotik, ihre Träume zu vervollständigen. Das Portrait einer Frau neben dem Photo ihres nackten Körpers, das ist für mich letztlich auch die Aussage des ganzen Buches: Körper und Persönlichkeit sind nicht zu trennen. „Love me“ ist ein schöner und bezeichnender Titel. Doch für mich bedeutet das Buch noch mehr: Es gibt Einblick in mein weibliches Inneres und in das meiner vielen, vielen Schwestern.

Normalerweise erzeugt das Objektiv einer Kamera immer eine gewisse Distanz, speziell bei Aktphotos fühle ich mich oft unbeteiligt oder nur als neugierige Betrachterin. Doch die Frauen in diesem Buch scheinen mir zum Greifen nah, als ob ich mit ihnen im selben Raum sei oder in der gleichen Landschaft. Ich fühle keine Distanz. Sie schauen mich an, und ich meine zu wissen, was sie mir sagen wollen, über sich, und wie sie ihre Weiblichkeit und ihren Körper empfinden, und selbst wenn sie mir nur ihren Rücken zeigen, so bleibt es ein Gespräch mit der Kamera, mit mir.

Vielleicht hat das Gefühl von Nähe, das ich beim Anschauen dieser Photos empfinde, auch etwas damit zu tun, daß ich selbst eine Frau bin und Frauen sehr gut kenne, auch die Nacktheit von Frauen, denn ich bin nur unter Frauen aufgewachsen. Ja, vielleicht bin ich auch deshalb so verzaubert von diesen Photos, weil die Art und Weise, wie Thomas Karsten Frauen sieht und aufnimmt, eine Intimität wiederspiegelt, die ich nur erlebt habe, wenn sich Frauen ganz unter sich fühlen. Ich denke dabei an ein türkisches Bad in Tunesien, wo ich fast einen Tag nur unter nackten oder nur sehr wenig bekleideten Frauen verbrachte, und es war nicht nur die Hitze und der Dunst des heißen Wassers, der einen märchenhaften gelben Schleier um all die Frauen hüllte – die da saßen, hockten oder lagen oder in Grüppchen herumstanden –, der diesen unvergeßlichen Zauber in mir auslöste. Es war auch die Intimität, sich so nah und nackt in den gleichen Räumen zu bewegen, und die Stunden vergingen, ohne daß ich es merkte. Ich habe auch nicht weiter darüber nachgedacht, warum ich mich unter diesen Frauen so warm und aufgehoben fühlte. Nur an einen Gedanken erinnere ich mich: „Ich hätte nichts dagegen, in einem Harem zu leben!“
Ich könnte mir vorstellen, daß das Buch bei Männern, die es betrachten, einen umgekehrten Zauber auslöst: Er schaut in diese intime, so andere Welt, wo er nur manchmal – oder vielleicht nie wirklich? – Zugang hat. Er schiebt einen Vorhang auf die Seite und wirft einen Blick in Räume, in denen es nur Frauen gibt, diese und jene und jede so anders. Ein Paradies für sich. Ist es das, was Thomas Karsten mit seiner Kamera tut: Er führt uns in ein Frauenparadies? In einen Harem? Denn Harem heißt ja eigentlich nur ‚innen‘, ‚Innenwelt‘, im Gegensatz zur Außenwelt. Hier gibt es keine Heimlichkeiten, nichts Verbotenes. Sie schauen uns an, diese Frauen, sie nehmen uns wahr, aber sie lassen sich nicht stören, im Gegenteil, sie verlocken uns: noch genauer, noch tiefer zu schauen, durch ihren Körper in ihre Seele, wie in tausend Spiegel. Ich möchte zu ihnen gehören, ich möchte ebenso zärtlich betrachtet werden, ganz ohne Kleider, ganz nackt.
(Juli 1998, Recha Jungmann)
 Recha Jungmann, Filmautorin und Regisseurin, sie lebt in Frankfurt/Main.

1995 · LUST AN SICH

152 Seiten
150 Abbildungen
Großformat  24×30 cm,
schweres Bilderdruckpapier,
durchgehend farbig gedruckt,
gebunden mit Schutzumschlag,
mit einem Vorwort von Reinhold Mißelbeck
und einem Text von Jutta Ana Dobler
Preis: 39,90 Euro
ISBN: 3-88769-092-3&
Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke, 1995


Die Presse:

„Etwas Heiliges, Verbotenes liegt in diesen Szenen, etwas ganz subtil Erotisches“
(Hans-Jürgen Heinrichs, Zürcher Zeitung)
 
„Karsten liefert ehrliche Akte und einen fast femininen Blick“
(Fotomagazin)




Die Kamera als Spiegel – Aktbildnisse von Thomas Karsten
(Vorwort von Reinhold Mißelbeck)

Blättert man in einem beliebigen Bildband mit Aktphotographie unterschiedlicher Autoren, beispielsweise in einem der Bücher über die Sammlung erotischer Photographie von Uwe Scheid, so mag es durchaus vorkommen, daß Bilder von Thomas Karsten dabei nicht sonderlich auffallen. Sie sind keineswegs auf den ersten Blick spektakulär, zeigen den (überwiegend) weiblichen Körper nicht aus neuartigen, ungewöhnlichen Positionen, plazieren den Akt nicht an Orte, wo sie aufregend auf den Betrachter wirken. Viele sind im Studio aufgenommen, vor neutralem Grund, manche in der häuslichen Umgebung, wieder andere in der freien Natur. Ausgestattet mit all diesen Eigenschaften ist ein Aktbild von Thomas Karsten bestens geeignet, sich zwischen anderen, plakativeren oder aufreizenderen Photographien unauffällig zu verstecken.

Die Besonderheit der Photographie von Thomas Karsten erschließt sich dem Betrachter erst, wenn er eine Reihe seiner Photos sieht, wenn er in einem monographischen, wie dem vorliegenden Buch blättert. Dann wird offenbar, daß Thomas Karsten überhaupt keine Aktphotographie im gängigen Sinn betreibt, dann wird deutlich, daß das der heutigen Aktphotographie so immanente Moment der männlichen erotischen Sicht hier völlig fehlt. Das bedeutet keineswegs, daß sich Thomas Karsten auf die Position zurückzieht, einen Akt extrem unterkühlt zu präsentieren, vergleichbar mit der Ästhetik der Werbephotographie beispielsweise eines Autos oder einer Designerbrille.

Das einfachste wäre es nun, im Gegenzug mit dem Begriff der Natürlichkeit zu operieren, wäre dieses Wort im Zusammenhang mit Aktphotographie nicht allzu abgegriffen und mit der verlogenen Natürlichkeit der fünfziger Jahre eng verknüpft. Weit eher ist da ein Kontext zu nennen, der mit der Biographie von Thomas Karsten zu tun hat, der in der DDR aufgewachsen ist, wo sich jenseits jeder Parteiideologie ein Umgang mit dem nackten Körper etabliert hat, der uns im Westen nicht mehr nachvollziehbar ist, der uns jedoch in seiner ästhetischen Umsetzung an unsere fünfziger Jahre erinnert. Den Zustand könnte man wohl am ehesten als Unbefangenheit beschreiben, er läßt sich aber noch besser dadurch bestimmen, daß wir sein Gegenteil beschreiben, die entsprechende Haltung in der Bundesrepublik.
Dort wird seit Oswalt Kolle Aufklärung und sexuelle Freiheit propagiert, gehört Nacktheit in den Zeitschriftenwald ebenso wie in die Kinofilme, das Fernsehen und die Werbung. Die Propagierung sexueller Freiheit in der bundesdeutschen Wirklichkeit hat jedoch dort ihre Grenzen, wo sie außer Kontrolle gerät, denn schließlich muß neben dieser Freiheit der Reiz des Sexuellen erhalten bleiben, soll es als Lockmittel für den Verkauf von Autos und Seife, von Zeitschriften, Mode und Parfum noch wirksam sein. So kommt es zu der Situation einer versuchten Quadratur des Kreises. Nur solange das Sexuelle und Erotische als Reiz mit einem Hauch des Verbotenen erhalten bleiben, kann die sexuelle Freiheit als solche noch als Errungenschaft verkauft und empfunden werden, und nur solange die sexuelle Freiheit als Ergebnis bürgerlichen Liberalismus propagiert wird, ist sie auf breiter Front in allen Medien einsetzbar, kann mit dem Finger auf die scheinbare Prüderie konservativer Kreise, vergangener Zeiten oder anderer Kulturen gezeigt werden. Offensichtlich ist doch, daß gewisse Publikationsorgane nur darauf warten, daß sich ein solcher Anlaß ergibt, die angeblich so selbstverständlich selbstverständlich gewordene Nacktheit wieder auf die Titelseite zu bringen.

Dieser Spagat, der ja nicht auf der Ebene der Realität stattfindet, sondern auf der Ebene der Bilder, muß im Bewußtsein, auf dem Boden der Wirklichkeit, eine gewisse Spaltung im Verhältnis der Menschen zur Sexualität hinterlassen. So kommt es auf der einen Seite durch die Reizüberflutung durch Bilder zu einer gewissen Sättigung, auf der anderen Seite werden Wünsche geweckt, die so, wie in der Bilderwelt, in der Wirklichkeit nicht erfüllt werden können. Dieses Problem ist sattsam diskutiert und hat bekanntermaßen zur Folge, daß die Strategie aufgeht und Konsum als Ersatzbefriedigung greifen kann.

Die Folgen für unser Verhältnis zur Erotik, zur Nacktheit, zur Sexualität, sind möglicherweise weniger untersucht, doch sind wir, beeinflußt durch die Verknüpfung von sexuellen Reizen mit einer bestimmten Art von Nacktheit auf der Ebene der Bilder weitgehend außerstande, uns im Rahmen der täglichen Wirklichkeit davon zu lösen.

Möglicherweise könnte man Thomas Karstens Umgang mit dem Akt nunmehr so erklären, daß er beim Photographieren ebendiese Bilderebene mit ihren festgelegten Implikationen nicht im Kopf hat, sondern eine Atmosphäre schafft, in der sich seine Modelle bewegen, wie wenn sie nicht vor der Kamera stünden, sondern möglicherweise vor einem Spiegel, in der sie alleine, mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin agieren würden. Man könnte es vielleicht als einen Akt der Selbstinszenierung mit Hilfestellung durch den Photographen bezeichnen. Ganz offensichtlich versucht Thomas Karsten seinen Modellen nicht seine Vorstellung von seinem Gegenüber und dessen Nacktheit überzustülpen, sondern beobachtet ruhig im Hintergrund, greift ein, wo Spannungen auftreten oder verkrampfte Posen. Thomas Karsten erwähnte mir gegenüber des öfteren scherzhaft, viele seiner Modelle würden ihm sagen, er habe überhaupt keinen männlichen Blick. Mir selbst ging es beim Durchblättern der für dieses Buch ausgewählten Bilder so, daß ich zu der Überzeugung kam, die Auswahl sei ausschließlich von Frauen getroffen worden.
Zumindest kann angesichts dieses Bildbandes – und meines Wissens angesichts seiner Aktphotographie ganz allgemein – festgestellt werden, daß Thomas Karsten seine männliche Sicht in der Photographie nicht durchsetzt, daß er nicht seinen Blick auf den Akt im Bild umsetzt, sondern der eigenen Befindlichkeit seiner Modelle auf der Spur ist. Umgekehrt greift er aber auch nicht auf die Ästhetik der ehemaligen DDR zurück, die wir im Kopf un- weigerlich mit »Kraft durch Freude« oder den fünfziger Jahren verbinden. Ästhetisch steht Thomas Karsten in der Tradition der europäischen und amerikanischen Aktphotographie dieses Jahrhunderts. Und dennoch geraten seine Bilder anders als die seiner Kollegen. Sein Interesse ist abweichend, und er versteht es, dies seinen Modellen bewußt zu machen. Daher kommt es in seiner Photographie auch zu anderen Ergebnissen. Charakteristisch für dieses Vorgehen ist auch die Tatsache, daß er manche der Frauen nun schon über viele Jahre beobachtet, ihre Entwicklung vom Mädchen über die schwangere Frau bis zur Mutter im Bild festgehalten hat. Dies hat bei ihm wenig mit Konzept-Kunst zu tun, sondern ist Ausdruck seines anhaltenden Interesses an der Person und an dem, was wir natürliche Entwicklung nennen. Es entspricht Sehen-Wollen und Festhalten-Wollen.

Thomas Karsten ist ein Dokumentarist; er betreibt eine Art Archäologie menschlicher Verhaltensweisen und Entwicklungen und ist sich bewußt, daß – wie bei einem Naturforscher – solche Beobachtungen durch den Beobachtenden, durch seine Eingriffe in ihrer Authentizität empfindlich gestört werden können. So bemüht er sich, Umstände und Situationen herzustellen, in denen sich seine Modelle frei und unbefangen genug fühlen, um ihr ganz persönliches Spiel zu spielen, ihre eigenen Empfindungen und Erwartungen zum Ausdruck zu bringen und die dafür spezifische Mimik und Gestik entwickeln. Thomas Karstens Modelle sind auf seinen Bildern stets mit sich selbst beschäftigt; sie träumen vor sich hin, sind mit ihren Kindern, ihrer Katze oder einem Umhang beschäftigt, lachen lauthals oder treiben Scherze. Wenn der Blick in die Kamera geht, ist er meist herausfordernd, ist er schon wieder als Spiel, als gezielte frivole Herausforderung zu verstehen. Nicht umsonst ist es ausgerechnet Thomas Karsten, dem im Zusammenspiel mit seinen Modellen die eindeutigsten und frechsten frivolen Bilder im Vergleich mit seinen Zeitgenossen gelingen. Bei Thomas Karsten sind exhibitionistische Bilder ebenso möglich wie die scheuer Zurückhaltung, Posen umwerfender Komik genauso wie Portraits voll innerer Kontemplation. Die Vielfalt in diesen Bildern ist die seiner Modelle, kommt aus ihnen selbst, wird von ihm behutsam zugelassen, gefördert, gelenkt und durch seine ganz persönliche Direktheit und Ehrlichkeit im Umgang mit Menschen ermöglicht. Thomas Karsten photographiert Jugendliche ebenso wie ältere Frauen, er beobachtet Falten im Gesicht und am Körper mit der gleichen Aufmerksamkeit, wie die glatte, von der Zeit unbeschriebene Kinderhaut. Dies alles macht dieses Buch, diese Auswahl von Bildern zu einem umfassenden Portrait von Menschen, ihren Gefühlen, Selbstdarstellungen und Panzern. Durch seine Photographie ermöglicht uns Thomas Karsten daran teilzuhaben, sehen wir Aktphotographie nicht als Bilder von Objekten, sondern als Ergebnisse zahlreicher Selbstperformances, für die Thomas Karsten seine Offenheit, sein Auge und seine Kamera zur Verfügung stellte.
(Reinhold Misselbeck)
 
Reinhold Mißelbeck studierte unter anderem Kunstgeschichte, war Leiter der Fotosammlung des Museums Ludwig und seit 1993 Lehrbeauftragter am Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln. Er verstarb im Jahr 2001. 


ERSTER AKT
(Text von Jutta Ana Dobler)

Ich habe mich noch nie sehr für Aktaufnahmen interessiert, und ich mag es nicht besonders, fotografiert zu werden. Alles in allem hervorragende Voraussetzungen für unser Projekt.
Thomas und ich sitzen seit Stunden beim Frühstück. Draußen wird es langsam dunkel, und er sagt, daß er beim besten Willen nichts mehr essen kann.
»Fangen wir an.«
Hilfe, jetzt schon? Oben erwähntes Projekt heißt ›Aktphotos von Ana‹, der plötzlich sehr mulmig ist.
Thomas beginnt, das Licht aufzubauen.
»Zieh schon mal den Bademantel an.«
Ich bin wieder fünfzehn in irgendeiner dunklen Ecke auf irgendeiner Party mit irgendeinem Typen, der ganz bestimmt an mir rumfummeln will.
»Ich muß um acht wieder in München sein.«
»Wieso sagst du mir das nicht früher, zum Fotografieren braucht man Zeit.«
Hoffnung.
»Wir könnten die Bilder ein anderes Mal machen.«
»Nee, jetzt bist du schon mal da.«
Ende der Hoffnung.
Natürlich habe ich kein Schminkzeug mit. Thomas kramt weißen Theaterpuder aus einer Schublade, und ich versuche, mein Gesicht zu maskieren.
Die einzige Stelle, auf der der Puder hält, sind meine Wimpern. Sehe aus wie ein Albino, schrecklich. Fehlen nur noch die roten Blitzaugen.
Aber zumindest der Fotograf ist Profi.
Thomas legt Filme ein und hängt schwarze Tücher über die Möbel. Ich entdecke einen Bettvorhang aus weißer Gaze, wunderbar geeignet zum Verstecken.
»Komm, ein Probepolaroid.«
»Vielleicht doch lieber im Bademantel?«
»Ana!« Thomas verdreht die Augen.
Ich lasse die Hülle fallen und hechte hinter den Vorhang.
»Steck wenigstens dein Gesicht raus.«
Also gut. 
Das Polaroid ist furchtbar. Meine Haare kleben strähnig am Kopf und ich lächle dümmlich.
Gnadenfrist. Kein Haarspray im Haus, ich bearbeite mein Haupt mit Seife, alles klebt. 
Neuer Versuch.
Jetzt gibt die Kamerabatterie den Geist auf.
Ich gebe fachmännische Ratschläge. 
»Mach doch lieber ein anderes Licht.«
Noch eine Gnadenfrist.
Vielleicht sollte ich mich betrinken?
Leider bin ich mit dem Auto da, bin über die Autobahn gefahren und über jede Menge Land. Ein paar schwarze Krähen und verlorene Bäume ohne Blätter. Sehr idyllisch.
Aber ich schweife ab.
Die Batterien sind gewechselt, das Licht ist umgebaut. Mein Auftritt.
Augen zu und durch!
»Mach doch die Augen auf«, ruft der Fotograf.
Paranoia.
»Ich schiele, ich spür’s genau.«
»Nein«
»Wirklich nicht?«
»Schielen ist erotisch.«
Scheiße.
Thomas fotografiert. Irgendwas an seiner Kamerahaltung kommt mir komisch vor.
»Was fotografierst du eigentlich?«
»Dein Gesicht.«
»Wieso muß ich mich denn dann ausziehen?«
»Es sieht anders aus so.«
Aha. 
Noch ein Polaroid.
Ich habe einen triefäugigen Hundeblick. Thomas findet das süß. Eine Flut von emanzipatorischen Schlagworten in meinem Kopf. Ich sage nichts und starre in die Kamera, die Arme verschränkt. Bestimmt schiele ich.
»Mach mal was.«
»Au ja, klasse! Zieh dich aus und ich mach’ Fotos.«
»Ana«, tönt es anklagend hinter der Kamera hervor.
Wieso mache ich immer so leichtfertige Versprechungen? 
Um diese habe ich mich allerdings schon zwei Jahre herumgedrückt. Aber um zu beschreiben, wie es ist, fotografiert zu werden, muß ich es ausprobiert haben, sagt Thomas. Wofür bin ich denn Dichterin?
»Was soll ich eigentlich schreiben?«
»Irgendwas.«
»Super, hast du noch ‘ne Hilfe?«
»Schreib halt was Poetisches.«
»Fotografiert werden ist nicht poetisch.«
»Am Anfang geht es nie so gut, das wird mit jedem Termin besser.«
Oh Gott, nochmal?!
Kulissenwechsel. Weg mit dem Vorhang. Ich finde ein großes grünes Tuch, das mich noch besser einwickelt. Schnell die Arme verschränken. Fertig.
Thomas flucht über das Gewicht der Mamiya. 
»Schau, ich hab schon Streifen am Arm.«
»Wir könnten spazierengehen.«
Draußen ist es dunkel, kalt und unheimlich ländlich. Ich hasse spazierengehen.
Keine Reaktion auf meinen Vorschlag. Dann ein Aufschrei.
»Scheiße, ich hab den Schieber dringelassen!«
Irgendwie der Wurm drin in unserer Fotoproduktion. 
Ich habe so viele wunderschöne Fotos von wunderschönen Frauen gesehen, die Thomas gemacht hat. Warum ich?
»In zwanzig Jahren bist du froh, daß du die Fotos hast.«
In zwanzig Jahren bin ich berühmt und Thomas ist froh, die Fotos zu haben. Auch das sage ich nicht.
»Fällt dir irgendwas ein, was wir machen könnten?«
»Wie wär’s mit einem Bier in der nächsten Kneipe?«
Thomas stöhnt und ich bekomme einen Anflug von schlechtem Gewissen. Ich bin wirklich kein sehr kooperatives Modell, und Filme sind teuer.
»Vielleicht was mit Schatten an der Wand.«
Schatten sind wunderbar, Schatten sind dunkel. Wir hängen eine löchrige Stumpfhose vor die Lampe. Auf dem nächsten Pola sehe ich aus, als hätte ich mich drei Wochen nicht gewaschen. Aschenputtel in Vierkirchen.
 
Ich atme tief durch und beschließe, mich zusammenzureißen.
Es geht schon etwas besser. 
Thomas fotografiert und erinnert mich ab und zu daran, die Augen nicht zusammenzukneifen. Er benimmt sich genau wie immer. 
Bin ich vielleicht nicht erotisch? 
Ich beobachte ihn prüfend. Keine glänzenden Augen, keine zitternden Hände. Ich muß zugeben, daß mich das etwas enttäuscht.
Schließlich bin ich eine nackte Frau! Der Traum aller Männer, oder was?
»Ana, mußt du nicht langsam gehn?«
Na Klasse, grad hatte ich in aller Stille beschlossen, meinen Termin in München zu ignorieren, um heute doch noch rauszufinden, was am Fotografiertwerden dran ist. Ich ziehe mich wieder an.
»Und wer räumt jetzt hier auf?«
»Besorg dir halt einen Assistenten.«
Ich bin etwas gereizt.
»Möchtest du duschen?« ruft es von draußen.
»Wieso, willst du Fotos unter der Dusche?« Ich bin ziemlich gereizt.
»Nein, du?«
Danke.
Ich fahre nach Hause. Irgendwann später rufe ich Thomas an.
»Hast du die Filme schon entwickelt?«
»Was?«
»Hast du die Filme schon entwickelt?«
»Ana, du bist vor einer Stunde gegangen.« 
In einer Stunde schafft man mindestens vier Filme, ich weiß es genau.
 
Die Bilder sind entwickelt, und ich habe die Kontakte gesehen. Das erste spontane Gefühl: ›Das bin nicht ich‹. Ich schaue entweder verschreckt oder hochmütig und meine Abwehrhaltung ist auf den Fotos deutlich sichtbar. Ob ich immer so einen Gesichtsausdruck habe, wenn ich etwas nicht gern tue? Entsetzliche Vorstellung.
Wieso habe ich mich beim Fotografieren so unwohl gefühlt? Ich war ja noch nicht mal nackt, ich war eingehüllt in Tücher und Schals, und fast alle Bilder sind Portraits. Es hat irgend etwas mit dem Vorgang selbst zu tun.
Fotografieren ist das Festhalten winziger Momente, eingefangene Zeitfetzen, aus dem Fluß der Ereignisse gerissen und nun unendlich oft reproduzierbar. Dadurch sind sie zeitlos geworden, sie schmiegen sich an jede Situation an, sobald sie hervorgeholt werden, sind sie da und geben ihre Gefangenen preis. Real ist das dann die Gegenwart, und doch ist es die Gegenwart und ein winziges Stück irgendwann eingefangener Zeit. 
Ich betrachte die Bilder, fasziniert oder abgestoßen von der Art, wie ich mich vor der Kamera gebe. Ich starre mir ins papierene Gesicht und versuche, dieses fremde Bild in mein Selbstbild einzugliedern. Ich sehe die Sprünge, die sich ergeben. Ich finde mich schön oder häßlich, langweilig oder interessant. Und je länger ich das Bild anschaue, umso weiter entfernt sich der Augenblick der Aufnahme. Für das Foto gelten andere Regeln, statt meiner Verfallszeit die Verfallszeit des Celluloids, die normalerweise langsamer ist. Und so verfalle ich und mein Konterfei strahlt von der Wand auf mich herab, jung ist es und sieht mich an, wie ich mich sonst nie ansehe, weil es nicht mich angesehen hat, sondern die Linse einer Kamera RB 67.
Und irgendwann finde ich mich überhaupt nicht mehr darin wieder, weil ich mich weiterentwickelt habe und der Abzug längst ausentwickelt ist.
Dann sind die Fotos nur noch Beweise für etwas, das vergangen ist, und das im Heute nichts zu suchen hat. Aber das Grundprinzip des Lebens ist Veränderung, und auch Fotos unterliegen diesem Prinzip. Ich habe mich durch den Fototermin verändert, Thomas hat sich verändert, und wer die Bilder betrachtet, wird sich, und sei es auch nur minimal, ebenfalls verändern. Was mir in die Quere kommt und das ungute Gefühl hervorruft, ist die Unfähigkeit zur Abstraktion. Ich sehe ein Foto von mir nicht unter ästhetischen Gesichtspunkten, sehe es nicht als Zeitdokument oder als künstlerisches Ausdrucksmittel, sondern als ein Stück eingefangener Seele, zum unkontrollierbaren Gebrauch freigegeben.
 
 Was bewegt andere Frauen, sich fotografieren zu lassen?
 
Saskia: »Für mich sind die Fotos wie ein Tagebuch, eine Art Indikator meiner Stimmungen. Wenn ich sie anschaue, weiß ich wieder, wie es mir zu bestimmten Zeiten meines Lebens ging, und ich sehe Veränderungen, die mir sonst wahrscheinlich nicht aufgefallen wären. 
Vor der Kamera schlüpfe ich in ganz unterschiedliche Rollen, die aber alle etwas mit mir zu tun haben. Am wohlsten fühle ich mich, wenn ich noch irgend etwas anhabe, ein Tuch, ein Hemd, Schuhe… 
Das Schöne bei Thomas ist, daß er einen machen läßt und daß er sich so benimmt wie immer. Er versucht auch nicht, Unsicherheiten zu überspielen. 
Es stört mich überhaupt nicht, wenn jemand die Fotos anschaut. Sie gehören zu mir.«
 
Valerie: »Ich denke, ich habe eine ›exhibitionistische Ader‹. In der Aktfotografie kann ich sie kreativ umsetzen, da gehört sie hin. Am Anfang kam ich mir vor der Kamera ganz hilflos vor. Thomas gab mir keine Anweisungen. Inzwischen fühle ich mich wohl dabei, ich spiele keine fremde Rolle, sondern bin einfach so, wie ich grad drauf bin. Das hängt sicher damit zusammen, daß Thomas beim Fotografieren ganz normal bleibt. Er ist kein Spanner, tut auch nicht besonders cool oder so. Er läßt Freiräume.
Zu meinem Körper habe ich ein gutes Verhältnis. Ich mag ihn gern. Auch wenn er nicht dem Prototyp der schönen Frau von der Plakatwand entspricht.«
 
Vielleicht sind meine Skrupel nur Ausdruck einer bestimmten Moralvorstellung, gekoppelt mit der Angst, benützt zu werden. Aber benützen kann man mich nur, wenn ich es zulasse.
Ich beschließe, es noch einmal zu versuchen.


ZWEITER AKT
 
Diesmal kommt Thomas zu mir. Er meint, daß ich mich in meiner eigenen Wohnung
wohler fühle. Er meint auch, daß er sein Studio nicht mehr sehen kann (auf Fotos), und daß er Bilder mit Pflanzen machen möchte, von denen bei mir ziemlich viele rumstehen. Ich bin schon wesentlich cooler als beim ersten Termin, arrangiere mich zwischen den Pflanzen und denke sogar daran, die Augen offen zu lassen. Kurze Zeit zumindest. Dann fängt es an, mich ganz furchtbar zu jucken. Ich habe mein Grünzeug sehr gern, aber so nah auf Tuchfühlung waren wir noch nie. Zu Recht, wie sich jetzt zeigt. Rote Flecken überall.
Also raus aus der Botanik.
In der Küche vor dem Spiegel, mit einem großen Umhang und Zigarettenspitze. Thomas versucht mir zu erklären, daß man von der Straße aus nicht in ein Zimmer im dritten Stock schauen kann. Ganz überzeugt bin ich nicht. Aber wir arbeiten mit Tageslicht, deswegen müssen die Jalousien offen bleiben. So springe ich halt jedesmal zurück, wenn unten auf der Straße jemand vorbeigeht. Das ist das einzige, was den Ablauf stört. 
Seltsamerweise ist es mir nämlich gar nicht mehr unangenehm, fotografiert zu werden. 
Ich habe begonnen, mich zu inszenieren. Das ist faszinierend zu beobachten. Anstatt mich hilflos zu fühlen, werde ich aktiv. 
Nach der Session eine Tasse Kaffee und meine Frage an Thomas: »Wieso machst du eigentlich Aktfotografie?« 
»Ich war vor vielen Jahren auf der ersten offiziellen Aktfotoausstellung der DDR. Der Fotograf hat sehr junge, ästhetische Körper fotografiert, technisch perfekt, trotzdem waren die Frauen Objekte, man hat den Bildern angemerkt, daß er scharf auf sie war. Gleichzeitig wurde ein einfühlsamer Dokumentarfilm über ein 70-jähriges Ehepaar beim Nacktbaden gezeigt. Hinterher gab es eine Diskussion mit dem Fotografen, dem Filmer und dem Publikum, bei der der Fotograf die Meinung vertrat, daß alte Körper unästhetisch seien und daß Männer sozusagen nur ›Frischfleisch‹ sehen wollten. Ich fand diese Einstellung schockierend und mir kam die Idee, daß es auch als Mann möglich sein muß, Frauen nicht körperbetont, sondern selbstbewußt zu fotografieren. Die Fotos entstehen immer in Zusammenarbeit, ich habe kein festes Bild im Kopf, sondern die Modelle setzen ihre eigenen Vorstellungen um. Viele meiner Modelle fotografiere ich jetzt schon über zehn oder
fünfzehn Jahre hinweg, z.B. vor der Schwangerschaft, während der Schwangerschaft, mit dem Kind usw. Obwohl der Körper zu sehen ist, sind meine Bilder Portraits der Menschen und keine Wichsvorlagen.«
Auch diesmal warte ich gespannt auf die Kontaktabzüge. Manche Bilder gefallen mir, manche gefallen mir nicht, aber fast keines vermittelt mehr den Eindruck eines erschreckten Karnickels vor der Schlange. Ich verteile ein paar rote Klebepunkte auf den Kontaktbögen und stelle beim Zusammenzählen erstaunt fest, daß ich 32 Bilder ausgesucht habe, auf denen ich mich wiederfinde. Beim ersten Fototermin waren es vier. Thomas stöhnt: »Weißt du, wie lange ich dafür wieder in der Dunkelkammer stehe?« Trotzdem bringt er mir die Bilder bei unserem nächsten Treffen mit.
Die Verlegerin ist gekommen, die Grafikerin, der Fotograf und ich. Wir schauen Fotos an, wollen eine erste Vorauswahl für das Buch treffen. Um uns herum stapeln sich die Kästen mit den Bildern. Die große, für die besten Aufnahmen bestimmte Schachtel platzt bereits aus allen Nähten. Wir kabbeln uns ein bißchen über der Frage, was denn nun eigentlich erotisch ist. Einblicke, Ausblicke, Verhüllungen, Nacktheit, ein trauriger Blick, geschlossene Augen, Echtheit, Lachen….?
Jede von uns hat eine andere Vorstellung. Bei manchen Fotos dann doch überraschend Einigkeit, es sind die Bilder, zu denen uns Geschichten einfallen.
Habe mal im Lexikon nachgeschaut. Da steht, daß Eros der griechische Gott der sinnlichen Liebe ist, ein Sohn von Ares und Aphrodite, und daß er ursprünglich als ordnendes Urprinzip der Weltordnung gedacht war. Aus der Formulierung schließe ich, daß es nicht geklappt hat mit der sinnlichen Lust als Ordnungsprinzip. Ob das mit dem Patriarchat zusammenhängt? Nach meinem logischen Verständnis müssen alle ordnenden Kräfte bipolar sein. Dann würde durch die noch immer verbreitete Degradierung der Hälfte der Menschheit zum Lustobjekt der natürliche Ausgleich verlorengehen, und sich das großartige Chaos in ein armseliges Weltbild verwandeln. 
Aber zum Glück wächst die Anzahl der Frauen, die wissen, was sie wollen und das auch sagen, und die Anzahl der Männer, die in diesem eigentlich selbstverständlichen Verhalten keine Bedrohung sehen. Gute Chancen für Eros, den ich jetzt trotzdem nicht länger mit theoretischen Ausführungen belästigen möchte. 
Zurück zu den Bildern. Immer neue Schätze tauchen aus den Kisten auf. Ich bin fasziniert. Die Gesichter packen mich, fangen mich ein mit der Kraft, die sie ausstrahlen. Thomas hat es geschafft, seine Idee zu verwirklichen.
Die Frauen auf diesen Fotos sind keine Objekte, keine Opfer. Sie sind ›selbst bewußt‹, melancholisch oder voller Lebensfreude, aber immer ganz da. Die Gesichter, die Persönlichkeiten lassen sich nicht ignorieren. 
Und die Nacktheit? 
Die wirkt auf manchen Bildern so natürlich, daß sie kaum auffällt. Auf den meisten jedoch wird sie von den Modellen bewußt in Szene gesetzt, aus ›Lust an sich‹. 
(Jutta Ana Dobler)
 
Jutta Ana Dobler, geboren 1966 in München und lebt dort als freie Autorin. (Stand 1995)
1994 erschien im Sensenfrauverlag ihr erstes Buch „Blauere Vogel-Schwarze Seele“.