2001 · Moments Of Intensity

192 Seiten
121 Abbildungen
Großformat  24×30,5cm,
schweres Bilderdruckpapier,
durchgehend Duplex gedruckt,
gebunden mit Schutzumschlag,
mit einem Vorwort von Jennifer Baumgardner
und Texten von Sigrun Casper 
Preis: 39,90 Euro
ISBN: 3-88769-176-8
Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke, 2001

direkt hier bestellen: info@thomaskarsten.com


Die Presse:
 
„Moments of Intensity. Akt vom Besten, niemals langweilig ‚Schön‘ – und in der für diesen Verlag üblichen exzeptionellen Buchgestaltung“
(Die Presse, Wien)
 
„Für Freunde erotischer Unbekümmertheit“
(Die Zeit)
 
„Subtile Spannung zwischen Modell und Fotograf“
(Die Rheinpfalz)


Vorwort von Jennifer Baumgardner

«Meinen ersten Schnappschuss machte ich, nachdem ich meinen ersten Fotoapparat bekam. Es war das Portrait eines Freundes. Ich muss ungefähr 12 Jahre alt gewesen sein. Aber mein erstes Aktbild wurde von einem Motiv inspiriert, das ich mit 6 Jahren im Kopf hatte. Es war das Bild einer nackten Frau aus einem Märchenbuch, das wir im Kindergarten hatten. Ich nahm das Buch mit nach Hause und versuchte, das Bild abzumalen. Ich glaube, das war der Beginn meiner Leidenschaft für Aktfotografie.»
(Thomas Karsten, Juli 2001)
 
Die meisten Fotos von nackten Frauen sind mir, einem amerikanischen Mädchen, das in den glühend-feministischen 70ern geboren wurde, ein bisschen suspekt. Und ein bisschen langweilig – so wie ja-ja, schon mal gesehen, von letztem Jahr. Weibliche Akte sind doch der Drei-Akkord-Rocksong der Kunstwelt. Ein Kunststück, wofür man nicht viel Technik oder Fantasie braucht, das seinen Reiz aus etwas in unserem tiefsten Innern (unserer Prüderie und Lüsternheit) zieht. Ein solches Bild könnte im Museum für Moderne Kunst hängen oder sich in Larry Flints amerikanischem Muschi-Blatt Hustler rekeln –jedes Foto würde funktionieren. Obwohl ich das sage, muss ich hinzufügen: Ebenso wie Drei-Akkord-Rock’n’Roll trotzdem gut ist, so sind Fotos von nackten Frauen meist schön (also inhärent «Kunst»?), wie auch sexy.
Was Künstler des Genres Frauen-Aktfotos voneinander unterscheidet, ist daher nicht die Technik oder der Inhalt, sondern die Ästhetik – der Stil. Die klaren, messerscharfen Linien von Man Rays Vorkriegsfrauen; das weichbusige, rundhüftige Playboy-Mädchen von nebenan im Slip, das Hugh Hefner dem Mann in den 50ern brachte; die verführerische, rasierte Lady mit geöffnetem Mund, mit der Larry Flint Hugh Hefner in den 70ern ins Land sexueller Belanglosigkeit beförderte.

Thomas Karsten, am 6. März 1958 im Sternzeichen Fische geboren, hat seit 1988 vier Bücher veröffentlicht – alle drücken seine Leidenschaft für Akte aus. In seinem ersten Buch, Thomas, Mach’ ein Bild von uns, fotografierte er Paare – im heterosexuellen Sinn. Seitdem hat er sich auf Frauen und Paare im sapphischen Sinn konzentriert. «Ich bin nicht unbedingt an lesbischen Bildern interessiert,» schrieb er mir in einer E-Mail, die seine Assistentin aus dem Deutschen übersetzte. «Ich bin generell an Frauen interessiert, und ich arbeite gern mit mehr als einem Modell, weil das eine ganz andere Atmosphäre schafft. Mir ist es wichtig, während des Shootings eine Stimmung zu erzeugen, in der sich die 
Frauen wohl genug fühlen, sie selbst zu sein. Meistens fühle ich mich selbst wie ein Beobachter der Szenen, die die Frauen kreiert haben.»

Als Karsten etwa 19 Jahre alt war, lebte er in Ostdeutschland. In Ostdeutschland war es in den 70ern nicht wie in den USA. Es gab nur ein Magazin mit nackten Mädchen, und in seiner Zeit dort sah er nur eine einzige Ausstellung von Akten, die ein Fotograf aus Leipzig gemacht hatte. Die Fotos waren Bilder von sehr jungen und schönen, model-ähnlichen Mädchen. Betrüblicher noch als der Mangel an Fotos war ihre Qualität: Wenn der Leipziger Fotograf über seine Arbeiten sprach, behauptete er, er versuche, die Persönlichkeit der Mädchen rauszubringen – aber das sah Karsten in dessen 
Arbeiten nicht. «Und das war meine Inspiration, Fotos von Frauen zu machen»,  sagt Karsten. «Zu versuchen, mehr als nur einen schönen, jungen Körper zu zeigen.»
Thomas Karstens Akte sind zu einem großen Teil klare kurze Blicke auf das innere Heiligtum von Frauen, wie auch auf Frauen, die Sex mit sich selbst oder einer anderen Frau haben. Die Modelle sind keine Profis, und sie fühlen sich deutlich wohl dabei, sich von Karsten fotografieren zu lassen. Mit manchen arbeitet er schon so lange zusammen, dass er inzwischen Fotos von ihren erwachsenen Töchtern macht. Sein Stil wirkt wie matt schimmerndes Porzellan, die Modelle vergnügt, in einem kühlen  Raum, der zur Aufbewahrung von Filmen oder Batterien geeignet wäre. Es ist nicht der glatte nahezu feucht wirkende Hochglanzeros des amerikanischen Hustlers. Noch ist es das schmutzige, cool-für-dich, tätowiert-und-auf-der-Toilette Mieze-Image, was durch den amerikanischen Fotografen Richard Kern berühmt wurde (dessen Buch, New York Girls, als eine neue Herangehensweise an den Drei-Akkord-Akt bezeichnet wurde). Oft schauen die Modelle in die Kamera. Es gibt auch eine Menge nach außen gerichteter Offenheit, Masturbation mit Fingern auf Art und Weisen, die ich nicht wiedererkenne, rasierte Mösen, viele Busenberührungen wie bei verhinderten Xenas, Körpermalfarbe, etwas echten Oralsex. Leidenschaftlich, mit Sicherheit; aber hat Karsten den Charakter oder die Persönlichkeit der Frauen in all diesen Moments of Intensity festgehalten? Wie hält man die Persönlichkeit einer Frau fest, die nackt für ein Buch Modell stehen will? Diese Frauen sind, per definitionem, Exhibitionistinnen – und was ist verhüllter als eine nackte Exhibitionistin, die für die Kamera posiert?
Aus meiner Sicht (amerikanisch, feministisch, zynisch, die Sorte von Mädchen, das nackt posieren will) hat Karsten sein Ziel, den Charakter der Frau festzuhalten, in den Bildern erreicht, die am wenigsten «intense» sind. Das süße Mädchen, das rauchend auf der Tischplatte sitzt, mit der Orchideen-Tapete im Hintergrund. Das Mädchen im Pullover auf dem Dach mit relativ intaktem Schamhaar. Die sexy Brünette mit verworrenem Haar, die auf der Seite liegt und zu einem merkwürdig bequem aussehenden Knoten verdreht ist. Die traurige Blonde mit den kurzen Haaren, die in sich zusammengesunken wie eine Inderin dasitzt, und deren spitze Brüste wie kleine umgekehrte Matterhörner aussehen. Die zwei gepiercten Joan Jett-Style Lesben, die nicht außergewöhnlich oder ekstatisch oder auch nur erregt aussehen, sondern einfach zufrieden in ihrer Kuschelstellung. Vielleicht sind das die Bilder, die nicht nur von Frauen sind, sondern auch für Frauen.
Schließlich ist für ein Mädchen – oder ein paar Mädchen – die nackt dem vertrauten, forschenden Blick eines Mannes mit einer Kamera gegenüberstehen, Entspannung der intensivste (und seltenste und zarteste) Moment von allen.
(Jennifer Baumgardner, New York City, August 2001, Übersetzung: Kerstin Mächler)


Foreword by Jennifer Baumgardner

«The first snapshot I ever took after receiving my first camera  was a portrait of a friend. I must have been 12. But my first nude picture was inspired by an image I had in my mind at the age of 6, which came from a fairytale book we had at kindergarten with a drawing of a naked woman in it. I took the book home and tried to copy it onto paper. I think that was the beginning of my passion for nude photography.»                                                                        Thomas Karsten, July 2001
 
Most photos of nude women are to me, an American girl born in the fiery feminist seventies, a little suspect. And a little dull—as in ho-hum, seen that, and last year. Female nudes are, after all, the three chord rock song of the art world. A feat that doesn’t take a lot of technique or imagination, which derives its thrill from something based inside of us all (our prudery and our prurience). The shot in question could be in the Museum of Modern Art or a spread in Larry Flint’s American beaver rag Hustler—any photo will do. Having said that, though, I must add: just as three-chord rock and roll is delicious and fun in spite of itself, photographs of nude women tend to be beautiful (thus, inherently «art»?), as well as sexy.
Much of what has come to differentiate artists within the genre of Nude Photos of Women, therefore, is not technique or subject matter, but aesthetic—style. The clean, rapier line of Man Ray’s pre-war women; the soft-nippled, round-hipped, underpants-clad Playboy girl next door that Hugh Hefner handed to the fifties man; the lurid, open-mouthed, Showing-Pink Lady of the seventies that Larry Flynt used to boot Hef into the land of sexual irrelevance.

Thomas Karsten, a Pisces born on the 6th of March, 1958, has published four books since 1988—all expressing his passion for nudes. In his first book, entitled Thomas, Take a Picture of Us, he photographed couples—in the heterosexual sense. Since then he has focused on women and couples in the Sapphic sense. «I am not particularly interested in lesbian images,» he told me in an e-mail, translated from German by his assistant. «I am generally interested in women, and I enjoy working with more than one model because it creates a completely different ambience. The important aspect for me is to create an atmosphere during a shooting session which allows the models to be themselves. I consider myself an observer of the scenes created by those models.» 

At the age of 19, Karsten was living in East Germany. East Germany in the early seventies was no U.S. of A. There was only one magazine with naked girls and, during his time there, he saw a single exhibition of nudes taken by a photographer from Leipzig. The photos he saw were all of very young and pretty, model-like girls. More distressing than the dearth of photos was the quality of them: when the Leipzig photographer talked about his work, he claimed that he sought to bring out the girls’ personality—but that was not what Karsten saw in the man’s work. «And that was my inspiration to start taking pictures of women,» says Karsten. «To try to show more than just a nice young body.» 

Thomas Karsten’s nudes are largely bare glimpses of women’s inner sanctum along with women having sex with themselves or another woman. The models are not professionals and, clearly, they feel at ease being photographed by Karsten. Some he has been working with for so long that he is now taking pictures of their grown-up daughters. His style looks as if it was dusted with talc and the models cavorted in a cool, dark room suitable for storing film or batteries. This is not the slick, high-gloss eros of American Hustler. Nor is it the dirty, cool-for-you, tattooed-and-on-the-toilet chick-shot made famous by the American shooter Richard Kern (whose book, New York Girls, was reported to be a fresh take on the three-chord nude). The models frequently direct their gaze at the camera. There’s also lots of splayed openness, digital masturbation in ways I don’t recognize, shaved pussies, lots of grabbing of breasts like frustrated Xenas, body paint, some actual oral sex. Impassioned, to be sure; but did Karsten capture these women’s characters or personalities in all of these moments of intensity? How does one capture the personality of a woman who wants to pose nude for a book? Those women are, by definition, exhibitionists—and what is more masked than a naked exhibitionistperforming for the camera? 
By my standards (American, feminist, cynical, the type of girl who wants to pose in the nude), Karsten met his own goal of capturing the character of the woman in the shots that are the least «intense.» The moppet-ty girl sitting on the table top, smoking, with orchid wallpaper behind her. The sweater-clad girl on the roof with relatively intact pubic hair. The sexy brunette with tangled hair, lying on her side, contorted into a weirdly comfy-looking knot. The sad-sack blond with the short hair who sits in slumpy Indian style and whose pointy breasts look like wee inverted Matterhorns. The two pierced Joan Jett-style lesbians who look not transcendent or ecstatic or even titillated, but contented in their nestling pose. Maybe these are the shots not just of women, but for women. 
After all, for a girl—or a couple of girls—to stand naked in front of the familiar probe of a man with a camera taking a peek, relaxation is the most intense (and rare and delicious) moment of all.
(Jennifer Baumgardner, New York City, August 2001) 

Jennifer Baumgardner ist eine feministische Schriftstellerin und Herausgeberin, sie lebt in New York City. Sie schreibt regelmäßig für Bust, The Nation, Jane, Glamour, Marie  Claire, Z, Harper’s, Nerve, Ms. u. a. Außerdem ist sie Co-Autorin – mit Amy Richards – des Manifests: Junge Frauen, Feminismus und die Zukunft. Für den Verlag Farrar, Straus & Giroux gestaltet sie zur Zeit die Neuausgabe einer Reihe feministischer Klassiker und schreibt die Einführungen (der erste Klassiker dieser Reihe ist Germaine Greer’s «Der Weibliche Eunuch»). Und sie schreibt gerade ein neues Buch: Schau in beide Richtungen: Mädchen und Sex (voraussichtliches Erscheinen: 2003)


Texte von Sigrun Casper

Auf einem Fest treffe ich einen Mann. 
Letztens, sagt der Mann, sei ihm etwas Seltsames passiert. 
Auf einer Wiese, wo die Leute nackt rumlaufen, habe er Frauen und Männer beobachtet, und beide seien ihm gleichermaßen wie Tiere vorgekommen.
 
Sonst sähe er immer nur die Körper der Frauen und könne gar nicht anders, als sie mit einem bestimmten Interesse zu betrachten. Warum sagt er das zu mir, was ist die Botschaft? Ich wünsche mir schon so lange seinen Blick auf mich als Frau, den elektrifizierenden Blick, der von den Augen in die Lippen, in die Hände springt.
 
Auch ich, entgegne ich, eine Frau mit meinen Blicken verfolgend, die ihren Körper lasziv und selbstvergessen vor den Händen ihres Partners windet, auch ich finde nackte Frauen schöner anzuschauen. Der Mann lächelt mich an.
 
Ich widerstehe dem Impuls loszuspringen und für ihn zu tanzen und sage: Manchmal, wenn ich Frauen ansehe, vergleiche ich sie mit mir und werde böse. Who compares will never be happy, entgegnet er und ich verstehe, warum er die andere Sprache benutzt, er will nicht dass ich verlegen werde.
 
Ein Mann, den ich will, dem ich mich, meinen Körper, zeigen und schenken will, und ich, stehen zwischen lauter schwatzenden Leuten, jeder mit einem Glas Wein in der Hand, mitten im Soul, nahe bei den Tanzenden.
 
Ich bewege meine nackten Schultern vom Rhythmus gestreichelt, er schaukelt mit dem Oberkörper zu mir hin und von mir weg, als wolle er meine Brust mit seinem Mund berühren und ich scheue davor zurück. Ich brauche ihm nur das Glas aus der Hand zu nehmen und beide Gläser irgendwo abzustellen und so zu tanzen, dass er sich vorstellen kann, wie ich nackt aussehe.
 
Statt dessen halte ich die Schultern still und verteidige mich. Es kommt aber auch vor, dass ich bei einer Frau, die ich schön finde, sehe, was ich nicht habe, und trotzdem keinen Neid empfinde. Vielleicht sehe ich sie dann auch mit einem Blick wie auf ein Tier, ohne abzuschätzen, ohne Begehren.
 
Als wäre ich selbst ein Tier, kein Kulturwesen mit eingebautem und festgestelltem Blickwinkel, schwatze ich. Er runzelt die Stirn. Um mich herum sehe ich Frauen, nur noch Frauen mit griffigen Brüsten unter ihren Kleidern, federnden Hüften und ranken Schenkeln. Ich fange an zu lachen.
 
Ich will von dem Mann nicht angesehen werden wie ein Tier. Er trinkt sein Glas leer und schaut suchend um sich. Sehen, was du nicht hast ist etwas anderes als sehen, was dir fehlt, bringe ich noch schnell heraus, damit er bei mir bleibt.
 
Er schüttelt den Kopf und grinst. Was redest du da, Katze. Ich sehe, was mir fehlt, sagt er, Haut, Haut, deine Haut. Er nimmt mir das Glas aus der Hand und trinkt es leer.               

(Sigrun Casper, 2001)

Sigrun Casper, Schriftstellerin in Berlin, sie publizierte Romane, Erzählungen und Lyrik, zuletzt: «Bleib’ Vogel». Liebesgeschichten.

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